Das musst du wissen

  • Abwasseruntersuchungen zeigen: Ecstasy ist in der Schweiz die Festivaldroge Nummer eins.
  • Die Rückstände von Ecstasy im Abwasser sind während eines Festivals 16-Mal höher als sonst.
  • Viel weniger beliebt ist hingegen die Freizeitdroge Kokain.

Schlamm, Abfallberge und One-Night-Stands waren ein fester Bestandteil von Schweizer Musikfestivals – wie es sie bis letzten Sommer noch gab. Ebenso in die illustre Liste gehörten die Drogen. Bisher hatten die Behörden jedoch nur ein ungenaues Bild davon, welche Substanzen in der Schweiz an Festivals am meisten konsumiert werden und in welchen Mengen. Die Menschenmassen sind einfach zu gross und machen Umfragen zu aufwändig. Ebenso liefern die Razzien der Polizei nur ein lückenhaftes Bild über die gesamte Situation. Doch nun haben Forscher der Universität Lausanne eine Methode getestet, mit der sich zuverlässige und flächendeckende Daten über den Drogenkonsum erheben lassen. Dabei haben sie nicht geschaut, was oben reingeht, sondern, was unten wieder rauskommt.

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Während eines Musikfestivals, das die Autoren der Studie aus Gründen der Vertraulichkeit nicht nennen dürfen, haben die Forscher 2014 und 2015 die Abwässer der Besucher untersucht. Dazu haben sie in der örtlichen Abwasserreinigungsanlage einen automatischen Probennehmer installiert, der alle fünf Minuten vier Zentiliter des einströmenden Abwassers einsog. Das begann einige Tage vor dem Eintreffen der Besucher und endete am Sonntagabend zum Abschluss des Festivals. «So konnten wir den Drogengehalt vor dem Festival mit dem während des Festivals vergleichen», sagt Co-Studienleiter Olivier Delémont, Professor für Forensik an der Universität Lausanne.

Science-Check ✓

Studie: Testing wastewater from a music festival in Switzerland to assess illicit drug useKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie untersucht die Konzentration von Drogen im Abwasser eines einzigen Musikfestivals – und das nur in den Jahren 2014 und 2015. Die Messungen bestätigen Ecstasy als Festivals-Droge Nummer eins. Ungeklärt bleibt indes die Frage, ob an Musikfestivals generell mehr Ecstasy konsumiert wird, oder ob Festivals vor allem Leute anziehen, die ohnehin schon einen höheren Ecstasy-Konsum haben. Dies müssen zukünftige Studien zeigen, die allenfalls Abwasseruntersuchungen mit Befragungen und den Ergebnissen von Razzien durch die Polizei kombinieren. Solche Gross-Studien stehen noch aus. Das Verfahren der Abwasser-Analyse ist indes zuverlässig und wird wohl auch in Zukunft zur Überwachung des Drogenkonsums von grösseren Menschenmengen angewendet werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Im Labor wurden die Proben eingedampft und anschliessend der Gehalt an Kokain, Ecstasy, Amphetaminen, Metamphetaminen, Cannabis und weiteren Drogen bestimmt. Dadurch konnten die Wissenschaftler herausfinden, um welchen Faktor der Konsum jeder Droge während des Festivals anstieg.

Das Resultat ist relativ klar ausgefallen. Auf Platz eins steht Ecstasy. Während des Festivals stieg der Ecstasy-Gehalt im Abwasser um das 16-Fache an. Umgerechnet auf den pro Kopf Konsum ergibt das eine Steigerung um das 8-Fache verglichen mit den Tagen vor dem Event. Das ist ein frappanter Anstieg, der sogar über den Erwartungen der Polizei liegt. Diese stellt am Open Air St. Gallen etwa bei Razzien lediglich leicht erhöhte Konsumation fest, wie Eugen Rentsch, Leiter Betäubungsmitteldelikte bei der Kantonspolizei St. Gallen, sagt: «Die Sicherstellungen von Ecstasy sind im Vergleich zu den alltäglichen Werten etwa eineinhalb mal so hoch.»

Gleiches gilt für die Amphetamine. In der Abwasserstudie lagen aber auch sie leicht über den Erwartungen. Demnach stieg ihr Gehalt im Abwasser pro Kopf um das Doppelte. Gleich dahinter folgte Cannabis mit nur leicht erhöhten Werten. Hier hinken die Ergebnisse den Erwartungen der Polizei hinterher. «Die grössten Sicherstellungszahlen liefern Cannabisprodukte», sagt Rentsch. Dabei wird am Open Air St. Gallen drei bis vier Mal mehr Cannabis gefunden als an normalen Tagen. Das deutet darauf hin, dass während Festivals zwar viele Leute Cannabis auf sich tragen, beim Konsum jedoch dem Ecstasy den Vorzug geben.

Auf dem letzten Platz befand sich das Kokain, bei dem es keinen Anstieg gab. «Das hat mich am meisten überrascht», sagt Delémont. «Kokain ist eine beliebte Freizeitdroge, die vor allem am Wochenende für das Nachtleben eingenommen wird. Aber offenbar ist seine Einnahme während eines Festivals zu kompliziert. Da sind Ecstasy-Pillen einfacher.»

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