Benedikt Meyer


Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catherine Reponds tragischem Ende und von Henri Dunant bis zu Iris von Roten.

Eigentlich hätte man gar nicht abstimmen müssen. Zu eindeutig war die Stimmung auf dem Sarner Landsgemeindeplatz. Wie auf ein Zeichen schnellten hunderte Hände in die Höhe. «Und wer ist dafür?» Ein paar Vereinzelte meldeten sich. Die Stimmenzähler schätzten die Ablehnung auf 97 Prozent. Obwalden setzte ein Zeichen.

Ulrich Ochsenbein, der Mann der die neue Verfassung vorangetrieben hatte, hatte mit diesem Nein gerechnet. Zum Glück war es nicht entscheidend. Auch Nidwalden, Zug, Uri, Schwyz, Appenzell Innerrhoden, Wallis und Tessin sagten Nein. Es waren beinahe dieselben Kantone, die den Sonderbundskrieg verloren hatten – mit Ausnahme Freiburgs und Luzerns.

An der Saane hatte statt der Bevölkerung der Grosse Rat entschieden. Und in Luzern wurden Enthaltungen als Ja-Stimmen gezählt. Demokratietechnisch war es keine perfekte Abstimmung – aber eine extrem wichtige.

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Der Vertrag war ein Balance-Akt. Wie viel Zentralismus ertrug das Land? Verfassung 1 hatte Napoleon der Schweiz aufgezwungen. Verfassung 2 Napoleons Gegner. Verfassung 3 war 1833 an der Urne gescheitert. Also hatte Ochsenbein darauf geachtet, dass die Kleinen genügend zu sagen hatten und sich am amerikanischen Modell orientiert. Im Sommer 1848 stimmten die Kantone ab, im Herbst wurde klar, dass es gereicht hatte: Der Staatenbund wurde zum Bundesstaat.

Dass ausgerechnet Bern zur Bundesstadt ausgerufen wurde, lag ebenfalls teilweise an Ulrich Ochsenbein. Dort wurde der Wirtesohn aus Steffisburg bald darauf zum Bundesrat gewählt. Sechs Jahre später wählte ihn das Parlament wieder ab. Ochsenbein trat daraufhin in die französische Armee ein und diente als General. Das brachte ihm eine Rente, zerstörte aber seinen Ruf.

H. Fischer, lithography Orell, Füssli and co, Zürich

Ochsenbein (zweiter von rechts) im Sonderbundskrieg.

In der Schweiz hatte man von Abstimmungen fürs Erste genug. Es dauerte 18 Jahre, bis die Bürger ein nächstes Mal an die nationalen Urnen gerufen wurden. Noch länger dauerte es, bis die Verwaltungsgebäude für den neuen Staat fertig waren. Das heutige Bundeshaus etwa wurde erst 1902 eröffnet. Dort befindet sich heute im Ständeratssaal ein Wandbild, das eine Landsgemeinde zeigt. Und dahinter – ausgerechnet – das Panorama von Obwalden.

Digital in die Vergangenheit

Der Blog des Schweizerischen Nationalmuseums publiziert regelmässig Artikel über historische Themen. Diese reichen von den Habsburgern über Auslandschweizer bis hin zu heimischer Popmusik, die es zu Weltruhm gebracht hat. Der Blog beleuchtet viele Facetten der Landesgeschichte in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Mehr dazu gibt es unter: blog.nationalmuseum.ch

Zeitreise

In der «Zeitreise» erzählt der Historiker und Autor Benedikt Meyer Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten. Die Serie erschien erstmals bei Transhelvetica und auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.
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