Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass auch die modernsten molekularen Methoden der Pflanzenzüchtung streng reguliert werden müssen. Sprich: Die so hergestellten Produkte sind als «gentechnisch verändert» zu kennzeichnen. Das Urteil hat keine faktische oder wissenschaftliche Basis, sondern ist ein Kniefall vor der Anti-Gentech-Lobby und befeuert alte Ängste neu.
Wo liegt eigentlich das Problem?
Mit der neuen genetischen Methode namens Crispr/Cas9 kann man Eingriffe im Erbgut hochpräzise vornehmen. Dies ganz im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden wie der Mutationszüchtung. Dort werden Pflanzen mutagenen – man könnte auch sagen krebserregenden – Chemikalien oder radioaktiver Strahlung ausgesetzt. So erzeugen die Züchter Tausende von Krüppeln und hoffen, einer davon habe eine verbesserte Eigenschaft. Ein Spiel mit dem Zufall.
Das wissen aber besorgte Konsumentinnen und Konsumenten nicht, wenn sie Brot kaufen – auch Biobrot. Tatsächlich: Viele Weizensorten, die für unser Brot verwendet werden, sind mithilfe von Chemikalien oder Radioaktivität hergestellt worden und enthalten ein Vielfaches des natürlichen Chromosomensatzes. Doch das muss nicht deklariert werden.
Warum die ungleiche Behandlung von Züchtungsmethoden?
Schon das Nationale Forschungsprogramm NFP 59 hat vor fünf Jahren empfohlen, dass man die Sicherheit eines Produkts beurteilt und nicht dessen Herstellungsweise. So wie es bei Produktesicherheit und Deklarationspflicht üblicherweise der Fall ist. Zwar sagen einige Kommentatoren in der Presse von heute, der Entscheid des EU-Gerichtshofes sei für die Schweiz nicht bindend, wir hätten Spielraum. Aber wie soll man sich das vorstellen? Unser Land übernimmt die meisten Vorschriften der EU. Und grosse Nahrungsmittelproduzenten beliefern längst nicht mehr nur den einheimischen Markt.
Es ist also höchstwahrscheinlich, dass sich die Schweiz auch diesem Entscheid anpassen wird. Der Entscheid zeigt auch, wie sehr die Politik versagt hat. Auch in der Schweiz. Seit Jahren verlängert man hier das Gentechmoratorium eins übers andere Mal und erweckt so bei der Bevölkerung den Eindruck, Gentech sei gefährlich. Damit beruht nicht nur der Entscheid des EU-Gerichtshofes, sondern auch die nationale Politik auf unbegründeten Ängsten und geschickter Lobbyarbeit – statt auf wissenschaftlichen Fakten.