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Eigentlich ist der Fall klar: Das Schweizer Stimmvolk hat den Ausstieg aus der Atomenergie und das Umstellen auf erneuerbare Energieträger beschlossen. Trotzdem halten Bedenkenträger an ihren alten Vorurteilen fest: Weil Strom aus Sonne und Wind vom Wetter abhängt, wird es ohne Atomstrom zu Versorgungsengpässen kommen.
Und: Wenn es dann Solar- und Windstrom gibt, kann man ihn nicht speichern. Und: Die Schweiz wird abhängig von Stromimporten.

Abgesehen davon, dass die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten bisher offenbar kein Problem war, ist das letzte Argument so falsch wie die anderen auch.
Das zeigen zwei Nationale Forschungsprogramme (NFP 70 und NFP 71), deren Ergebnisse seit ein paar Monaten Schritt für Schritt veröffentlicht werden.

In den letzten fünf Jahren hat der Bund 45 Millionen Franken in die interdisziplinäre Energieforschung gesteckt. Das heisst, in über 100 Projekten haben nicht einfach weltfremde Ingenieure irgendwelche Maschinen gebastelt, sondern es wurden neben den technischen Aspekten auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen berücksichtigt. Also: welche Technologien sind wirtschaftlich unter welchen Bedingungen? Welche Fördermassnahmen haben den grössten Effekt? Wie finden Energietechnik und -politik bei der Bevölkerung Akzeptanz?

Die Forschung ist sich einig: Die Schweiz schafft die Energiewende bis 2050.

Und was die eingangs erwähnten, alten Vorurteile betrifft, hat die Forschung klare Antworten:

Die Abkehr von fossilen Brennstoffen geht ohne Kernkraft. Solarstrom war früher mal teuer, ist heute aber der weltweit billigste Strom. Die mal mehr und mal weniger verfügbare Energie aus Sonne und Wind führt nicht zum Zusammenbruch der Stromnetze. Es wird nicht zu Versorgungsengpässen kommen, weil Pumpspeicherwerke genügend Kapazität bereitstellen, um kurz- wie langfristige Unter- und Überangebote auszugleichen. Und auch die Abhängigkeit von Stromimporten sinkt, weil im neuen Elektrizitätsmarkt der Schweiz mehr Strom in dezentralen Anlagen produziert und gleich auch wieder konsumiert wird.

Trotz dieser Erkenntnisse höre ich jetzt schon das letzte Argument gegen den Umstieg auf erneuerbare Energien: «Das kostet doch alles sehr viel Geld.»

Das stimmt. Aber jeder Wandel kostet. Dafür werden zukünftige Generationen stolz auf ihre Vorfahren sein. Weil sie es geschafft haben, die Energieversorgung auf die einzige unendlich verfügbare Quelle umzustellen.

Disclaimer: Scitec-Media, die Betreiberin des Portals higgs.ch hat im Auftrag des Schweizerischen Nationalfonds die wissenschaftlichen Schlussberichte des NFP70/71 redaktionell überarbeitet.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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