Das musst du wissen

  • Lebensmittel-Ampeln wirken sich laut einer aktuellen Übersichtsstudie positiv auf unser Konsumverhalten aus.
  • Weitere Massnahmen wie Kampagnen oder Preiserhöhungen sind ebenfalls wirksam.
  • Eine Expertin hält aber Ampel-Systeme für langfristig wirksamer als beispielsweise eine Zuckersteuer.

Menschen kaufen weniger Süssgetränke, wenn ihnen deren hoher Zuckergehalt in Signalfarbe angezeigt wird – etwa in Form einer so genannten «Lebensmittelampel». Das zeigt eine Übersichtsstudie von Epidemiologen der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit der «Cochrane Collaboration», einem weltweiten Netz von Wissenschaftlern und Ärzten. Die Ergebnisse basieren auf 58 Studien aus 19 verschiedenen Ländern mit insgesamt mehr als einer Million Probanden.

Die Forschenden wollten herausfinden, welche Massnahmen im Alltag den Konsum von Süssgetränken reduzieren.

Neben der positiven Wirkung von Lebensmittelampeln nennt die Cochrane-Studie noch weitere Möglichkeiten, um den Konsum von ungesunden Drinks zu senken.

Diese Massnahmen können den Softdrink-Konsum senken

  • Einfach verständliche Lebensmittelkennzeichnungen, etwa mit Hilfe einer Farbcodierung nach dem Ampelprinzip
  • Preiserhöhungen auf Softdrinks in Restaurants, Läden und Freizeiteinrichtungen
  • Verringerung des Angebots von Softdrinks in Schulen
  • Kindermenüs in Restaurantketten, die standardmässig statt eines Softdrinks ein gesünderes Getränk enthalten
  • Bessere Platzierung und Vermarktung von gesünderen Getränken in Supermärkten
  • Lokale Gesundheitskampagnen mit einem Fokus auf Softdrinks
  • Die Bereitstellung von alternativen Getränken im Haushalt beziehungsweise zuhause.

Wir fragen Bernadette Sütterlin, Dozentin am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich und am Institut für Nachhaltige Entwicklung der ZHAW, wie Ampelsysteme unser Konsumverhalten beeinflussen.

 

Frau Sütterlin, die Übersichtsstudie zeigt, dass Ampelsysteme funktionieren. Was geht in den Köpfen der Konsumenten vor, wenn sie vor einem Regal im Supermarkt stehen?
Es geht in dieser Situation weniger darum, ein Produkt zu wählen, bei dem alles im grünen Bereich ist, sondern man will Negatives vermeiden – das heisst, ein Produkt im roten Bereich. Natürlich ist man schon auch motiviert, grün angezeigte Produkte zu wählen, aber Negatives wirkt einfach stärker bei einer Entscheidung.

Also wäre eine rote Ampel vor allem auf ungesunden Produkten sinnvoll.
Ja. Generell haben Menschen die Tendenz, negative Aspekte viel stärker zu gewichten als positive. Wir wissen, dass die negative Wirkung von Verlusten stärker ist, als die positive bei Gewinnen. Das heisst, sobald etwas negativ und somit auch mit Risiko verbunden ist, gewichten wir es bei einer Entscheidung stärker als die positiven Aspekte. Ähnlich ist das bei Ampelsystemen: Das negative Rot wird eher in eine Entscheidung miteinbezogen.

Bernadette Sütterlin

Konsumforscherin

Bernadette Sütterlin ist Senior Researcher und Dozentin am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich und am Institut für Nachhaltige Entwicklung der ZHAW. Sie forscht in den Bereichen Konsumentenverhalten, Entscheidungsfindung und Risikowahrnehmung und Akzeptanz von Technologien.

Ampelsysteme wie «Nutri-Score» sind also eine Hilfe. Aber können sie den komplexen Zusammensetzungen von Nahrungsmitteln überhaupt gerecht werden?
Solche Systeme sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Das Thema Ernährung ist so komplex und es gibt unterschiedliche Meinungen, welche Aspekte wie stark einbezogen werden sollen. Das merkt man alleine daran, dass es verschiedene Ampelsysteme gibt. Beim «Nutri-Score» aus Frankreich wird auch nur eine beschränkte Anzahl von Aspekten miteinbezogen.

Welche Aspekte fehlen?
Das Süssgetränk «Coca-Cola Zero» zum Beispiel würde sehr gut abschneiden, weil es keinen Zucker enthält. Dafür enthält es künstliche Süssstoffe, deren Auswirkungen auf die Gesundheit nicht ganz klar sind. Solche Aspekte fehlen in Ampelsystemen. Aber selbst wenn sie eine grobe Vereinfachung sind – für den Konsumenten sind sie eine gute Entscheidungshilfe.

Es gibt aber Menschen, die sich mit Ernährung eingehend befassen und mehr wissen wollen.
Es gibt aber auch viele, die damit total überfordert sind. Zum Beispiel mit Kalorienangaben können viele recht wenig anfangen. Das heisst, sie können anhand der Nährwerttabelle nicht einordnen, ob in einem Produkt beispielsweise viel oder wenig Kalorien drin sind. Erst wenn die Produkte ein Label haben, das solche Informationen herunterbricht und eine Einstufung erlaubt, bieten sie Konsumenten eine echte Orientierungshilfe.

Bei «Nutri-Score» geht die Skala von A bis E. Wie sinnvoll ist das?
Es gibt noch andere Systeme, etwa eines mit drei Einstufungen. Eine fünfteilige Abstufung ist da auf jeden Fall differenzierter. Diese kann man mit dem Energieeffizienzlabel bei Elektrogeräten vergleichen. Hier übten Labels Druck auf die Hersteller aus, sodass diese ihre Produkte energieeffizienter machen mussten. Und so gab es nach und nach mehr Produkte in den grünen Bereichen und keine mehr in den unteren Effizienzklassen. Gerade, wenn man längerfristig denkt, ist das ein wichtiger Punkt. Im Falle von Lebensmitteln werden sie also die Rezepturen anpassen und gesündere Lebensmittel herstellen.

Dann könnte man mit der Zeit zum Beispiel also die schlechteste Klasse mit den Buchstaben E streichen.
Genau. Man müsste das Label laufend anpassen. Das wurde aber im Falle des Energieeffizienzlabels nicht gemacht. Das führte dazu, dass die Leute heute immer das Gefühl haben, ein gutes Produkt zu kaufen, selbst wenn es nur im orangen Bereich ist: Würden die schlechtesten Klassen vom Label verschwinden, würden sich die Konsumenten eher für das Produkt mit der besseren Performance entscheiden.

Wird der Konsument durch solche Erziehungsmassnahmen nicht bevormundet?
Ich bin der Meinung, dass man den Konsumenten bei der Entscheidungsfindung nicht mit negativen Anreizen einschränken, aber mit verständlicher Information unterstützen soll. Was die Akzeptanz anbelangt, schneiden Labels sehr gut ab und geniessen im Gegensatz zu Massnahmen wie einer Zuckersteuer bei Konsumenten hohe Akzeptanz.

Aber Detailhändler wie Coop und Migros wollen die Lebensmittelampel nicht einführen.
Vielleicht darum, weil sie beim Labeling eher schlecht abschneiden würden. Auf den Produkten ein Label mit vielen Aspekten im roten Bereich zu haben, ist nicht unbedingt verkaufsfördernd. Aber es würde hier auch ein gesunder Druck entstehen, dass man die Rezeptur anpasst und gesündere Produkte anbietet.

Das Ampelsystem «Nutri-Score» kurz erklärt

Das Ampelsystem «Nutri-Score» ist eine fünfstufige Farb- und Buchstabenskala, die auf der Vorderseite der Verpackung von Fertigprodukten angebracht ist. Die Ampel soll auf einen Blick die Nährwertqualität des Produkts sichtbar machen.

In den Score gehen drei positive und vier negative Faktoren ein.Positiv bewertet wird das Produkt, wenn es Anteile an Obst, Gemüse, Nüsse, Eiweiss oder Ballaststoffe enthält. Negative Faktoren sind Energiegehalt (Kalorien), Gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz. Die Faktoren werden gegeneinander aufgerechnet. Der «Nutri-Score» berechnet die Nährwertangaben auf 100 Gramm. Dann wird ein Buchstabe von A (besonders hohe Anteile an positiven Elementen) bis E (besonders hohe Anteile an negativen Elementen) vergeben. Zusätzlich werden Farben wie bei einer Ampel von grün (A) bis rot (E) hinterlegt.

 

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