Auch eine Ex-Miss muss mal. Aber muss sie für die Reinigung danach wirklich Werbung machen? Darüber lässt sich freilich streiten. Unbestritten ist, dass es Melanie Winiger – die Miss Schweiz von 1996 ist, die sich sinnlich unter dem Wasserfall räkelt. Sie soll uns so ins Bewusstsein rufen, dass es unser Allerwertester am liebsten «rein, frisch, natürlich» mag und demzufolge mit purem Wasser gereinigt werden möchte. Allerdings amtiert die ehemalige Schönheitskönigin nicht als Werbeträgerin für die Schweizer Original-Schüssel, sondern für das Produkt der Konkurrenz.
Das Original des Dusch-WCs erfunden hat Hans Maurer im Jahr 1956. Der Zolliker taufte das Gerät auf den Namen Closomat, ein Wortspiel aus Closet und Automat. Und genau das ist es: Eine Toilette, die dank integrierter Wasserdüse und Warmluft das manuelle Putzen mit trockenem Klopapier überflüssig macht. Diese Grundidee der Intimhygiene mit Wasser und Luft wurde im Laufe der Firmengeschichte technisch immer weiter verfeinert. Denn im Praxistest zeigte sich etwa, dass es von Vorteil ist, wenn Wasser nur dann aus der Düse schiesst, wenn die Sitzbrille belastet ist. Dies weiss vor allem das Putzpersonal zu schätzen, wenn es beim Reinemachen ungeschickterweise den Auslöseknopf für den Wasserstrahl berührt.
Gewiss gibt es Schöneres, wovon man nachts träumen könnte, als von der Analreinigung nach dem grossen Geschäft. Doch genau das widerfuhr dem Zolliker Hans Maurer in einer Nacht im Jahr 1956. Die meisten hätten wohl nach so einem unappetitlichen Traum versucht, ihn möglichst schnell zu vergessen.
Nicht so Maurer. Er will dem Traum Taten folgen lassen. Sah er doch in besagter Nacht die fertige Idee vor sich: Statt nach der Darmentleerung den Schmutz mit Papier auf eine noch grössere Fläche zu verschmieren und darüber hinaus die Hände zu kontaminieren, sollen die Rückstände elegant mit einer sanften Wasserdusche entfernt werden. Anschliessend soll die saubere Haut mit warmer Luft getrocknet werden. Ist doch verrückt, geht es dem jungen Maurer am nächsten Morgen durch den Kopf: die Körperhygiene wird immer besser, nur an dieser einen Stelle nicht. Er erzählt seiner Frau Lilly von seinem Traum – und dass er ihn Wirklichkeit werden lassen will. Sie bricht in Tränen aus. Sie denkt an ihre vier Kinder und daran, dass sie lieber einen Mann mit einer rechten Arbeit hätte; einen, der Ende Monat einen anständigen Lohn nach Hause bringt – und nicht einen brotlosen Erfinder.
Doch Hans Maurer war geradezu der klassische Erfindertyp: Von Sanitär-Technik hatte er (noch) keine Ahnung, war verschuldet, und kaum einer glaubt an ihn. Der Bauernsohn, der das Bauern für «dummes Lölizeugs» hielt, übernahm nicht den elterlichen Hof, sondern machte eine Lehre als Maschinenzeichner. Danach wechselte er ständig seine Arbeitsstelle. Er war stur und bockig, eckte immer und überall an; weshalb er sich nach Selbständigkeit sehnte.
Lilly kann ihren sturen Ehemann Hans nicht von seiner Idee abbringen. Schliesslich lässt sie sich sogar überreden, ihm zu helfen. Er baut in der Garage eine erste Versuchsanlage: Ein alter Gartenstuhl mit einem Loch in der Sitzfläche, an einem Bein die Brause eines Gartenschlauchs, an einem anderen ein Haarföhn. Dass Strom und Wasser eine denkbar gefährliche Kombination sind, hält Maurer nicht vom Selbsttest ab. Seine Frau bedient den Wasserhahn: stärker, schwächer, wärmer, kälter. Gemeinsam treiben sie seine Entwicklung voran.
Nie wollte der Erfinder das neuartige Verfahren für die Analhygiene bloss als bequemes Verwöhnprogramm für den Allerwertesten verstanden haben. Nach wie vor wird die Reinigung mit Wasser denn auch von Fachleuten empfohlen. Wobei die Idee ganz neu nicht war. Schon lange vor dem Closomat existierte das Bidet. Doch dieses ist kein WC, sondern eine separate Intim-Waschstation. Zudem erfordert die Prozedur den Einsatz der Hände. Dagegen bietet Maurers Erfindung den All-inclusive-Service. Trotzdem hat sich seine Keramikschüssel bis heute nicht als das stille Örtchen der ersten Wahl etabliert. Die Wasserreinigung mittels Dusch-WC fristet bei uns noch immer ein Mauerblümchen-Dasein. Anders sieht es in Japan aus, wo um die 70 Prozent der Haushalte mit einer Analduscheinrichtung ausgerüstet sind.
Nachdem Maurer Probleme wie die sichere Trennung von Strom und Wasser dank technischer Raffinessen aus dem Weg geräumt hat, sieht sich der Erfinder mit einer wesentlich grösseren Herausforderung konfrontiert: die Akzeptanz.
Er präsentiert die neuartige Schüssel an der Mustermesse in Basel – und wird bald einmal als «Schiissi-Muurer» beschimpft. Das sei obszön, hält man ihm vor. Und er wird sogar bespuckt. Hans Maurer rührt an ein hartnäckiges Tabu. Das Urmodell des Closomat verkauft sich etwa 300 Mal – innerhalb von vier Jahren. Der Familienvater lebt auf Pump.
Fünf Jahre nach seinem Traum kommt 1961 sein neues und serienfähiges Modell Standard auf den Markt, mit dem sich langsam aber sicher der Erfolg einstellt. In den Folgejahren finden rund 10 000 Exemplare eine Käuferschaft.
Heute gibt es sogar Online-Verzeichnisse von Hotels, welche Zimmer mit Closomat anbieten. Ein echter Liebhaber verzichtet eher auf die Ferien, als auf seine Intim-Dusche.
Nicht nur Ex-Missen mögen die Reinigung mit Wasser und Luft. So wurde auch einst an die Adresse des damaligen Diktators Libyens, Muammar al-Gaddafi, ein Closomat geliefert. Ebenso steigen ehemalige Bundesräte und schillernde Show-Grössen auf Maurers Thron.
Ende und Neubeginn
Just im Jahr 1978, als das Patent für Maurers Original-Dusch-WC ausläuft, kommt der Weltkonzern Geberit mit einem eigenen Modell auf den Markt. Bis über die Jahrtausendwende kann das Schweizer Unternehmen, inzwischen unter der Führung von Maurers älterem Sohn Peter, den Konkurrenten in Schach halten. Dann aber macht die Firma Closomat 2005 einen kapitalen Fehler: Unter Druck der Bank, welche eine Neuentwicklung finanziert hat, geht sie mit einem noch nicht ganz ausgereiften Modell auf den Markt. Die Kinderkrankheiten kommen immer zahlreicher zum Vorschein und die entsprechenden Garantiefälle häufen sich. Die Firmenbilanz leidet. Im Jahr 2007 muss die Closomat AG Insolvenz anmelden.
Doch Peter Maurer wagt einen Neuanfang unter dem neuen Firmennamen Closemo AG. Die Marke bleibt weiterhin Closomat. Fortan konzentriert man sich auf den Pflegebereich, wo es um Menschen mit vorübergehenden oder chronischen Einschränkungen geht. Hier glaubt die Firma eine Nische entdeckt zu haben. Denn ein richtig konzipiertes Dusch-WC erlaubt auch Menschen, die für den Gang zur Toilette auf die Unterstützung von Angehörigen oder Pflegenden angewiesen wären, eine selbständige Intimpflege. So bleiben Selbstbestimmung und Privatsphäre gewahrt.