Eine Wolke aus Gas und Staub – so sah unser Sonnensystem vor 4,6 Milliarden Jahren aus. Aus dieser Wolke entstanden alle acht Planeten. Manche von ihnen sind riesige Gasbälle, wie Saturn, andere bestehen aus Metall und Gestein, wie der Mars und die Erde. Bisher war aber unklar: In welcher Reihenfolge bildeten sich die Planeten unseres Sonnensystems, und welches Alter haben sie genau?
Erste Hinweise haben Astronomen bereits gesammelt, beispielsweise über den Mars. Denn wenn ein Asteroid auf dem Mars einschlägt, wird manchmal Gestein der Mars-Oberfläche bis auf die Erde geschleudert. Über 150 solcher Mars-Meteoriten haben Wissenschaftler bereits gefunden. Sie untersuchen das Gestein und datieren es. Dazu werten sie im Material die sogenannten Isotopen aus, das sind Varianten desselben Elements. Ihr Verhältnis untereinander verändert sich im Laufe der Zeit – so lässt sich auf das Alter des Gesteins schliessen. Aus solchen Analysen weiss man: Der Mars ist rund vier Milliarden Jahre alt und entstand früher als die Erde, sagt der niederländische Planetologe Thomas Kruijer vom Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien.
Zusammen mit Forschern der Universität Münster in Deutschland versucht Kruijer das Alter der Planeten unseres Sonnensystems zu bestimmen. Schwieriger als beim Mars sei dies allerdings bei Gasplaneten, beispielsweise Jupiter. Denn Jupiter hat keine feste Oberfläche. Also gibt es von ihm auch keine Meteoriten, die von Wissenschaftlern untersucht werden könnten.
Aus Sternschnuppen lernen
Den Forschern aus Münster und aus Kalifornien ist nun aber ein indirekter Nachweis der Altersbestimmung gelungen. Auch dieser funktioniert wieder über Meteoriten – und zwar solchen, die aus der unmittelbaren Umgebung von Jupiter stammen. Wenn es Astronomen nämlich gelingt, einen Meteoritenfall, also eine Sternschnuppe, zu beobachten, können sie anhand der Eintrittsbahn des Himmelskörpers berechnen, wie dessen Umlaufbahn um die Sonne war, als er sich noch im Weltraum befand. «So konnten wir feststellen, dass der Ursprungsort dieser Meteoriten im Asteoridengürtel zwischen Mars und Jupiter war», erklärt Kruijer.
Als die Forscher dann die Zusammensetzung dieser Steine untersucht haben, merkten sie, dass diese in zwei Kategorien fielen. So war die Isotopenzusammensetzung, der elementare Aufbau der beiden Meteoritentypen, völlig unterschiedlich. Sie müssen sich also ursprünglich in unterschiedlichen Regionen des Sonnensystems gebildet haben. Zu den Zeiten, als die Entstehung des Sonnensystems ihren Anfang nahm, muss es zwei Asteroidengürtel gegeben haben, folgerten die Forscher. Mehr noch: Die Meteoriten hatten sich über Millionen von Jahren nicht vermischt. «Das ist ungewöhnlich, denn im jungen Sonnensystem war die Durchmischung von Material häufig», sagt Planetologe Thomas Kruijer.
Jupiter, die grosse Barriere
Die einzige Möglichkeit, solch einen Materialaustausch zu unterbinden, sei ein grosser Himmelskörper dazwischen. Dieser hat eine so grosse Masse und Anziehungskraft, dass er die beiden Asteroidengürtel auf getrennten Bahnen hält. «Und der einzig vorstellbare Himmelskörper dieser Grösse ist Jupiter», sagt Thorsten Kleine, Planetologe an der Uni Münster. Der Gasriese habe dafür gesorgt, dass sich der eine Asteroidengürtel auf seiner äusseren und der andere auf seiner inneren, sonnenzugewandten Seite gebildet habe.
Diese von Jupiter beeinflussten Meteoriten stammen aus der Zeit, als die Planeten eben im Entstehen begriffen waren. Daraus können die Forscher wiederum Rückschlüsse auf das Alter des Jupiters treffen. Er entstand demnach schon sehr früh – nämlich rund vier Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems, wie die Forscher berechnet haben.
Nachdem Jupiters Kern aus Gestein entstanden war, wuchs er durch das Ansammeln von Gas weiter an. Wie ein Staubsauger sog er mittels seiner Schwerkraft das gesamte Gas in seiner Umgebung auf. Auf diese Art ist er bis auf seine heutige Grösse von rund 384 Erdmassen herangewachsen. Und er beeinflusste die Bildung der anderen Planeten: «Jupiter war übermächtig und hat wenig Material übrig gelassen», sagt Thorsten Kleine. So hat Jupiters rasantes Wachstum verhindert, dass grosse Mengen von Material in das innere Sonnensystem gelangten. Das könnte erklären, warum die inneren Planeten, Mars, die Erde, Venus und Merkur, relativ klein geblieben sind. Zudem schliesst eine solche Materialverteilung im Sonnensystem die Bildung sogenannter Super-Erden aus, das sind massereiche Gesteinsplaneten von der mehrfachen Grösse der Erde, wie sie Astronomen heute in vielen anderen Planetensystemen beobachten – nur eben nicht in unserem.
Die weiteren Planeten
Allmählich also nimmt die Entstehungsgeschichte des Sonnensystems Konturen an. «Aus unseren Beobachtungen können wir folgern, dass die anderen Gasplaneten Saturn, Uranus und Neptun auch sehr schnell entstanden sein müssen», sagt Thomas Kruijer. Denn schliesslich hätten sie sich nach ähnlichen Gesetzmässigkeiten gebildet wie Jupiter. Die Gesteinsplaneten Venus, Merkur und Erde müssten demnach als letzte entstanden sein. «Aber so ganz genau wissen wir das nicht», schränkt US-Planetologe Kruijer ein. Einige Puzzleteile müssten die Astronomen also noch zusammenfügen, bevor die Entstehungsgeschichte des Sonnensystems vollständig erzählt ist.