Benedikt Meyer


Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catherine Reponds tragischem Ende und von Henri Dunant bis zu Iris von Roten.

18. April 1415: Von der Zofinger Stadtmauer schweifte der Blick der Wachen über die Umgebung. Über Felder, Wälder, Jurahügel und ein erdrückend überlegenes Heer. Hellebarden, Speere, Rüstungen blitzten im Sonnenlicht; auf Bannern prangte ein Bär auf gelb-rotem Grund. Überrascht waren die Wächter nicht; sie hatten es kommen sehen. Vor zwei Wochen erst hatte König Sigismund persönlich die Eidgenossen aufgefordert, den Aargau zu attackieren.

Etwas Hintergrund: Sigismund war Herrscher des «Heiligen Römischen Reichs». Einem Gebiet von Kiel bis Siena, dessen Landkarte etwa so übersichtlich war, wie der Fussboden eines Kinderzimmers. Es bestand aus zahllosen Fürstentümern und Grafschaften. Die Eidgenossenschaft gehörte genauso dazu wie das Herzogtum Habsburg und die ursprünglich aargauische Dynastie gewann immer mehr an Einfluss. Zu viel Einfluss für Sigismund. Er suchte nach einem Weg, sie zu schwächen und fand ihn mithilfe des Papstes, beziehungsweise: der Päpste. Denn 1415 gab es drei Anwärter und Friedrich von Habsburg unterstützte einen anderen Kandidaten als König Sigismund. Deshalb «ächtete» ihn Sigismund: Jeder war dazu aufgerufen, den Habsburgern zu schaden.

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Die Luzerner, Zürcher und Innerschweizer kümmerte das wenig – sie hatten erst vor Kurzem einen Friedensvertrag mit Habsburg unterzeichnet. Die Berner hingegen waren auf Expansionskurs. Schnell marschierten sie los und wenige Tage später standen sie mit wehenden Bannern vor Zofingen. Was dann geschah, war nicht unüblich: Statt gekämpft wurde verhandelt. Und wenig später öffneten die Wachen die Tore. In den nächsten Wochen gingen auch Aarau, Lenzburg und Brugg beinahe kampflos an Bern. Die Eidgenossen machten der Oberschicht verlockende Angebote und für die Untertanen war ohnehin egal, wer das Sagen hatte. Habsburger oder Eidgenossen, was spielte das schon für eine Rolle? Inzwischen waren auch Luzerner, Zürcher und Innerschweizer ins Feld gezogen und die Eidgenossen trafen sich keine drei Wochen nach Beginn des Feldzugs in Baden. Habsburgs Statthalter gaben nach kurzer Belagerung auf.

Für die Eroberer änderte sich von da an alles. Baden und das Freiamt wurden «Gemeine Herrschaften»: die Eidgenossen verwalteten das Gebiet zusammen. Dafür trafen sie sich nun mehrmals im Jahr zu Besprechungen in Baden. Der Aargau war ihr erstes gemeinsames Projekt, er zwang sie dazu, sich über alle Gräben zusammenzuraufen. Andere Bündnisse hatten kein solches verbindendes Element – und sind längst verschwunden. Durch den Aargau wurde das Bündnis zum Bund, hier wurde die Schweiz zur Schweiz.

Digital in die Vergangenheit


Dieser Beitrag erschien erstmals auf dem Blog des Schweizerischen Nationalsmuseums.

Der Blog des Schweizerischen Nationalmuseums publiziert regelmässig Artikel über historische Themen. Diese reichen von den Habsburgern über Auslandschweizer bis hin zu heimischer Popmusik, die es zu Weltruhm gebracht hat. Der Blog beleuchtet viele Facetten der Landesgeschichte in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Mehr dazu gibt es unter: blog.nationalmuseum.ch

Zeitreise

In der «Zeitreise» erzählt der Historiker und Autor Benedikt Meyer Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten. Die Serie erschien erstmals bei Transhelvetica und auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.
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