So manche würden dem Tod gerne ein Schnippchen schlagen und ewig leben. Andere wären schon damit zufrieden, wenn sie länger jung und gesund blieben. Doch Altern ist ein komplexer Vorgang und noch immer eines der am wenigsten verstandenen Phänomene der Biologie.
Vieles spricht dafür, dass der menschliche Körper nicht für die Ewigkeit gemacht ist. Tatsächlich zeigte kürzlich eine Studie, dass die maximale Lebensdauer des Menschen eine Art natürliche Obergrenze hat. Dazu analysierten US-Forscher demografische Daten aus mehr als 40 Ländern. Sie beobachteten, dass zwar die durchschnittliche Lebenserwartung weiter ansteigt, wie schon in den 200 Jahren zuvor. Doch das maximale Alter hat ein Plateau erreicht: Seit den 1990er-Jahren werden die betagtesten Menschen der Welt nicht mehr älter als ungefähr 115 Jahre.
Der Sinn des Älterwerdens
«Es wäre auch nicht sinnvoll, wenn wir ewig leben würden», sagt der Biophilosoph Eckart Voland von der Universität Giessen. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung des Menschen. «Evolutionär gesehen hat der Alterungsprozess eine wichtige Funktion», sagt Voland. «Wir erkaufen uns damit eine fitte Jugend.» Denn nur ein junger Organismus kann erfolgreich für sein Überleben und seine Vermehrung sorgen. Je älter wir aber werden, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir durch äussere Faktoren sterben, beispielweise durch einen Unfall oder eine Naturkatastrophe. «Deshalb ist es wichtiger, in der Jugend leistungsfähig zu sein, als ewig fit zu bleiben», sagt Voland. «Und das bezahlen wir letztlich mit dem Tod.» Deshalb sind aus seiner Sicht alle Ansätze zum Scheitern verurteilt, die uns ewiges Leben versprechen wollen. Anders sieht es mit den Bemühungen aus, die gesunde Lebensspanne zu verlängern. Dass wir im Alter nicht zu viel an Vitalität einbüssen, könnten künftige medizinische und technologische Fortschritte durchaus ermöglichen. Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Ein neuer liegt in unserem Darm.
Denn die Lebenserwartung eines Organismus lässt sich mit den Darmbakterien junger Artgenossen verlängern. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns in Köln bei Versuchen mit dem Türkisen Killifisch herausgefunden. Dieses fünf Zentimeter grosse Fischchen ist zurzeit der beliebteste Modellorganismus der Alterforschung, durchläuft er doch in 16 Wochen sein Leben von der Larve zum Greis, quasi wie im Zeitraffer. In ihren Experimenten setzten der Biologe Dario Valenzano und sein Team ältere Killifische in einem Becken den Kotresten jüngerer Artgenossen aus. Zuvor hatten sie die ursprünglichen Darmbakterien der alten Tiere mit einem Antibiotikum abgetötet. Beim Umherschwimmen in dem Becken nahmen diese die Bakterien der jüngeren auf und «transplantierten» sie in ihren Darm. Resultat: Die Fische lebten rund 40 Prozent länger. Ausserdem waren sie auch im für Killifische greisen Alter von 16 Wochen noch so agil wie junge Tiere.
Einflussreiche Darmflora
Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass die Darmflora in der Jugend vielfältiger ist als im Alter. Diese Ansammlung verschiedener Bakterienarten stärkt das Immunsystem. Zudem entdeckten Forscher in den letzten Jahren, dass die Darmbakterien auch unseren Stoffwechsel beeinflussen, unser Herz-Kreislauf-System und sogar unsere Psyche. «Was so viele Körperfunktionen und auch das Immunsystem als wichtigstem Wächter unserer Gesundheit beeinflusst, muss auch unseren Alterungsprozess prägen», sagt Valenzano.
Zu grosse Hoffnungen solle man dennoch nicht in die Darmflora als Jungbrunnen setzen, warnt Gerhard Rogler, Gastroenterologe am Unispital Zürich. Er war einer der ersten, der Patienten, die an bestimmten chronischen Darminfektionen litten, durch Stuhltransplantationen heilen konnte. «Die Mikroorganismen im Darm unterscheiden sich von Mensch zu Mensch», sagt Rogler. Jeder trage in sich ein individuelles Ökosystem von Bakterien. Dagegen haben die Killifische, an denen die deutschen Forscher ihre Experimente durchführten, eine homogenere Darmflora. «Die Resultate lassen sich deshalb nicht eins-zu-eins auf den Menschen übertragen», sagt Rogler.
Junges Blut als Jungbrunnen
Neben den Darmbakterien steht beispielsweise das Blut schon seit längerem im Visier der Altersforschung. So fanden Wissenschaftler der Stanford Universität in Kalifornien vor einigen Jahren an Mäusen heraus, dass junges Blut neues Leben in den Körper eines alten Tieres brachte. Sie nähten in einem aufsehenerregenden Experiment eine junge und eine alte Maus an einer Körperseite von den Vorder- bis zu den Hinterbeinen zusammen. So vereinten sie den Blutkreislauf der beiden Tiere. Und tatsächlich: Die alten Mäuse waren nun stärker, schlauer, und ihr Fell glänzte wieder. Kürzlich berichtete dieselbe Forschergruppe, dass sich die Gehirnleistung alter Mäuse verbesserte, nachdem ihnen Nabelschnurblut injiziert worden war. Welche der vielen Substanzen, die das Blut enthält, dafür verantwortlich sind, ist noch nicht klar. Unwahrscheinlich ist, dass ein chemischer Stoff alleine diesen Effekt hat.
Auch die Killifisch-Forscher wollen nun den Mechanismen, die hinter dem Verjüngungseffekt der jungen Darmflora stecken, auf die Spur kommen. «Wenn wir herausfinden, welche Faktoren oder Gene im Darm dafür verantwortlich sind», sagt Valenzano, «dann könnten wir Medikamente entwickeln, die diesen Effekt nachahmen.» Selbst bei einem so komplexen Vorgang wie dem Altern könnte es sein, dass sich über eine zentrale Schlüsselstelle das ganze System beeinflussen lässt, glaubt Valenzano. Auch wenn es kein ewiges Leben gibt – womöglich wird zumindest der Traum, länger jung zu bleiben, eines Tages doch Wirklichkeit.