Die schlechte Nachricht vorweg: Die Ausbeutungsstrategie funktioniert unter hohem Konkurrenzdruck am besten. «Die beinharte Ausbeuterstrategie zahlt sich durch Mehrgewinn aus», erklärt Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön. Zusammen mit Lutz Becks, der heute an der Universität Konstanz forscht, hat er den Willen zur Zusammenarbeit und Ausbeutung bei Menschen unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Dabei hat sich gezeigt, was als Teamarbeit mit gegenseitiger Unterstützung beginnt, kann leicht in eine Ausbeutung umkippen. Dieses menschliche Sozialverhalten haben die Forscher am sogenannten Gefangenendilemma untersucht.

In diesem Spiel profitieren zwei Teilnehmer stärker davon, wenn sie kooperieren, als wenn sie sich egoistisch verhalten. Verhält sich jedoch ein Teilnehmer egoistisch, während der andere kooperiert, gewinnt der Egoist auf Kosten des Kooperierenden. Vielen ist diese Konsequenz aus dem Berufsalltag vertraut, was dann oft zu entsprechendem Verweigerungsverhalten führt. So haben die Forscher auch festgestellt, dass sich viele Menschen in der Realität weniger kooperativ verhalten, als die Theorie des Gefangenendilemmas vermuten lässt. Denn der Mensch hat einen Hang zum Ausbeuten, wie zwei US-amerikanische Forscher 2012 zum ersten Mal beschrieben haben.

Ausbeutung hat viele Gesichter


Kinderarbeit und Kinderhandel: Millionen von Kindern müssen in Entwicklungsländern unter schweren Umständen arbeiten, um überleben zu können. Sie werden wie Sklaven in Werkstätten, in Steinbrüchen, in der Landwirtschaft und als Strassenverkäufer gehalten. Allein schon in Indien wird die Zahl der versklavten Kinder auf 45 Millionen geschätzt, in Afrika auf 24 Millionen Kinder. Oft werden die Kinder «verkauft» – gegen ein neues Dach oder Bargeld –, in der Meinung, sie hätten in der Stadt, wo sie zum Einsatz kommen, ein besseres Leben. Mit dieser Aussicht werden die Eltern von den Agenten überzeugt, ihre Kinder herzugeben.

Sexuelle Ausbeutung: Sie bezeichnet eine Handlung gegen Menschen, die durch Druckmittel, wie Einschüchterung, Gewalt oder Gewaltandrohung, Erpressung oder Freiheitsentzug zu sexuellen Handlungen gezwungen werden. Häusliche Gewalt steht oft im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung.

Zwangsprostitution: Sie ist eine Form sexueller Gewalt und zugleich eine Form der Folter. Oft steht Zwangsprostitution im Zusammenhang mit Menschenhandel. Frauen werden unter falschen Versprechungen aus Osteuropa nach Westeuropa gelockt, wo sie unter Gewalt zur Prostitution gezwungen werden. Bis heute ist Zwangsprostitution in Kriegen Praxis.

Kinderpornografie : Sie bezeichnet eine Form sexuellen Missbrauchs an Kindern. Dabei werden die Kinder in sexuellen Handlungen an sich selbst, miteinander, von Erwachsenen an Kindern und von Kindern an Erwachsenen in Fotos und Videos dargestellt.

Ein Ausbeuter nutzt seinen Mitspieler systematisch aus, indem er ihn zu ständiger Kooperation zwingt. In 40 Prozent der Fälle verhält sich ein Ausbeuter trotz Mitarbeit seines Gegenübers egoistisch und kassiert den Gewinn. Will der Mitspieler am Gewinn auch partizipieren, wird er weiter kooperieren und dadurch dem Ausbeuter weitere Gewinne ermöglichen. Lieber wenig als gar nichts, heisst in diesem Fall die Losung des Kooperierenden. Der Mitspieler muss sich deshalb dem Ausbeuter fügen, denn nur so geht er nicht leer aus. «Er kann seinen kleinen Gewinn nur steigern, wenn er immer häufiger kooperiert», schreiben die Forscher. Aber das hat schnell Grenzen. Der Kooperierende verweigert sich ab einem gewissen Punkt.

Manfred Milinski und Lutz Becks haben an über 100 Studentinnen und Studenten untersucht, ob und unter welchen Bedingungen sich Ausbeuter disziplinieren lassen. «Herrscht starker Konkurrenzdruck, ist der Wille zu Zusammenarbeit kein Erfolgsrezept. Unsere Ergebnisse zeigen, warum Menschen sich in der Realität oft viel weniger kooperativ zeigen als bislang vorhergesagt», erklärt Becks.

Dieser Beitrag erschien erstmals im doppelpunkt.
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