Die Gefährte muten futuristisch an: Im Prinzip sind es verschalte Motorräder, die im Stillstand von zwei kleinen, seitlich angebrachten Hilfsrädern am Umfallen gehindert werden. Sobald die Fahrzeuge aber Schritttempo erreicht haben, fahren die Stützräder ein wie das Fahrwerk bei einem Verkehrsflugzeug. Dann beschleunigen die schlanken Flitzer wie veritable Sportmaschinen – bloss geräuschlos. Ein Elektromotor treibt sie an.

«Ich will etwas verändern. Das ist mein Antrieb und nicht der, reich zu werden.»Roger Riedener

Riedeners Fahrzeug heisst MonoTracer und wird in kleinen Stückzahlen für den Verkauf produziert. Wülsers ZeroTracer ist ein Rennmobil – und sein ganz persönliches Alltagsgefährt. Beide Pioniere haben mit den von ihnen entworfenen Kabinenmotorrädern prestigeträchtige Auszeichnungen gewonnen: Der Ustermer Roger Riedener gewann 2010 in den USA den Progressive Automotive X Prize für das weltweit energieeffizienteste Fahrzeug. Der Durchschnittsverbrauch seines Gefährts betrug umgerechnet auf Benzin 1.14 Liter pro 100 Kilometer. Der Wert entstammt nicht etwa einem Werbeprospekt, sondern wurde vom US-Energieministerium amtlich bestätigt.

Roger Riedener, Elektromobil-Hersteller Monotracer

«Wir können, was sonst kein Automobilhersteller kann. Unser MonoTracer ist ein Quantensprung. Punkto Fahrleistung, Innenraum, Ausstattung, Wetter- und Passagierschutz ist er vergleichbar mit einem Porsche. Aber Herstellung und Betrieb brauchen zehnmal weniger Ressourcen.

Um einen MonoTracer fahren zu können, braucht man nebst Geduld und Talent auch Geld. Er kostet 120 000 Franken. Und dabei legen wir sogar noch drauf. Anders sähe es aus, wenn wir im Monat drei oder vier Fahrzeugen absetzen könnten statt nur eines. Sie wären billiger und wir würden daran verdienen. Doch dazu bräuchten wir mehr Kapital. Wobei mir schon klar ist, dass auch dann der Markt klein wäre. Man verkauft nicht 10 000 MonoTracer pro Monat.

Deshalb wollen wir ein neues Projekt realisieren: Ein in der Schweiz produziertes, einsitziges Elektrofahrzeug, das einfach zu bedienen ist und maximal 4000 Franken kostet. Zielmarkt ist Asien. Ich bin in Thailand aufgewachsen, kenne also die Situation. Wie bei den iPhones werden die Leute Schlange stehen, um die ersten Exemplare unseres neuen ETracers zu reservieren. Natürlich braucht es dazu ein geniales Marketing wie das von Apple, Swatch oder Victoria’s Secret. Wenn wir aber vom Roller-Markt Asiens bloss zehn Prozent erobern, sind das zehn Millionen Stück pro Jahr. Das wären 10 000 neue Arbeitsplätze in der Schweiz.

Nein, ich bin kein Fantast sondern Realist. Wir werden das Projekt ETracer zum Erfolg führen. Denn man sollte das Öl, das für die nächsten 30 Jahre übrig bleibt, nicht zum Herumfahren oder Heizen brauchen, sondern für die Pharmaindustrie und die Fliegerei. Denn mit einem Airbus A380 kommt man nicht elektrisch in die Luft. Auch wenn Bertrand Piccard das mit seinem Solar Impulse kann.

Der ETracer ist eine Riesenchance. Ich will damit etwas verändern. Hunderte von Millionen Menschen sollen damit sicher, wettergeschützt und mit geringem Energieverbrauch zur Arbeit pendeln. Das ist mein Antrieb und nicht der, reich zu werden.»

Tobias Wülsers ZeroTracer siegte 2011 in einem Null-Emission-Rennen in 80 Tagen rund um die Welt. Der Fehraltorfer war damit der erste Mensch, der elektrisch um den Globus fuhr. Für die 36 000 Kilometer lange Reise durch 16 Länder betrugen die Kosten für den Solarstrom gerade mal 400 Franken.

Hervorgegangen sind beide Elektrotöffs aus einem voll verkleideten Motorrad, das der Winterthurer Arnold Wagner in den 1980er-Jahren entwickelt hat. Dieses Fahrzeug namens Ecomobile war noch von einem Benzinmotor angetrieben. Hergestellt und verkauft wurde dieses Kabinenmotorrad von Wagners Firma Peraves: 90 Ecomobile fanden zwischen 1984 und 2005 einen Abnehmer.

Als jedoch der junge Industriedesigner Tobias Wülser auf der Strasse zum ersten Mal dieses «Osterei» sah, fuhr er ihm nach und sagte dem Konstrukteur Arnold Wagner unumwunden: «Das kann man besser machen.» Prompt erhielt er den Auftrag für ein neues Design. Das anfangs von Wagner noch als «springenden Frosch» titulierte Design schnitt später im Windkanal bei Volkswagen in Wolfsburg deutlich besser ab als das alte Ecomobile. Und Wülser erhielt den Auftrag für ein Redesign. In seiner neuen Form hiess das Fahrzeug dann MonoTracer, war aber noch immer benzinbetrieben.

Auch Roger Riedener erstand im Jahr 2008 einen MonoTracer und baute ihn in Eigenregie auf Elektroantrieb um, stieg später als Investor bei Peraves ein und übernahm 2010 schliesslich die Leitung der Firma. Im selben Jahr lockte das Abenteuer X Prize, bei dem das weltweit sparsamste, strassentaugliche Fahrzeug gesucht wurde. Riedeners elektrisch betriebener MonoTracer gewann in der Kategorie Tandem. Das Preisgeld von 2.5 Millionen Dollar investierte er komplett in die Firma.

Tobias Wülser, Designer und Entwickler Zerotracer

«Ich bin stolz auf meinen ZeroTracer. Ich fahre ihn täglich. Das ist mein «Auto». Wenn ich damit unterwegs bin, habe ich das Gefühl, ich fahre hundert Jahre voraus. Dabei hat mein ZeroTracer schon über 100 000 Kilometer zurückgelegt. Angefangen hat das Abenteuer, als ich am Genfer Automobilsalon meinen heutigen Geschäftspartner Frank Loacker kennenlernte. Wir hörten vom Rennen rund um die Welt und waren sofort fasziniert. Zum Glück konnten wir einen Hauptsponsor gewinnen, der uns mit seiner Fotovoltaik-Anlage Solarstrom lieferte. Und wir platzierten noch andere Firmenkleber auf dem ZeroTracer.

Natürlich ist er ein Nischenfahrzeug, ein Ingenieurstraum, ein Spielzeug, das unglaublich viel Geld kostet und sehr viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber es ist das beste Fahrzeug, um eine Weltumrundung zu gewinnen.

Ursprünglich laminierte ich bei der Firma Sauber in Hinwil Karbonteile für die Rennautos. Dann studierte ich Industrie-Design. Dass ich den Auftrag für das neue Design des ZeroTracers erhielt, war ein Glücksfall. Er war das Sprungbrett für eine eigene Firma, ein Aushängeschild, das uns eine gute Reputation verschafft hat. Heute betreiben wir mit Designwerk eine Denkfabrik für Elektromobilität. Zum Beispiel haben wir das Design für die neuen dreirädrigen Elektrotöffs der Schweizer Post entwickelt. Heute kurven davon bereits 3000 Exemplare auf den Strassen herum.

Und gegenwärtig bauen wir zusammen mit einem Kunden den ersten batteriebetriebenen Elektrolastwagen. Dafür entfernen wir aus einem konventionellen Lastwagen alles, was ölig ist und stinkt, also den Dieselmotor und bauen zwei Elektromotoren ein. Hinzu kommen zwei 1.2 Tonnen schwere Batterien. Ein Elektromotor ist viel effizienter als ein Diesel und beim Bremsen gewinnt man Energie zurück. Willkommener Nebeneffekt: Wenn man elektrisch fährt entfällt die Schwerverkehrsabgabe. Wenn wir das Projekt also richtig angehen, wird es funktionieren, weil man so Geld spart.»

Jährlich werden etwa 10 MonoTracer abgesetzt – bis ins Jahr 2012 als benzingetriebenes Modell, seit 2013 in der elektrischen Variante. Der Absatz hält sich konstant auf tiefem Niveau. Peraves kämpft permanent ums Überleben.

Kein kommerzielles Produkt ist Wülsers ZeroTracer, sondern sein ganz persönliches Alltagsfahrzeug – und ein Renngerät. Über 250 Kilometer in der Stunde fahren beide Maschinen. Und gemeinsam ist ihnen die Hülle aus Kevlar-Verbundwerkstoffen, welche dem ursprünglichen Design Wülsers für den MonoTracer entspricht.

«Wenn wir das Projekt richtig angehen, wird es funktionieren, weil man so Geld spart.»Tobias Wülser

Konkurrenten sind Riedener und Wülser keine, weil sie auf verschiedenen Gebieten tätig sind. Gelegentlich kommt es jedoch zur Zusammenarbeit: Von Wülser stammt der Designentwurf für Riedeners neueste Idee, einen kleinen, billigen, einsitzigen Elektro-Kabinenroller, dem ETracer.

Dieses Porträt stammt aus dem Buch «Zürcher Pioniergeist» (2014). Es porträtiert 60 Zürcherinnen und Zürcher, die mit Ideen und Initiative Neues wagten und so Innovationen schufen. Das Buch kann hier bestellt werden.
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