«Es steht ausser Frage, dass Kriege einen extrem negativen Einfluss auf die Tierwelt haben und das Risiko des Aussterbens von Arten erhöhen», sagt IUCN-Chefwissenschaftler Thomas Brooks. Auf der «Roten Liste» dieser internationalen Naturschutzorganisation stehen 219 Arten, die vor allem wegen Kriegen und kriegerischen Konflikten vom Aussterben bedroht sind.

Die 114 Seiten starke Studie mit dem Titel «Conflict and Conservation» untersucht die Auswirkungen von kriegerischen Konflikten auf den Erhalt der Arten. Für die entsprechende Analyse wurden zahlreiche historische Daten ausgewertet. Im Bericht wird zudem aufgezeigt, wie Bemühungen zur Erhöhung der Artenvielfalt und der natürlichen Ressourcen das Risiko von kriegerischen Konflikten verringern können.

«Konflikte stellen ein echtes Problem für den Naturschutz dar», sagt Bill Adams, Gastprofessor für Konflikt und Entwicklung am Graduate Institute in Genf. «Aber bei der Lektüre des Berichts merkte ich auch, dass sich für den Naturschutz in Nachkriegs-Situationen auch neue Möglichkeiten bieten. In einigen Fällen war der Naturschutz sogar Teil von Friedensvereinbarungen.» Er nennt als Beispiel grenzüberschreitende «Friedensparks», die im südlichen Afrika vor allem zwischen Südafrika, Mosambik und Simbabwe nach dem Bürgerkrieg entstanden sind.

Grosse und kleine Kreaturen

Laut IUCN gibt es eine Vielzahl von Tieren, die durch menschliche Konflikte bedroht sind. «Ein entsprechendes Vorzeigebeispiel wäre der Östliche Gorilla in Zentralafrika, wo der Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo und in Ruanda mit Sicherheit zu einem erhöhten Aussterberisiko dieser Spezies geführt hat. Grund dafür sind einerseits die direkte Tötung von Tieren, aber andererseits auch die Torpedierung lokaler Tierschutzmassnahmen sowie die Verfolgung von Mitarbeitenden von Tierschutzprogrammen», so Brooks.

Als weiteres Beispiel lässt sich eine Antilopenart benennen, deren Überleben durch kriegerische Konflikte in der Sahelzone in Frage gestellt ist, sowie Elefanten, die von bewaffneten Gruppen in der Zentralafrikanischen Republik getötet wurden. Auch ein Blick zurück ist angesagt: Laut Brooks ist so gut wie sicher, dass der Krieg in Vietnam zur vollständigen Ausrottung des dortigen Java-Nashorns geführt hat. Diese Art gibt es jetzt nur noch auf der Insel Java und in Indonesien.

Waldelefant im Wasserpixabay/Michelle Raponi

Waldelefanten sind nur ein Beispiel für Tiere, die unter bewaffneten Konflikten der Menschen leiden.

Neben diesen grossen Säugetieren gibt es gemäss Brooks auch viele kleinere oder weniger bekannte Tierarten, die durch Kriege bedroht sind. Er erwähnt beispielsweise einen Fisch, der in Syrien als Folge des dortigen Konflikts ausgestorben sein dürfte. Auslöser dürften unkontrollierte Bohrungen zu Wasserquellen sein, welche die hydrologischen Verhältnisse nachhaltig veränderten.

In Syrien haben bewaffnete Gruppen die Wasserversorgung von Städten unterbrochen oder durch Granatenbeschuss die Wasserinfrastruktur beschädigt. In der Folge gruben Bürger ihre eigenen Wasserbrunnen. Diese stellen nun eine Bedrohung für die unterirdischen Wasserressourcen dar. Mitglieder bewaffneter Gruppen könnten wegen mutwilliger Zerstörung von Wasserversorgungen, die Schaden für Menschen verursachen, strafrechtlich verfolgt werden. Der «Schaden für Menschen» ist als Straftatbestand in der geltenden Definition von Kriegsverbrechen enthalten.

Tiere sind häufig durch menschengemachte Konflikte bedroht. Oft werden sie mit der Absicht getötet, dem Menschen Nahrung zu sichern. Tiere können aber auch in Folge der Zerstörung ihrer natürlichen Umgebung zugrunde gehen. Illegaler Wildtierhandel kann zur Finanzierung von Konfliktaktivitäten genutzt werden; und einige Tiere sterben eher «zufällig», zum Beispiel durch Landminen. Darüber hinaus kann ein Konflikt, wie im Falle der Gorillas, negative Auswirkungen auf Schutzgebiete haben, oder auch zur Tötung von Personen führen, die mit dem Schutz der Tiere beauftragt sind.

«Umwelt-Kriegsverbrechen»

Der IUCN-Bericht empfiehlt «Sanktionen gegen diejenigen, die Umwelt-Kriegsverbrechen begehen». Als solche Verbrechen könnten die absichtliche Zerstörung von Wäldern oder anderer Ökosysteme, Wilderei oder Waldrodung und Holzverkauf zur Finanzierung von Konflikten gelten. Ebenfalls liessen sich Umweltverschmutzungen durch Chemikalien und Erdöl oder Lärmemissionen als Verbrechen klassifizieren.

Tatsächlich hat der Druck zur Verfolgung und Ahndung von Umweltvergehen in den letzten Jahren zugenommen. Es gab auch Bemühungen, «Ökozid» (massive Naturzerstörung) als Straftatbestand in das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) aufzunehmen. Doch diese scheiterten.

In Bezug auf Kriegsverbrechen in Zusammenhang mit Tieren ergeben sich heikle rechtliche Fragen: Wie wird diese Art von Straftat definiert? Wer wird sanktioniert? Welche Gerichtsinstanzen sind zuständig?

«Hat ein solcher Fall mit Tierrechten zu tun? Hat es etwas mit einem Gefühl für Tiergattungen zu tun, dass es offenbar ein grösseres Verbrechen ist, einen Gorilla aussterben zu lassen als einen Käfer?», fragt Adams. «Würde ein Atomwaffentest als Kriegsverbrechen gegen die Umwelt geahndet werden können?»

«Mechanismen zur Einführung von Sanktionen für Umweltkriegsverbrechen könnten zur Erweiterung der Befugnisse der Entschädigungskommission der Vereinten Nationen und zur Sicherstellung der Strafverfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof führen. Diese Befugnisse werdet durch die aktuellen Beratungen zu diesem Thema durch die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen schon gestärkt», sagt die IUCN. Laut dem Umweltverband wäre auch die Aufnahme des «Ökozids» als Straftatbestand beim Internationalen Gerichtshof (IStGH) und eine fünfte Genfer Konvention zum Naturschutz während Konflikten denkbar.

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Die geltende Definition von Kriegsverbrechen durch den IStGH nimmt häufig Bezug auf die Genfer Konventionen. Neben der vorsätzlichen Ermordung, Vergewaltigung und Folter von Zivilisten umfasst sie auch Plünderung, den Einsatz von Kindersoldaten, die Zerstörung von Gebäuden, Eigentum und Kulturgütern sowie das Abschneiden der Wasserversorgung, wenn dies «nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt ist und rechtswidrig und mutwillig durchgeführt wird».

Die in Genf ansässige Entschädigungskommission der UNO wurde 1991 eingerichtet, «um Ansprüche zu behandeln und Entschädigungen für Verluste und Schäden zu zahlen, die als direkte Folge der unrechtmässigen Invasion und Besetzung Kuwaits durch den Irak in den Jahren 1990-1991 auftraten.» Zu diesen Ansprüchen gehörten 170 Fälle von Umweltschäden, einschliesslich der Zerstörung natürlicher Ressourcen in der Golfregion – als Folge von Bränden der Ölquellen und der Einleitung von Erdöl ins Meer.

Die UN-Völkerrechtskommission, ebenfalls mit Sitz in Genf, wurde 1947 gegründet, um Empfehlungen für die Entwicklung des Völkerrechts zu geben. Sie hat 2013 den Umwelt- und Naturschutz im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten in ihre Arbeit aufgenommen.

Untätigkeit des IStGH und Fälle im Kongo

In Bezug auf den IStGH hat die scheidende Chefanklägerin Fatou Bensouda in ihrem Text «Grundlagen zur Fallauswahl und Prioritätensetzung» von 2016 die Umweltverbrechen thematisiert. Sie meinte, «dass ihre Behörde die Verfolgung von Verbrechen nach dem Römischen Statut, die unter anderem durch die Zerstörung der Umwelt, die illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen oder die illegale Enteignung von Land begangen werden oder zu diesen Sachverhalten führen, besonders berücksichtigen wird». Tatsache ist aber: Es gab bisher keinen einzigen Fall dieser Art, der vor dem IStGH verhandelt wurde.

Der ISTGH ist zuständig für Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die derzeitige Definition von Verbrechen enthält keine spezifische Erwähnung von Umweltverbrechen.

«Es ist schon schwierig genug, mutmassliche Fälle von Völkermord vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen», sagt Professor Bill Adams. «Unter diesen Voraussetzungen Fälle von Wilderei oder illegales Abholzen als Straftaten in Erwägung zu ziehen, scheint mir rechtlich zwar interessant und möglicherweise wichtig zu sein, aber zum jetzigen Zeitpunkt wenig praktikabel.»

Vielleicht ist es wahrscheinlicher und zielführender, dass nationale Gerichte bei solchen Fällen aktiv werden. In der Demokratischen Republik Kongo sind bereits einige Fälle vor dem Militärgericht gelandet. Angeklagt waren zumeist Mitglieder der Armee – beispielsweise ein ranghoher Offizier, Oberst Liwenge Eboko, und einige seiner Mitarbeiter. Sie wurden am 29. Januar 2020 wegen «Umweltverbrechen» zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Liwenge hatte es versäumt, seine Männer an der Wilderei im Virunga-Wildpark im Osten der Republik zu hindern und diese für ihre Taten zu bestrafen.

Auf die Frage, ob er rechtliche Schritte gegen Umwelt-Kriegsverbrechen für wahrscheinlich hält, bleibt Brooks von der IUCN zuversichtlich: «Wir sollten alle Möglichkeiten ausloten, die wir haben.» Die Einführung neuer internationaler Rechtsmittel brauche viel Zeit, ihre Implementierung sei sehr schwierig. «Aber sie bieten eine starke Rechtsgrundlage, falls sie eingeführt werden. Ich würde also keineswegs empfehlen, die Möglichkeit von Rechtsmitteln im Völkerrecht aufzugeben. Aber ebenso würde ich nicht alles auf diese eine Karte setzen.»

Dieser Text erschien zuerst bei swissinfo.
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