Die Schweizer Regierung kam 1992 enthusiastisch von der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro zurück und war sich sicher, schnell eine CO₂ Lenkungsabgabe einführen zu können. Nicht erstaunlich für eine Konsensdemokratie dauerte es dann fast 10 Jahre, bis das CO₂-Gesetz in Kraft trat; und noch etwas länger, bis die CO₂-Lenkungsabgabe auf Brennstoffen eingeführt wurde.

Karin Ingold

Karin Ingold ist Professorin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bern und ans Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) angegliedert. Sie führt die Gruppe «Policy Analysis and Environmental Governance» (PEGO), die sowohl am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern wie auch an der Forschungsabteilung Umweltsozialwissenschaften der EAWAG angesiedelt ist.

Ein austarierter Kompromiss

Das CO₂-Gesetz, über welches wir Mitte Juni 2021 abstimmen, ist also nicht neu, sondern über viele Jahre gereift. Die Vorlage ist das Resultat von Verhandlungen zwischen Politik, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Es ist ein austarierter Kompromiss, der aus einem Portfolio verschiedener Massnahmen besteht. Die Schweizer Klimapolitik zielt somit nicht auf einen einzelnen Sektor ab, sondern verteilt die klimapolitischen Ziele und Massnahmen auf mehrere Schultern, was der Natur des Klima-Problems natürlich entspricht.

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Die aktuelle Vorlage des CO₂-Gesetzes knüpft stark an die bisherige Schweizer Klimapolitik an. Es entspricht dem Politik-Stil «der kleinen Schritte», welcher zwar langsam erscheinen mag, aber ein stetiges Vorwärtskommen, und das «Mitnehmen» verschiedener Interessens- und Bevölkerungsgruppen sicherstellt. Die Vorlage wird denn auch ausserordentlich breit unterstützt.

Schweiz war eine Klima-«Pusherin»

In den Anfängen der internationalen Klimapolitik, und bis zur Jahrhundertwende, war die Schweiz eine Klima-«Pusherin». Auf dem internationalen Parkett hat sie sich für eine globale CO₂-Steuer ausgesprochen, und sich für grüne Investitionen aus dem globalen Norden im globalen Süden stark gemacht. Noch heute ist sie bei den internationalen Klimaverhandlungen sichtbar und eine starke Partnerin verschiedener Länder und Akteure.

Umsetzung hapert

Zu Hause hinkt die Schweiz aber hinterher. Sie tut sich schwer, eigenständige Reduktionsziele zu formulieren, und ambitionierte Massnahmen einzuführen, die ihrem internationalen Auftreten entsprechen. Währenddessen die EU und Deutschland an einer Verschärfung der Klimaziele von über 65 Prozent bis hin zu Netto Null diskutieren, gelingt es der Schweiz nicht einmal, das aktuelle CO₂-Gesetz mit einem Reduktionsziel von fünfzig Prozent effizient und schnell umzusetzen.

Die Schweiz hat sich für das Zustandekommen des Abkommens von Paris eingesetzt und dieses unterzeichnet. Das aktuelle CO₂-Gesetz und die neue Vorlage, über die wir jetzt abstimmen, sind zwingend, um unsere verbindlichen internationalen Versprechen einzuhalten und somit auch unsere Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren.

Der Text wurde erstmals in der Reihe Carte Blanche der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz: naturwissenschaften.ch publiziert.

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