Das Competence Centre for Diversity and Inclusion der Uni St. Gallen hat für den 3. Advance & HSG Gender Intelligence Report 263 000 Personaldaten von 55 in der Schweiz ansässigen Unternehmen nach Führung und Geschlecht ausgewertet. Die Resultate der ausgewerteten Daten zeigen deutlich, dass weiterhin grosser Handlungsbedarf besteht. Obwohl die Geschlechterverteilung auf Nicht-Kaderstufe 50-50 ist und die Frauen im untersten Kader mit 38 Prozent noch recht gut vertreten sind, sinkt der Frauenanteil im mittleren Kader auf 23 Prozent und im oberen und obersten Kader sogar auf 18 Prozent. Doch es gibt auch Resultate, die optimistisch stimmen, und Firmen, die mit Kreativität und Mut auf der Basis von sorgfältigen Analysen in Richtung Geschlechterbalance im Management unterwegs sind. Zwei Ansatzpunkte sind dabei sehr effektiv.

Gudrun Sander

Expertin im Bereich Diversity & Inclusion

Gudrun Sander ist Titularprofessorin für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Diversity-Managements sowie Direktorin für Diversity- und Managementprogramme an der Uni St. Gallen.

Interne Rekrutierung schlägt externe

Soll eine Führungsposition neu besetzt werden, kann intern oder extern rekrutiert werden. Die Universität St. Gallen ist der Frage nachgegangen, welche Art der Rekrutierung zu mehr Diversität in Top Management-Teams führt. Eine externe Rekrutierung bietet den Vorteil, dass frischer Wind in ein Unternehmen kommt, birgt aber gleichzeitig das Risiko, dass die Person nicht zur Unternehmenskultur passt und deshalb bald wieder ausscheiden könnte. Dieses Risiko wird von den Verantwortlichen kompensiert, indem Personen eingestellt werden, die dem «typischen Manager» im bestehenden Top Management-Team sehr ähnlich sind (oft männlich, 45 bis 50 Jahre alt, weiss, heterosexuell etc.). Bei einer internen Beförderung weiss man im Vorfeld, ob die Person in die Kultur passt. Das heisst, dieses Risiko muss nicht kompensiert werden. Das hat zur Folge, dass Personen, die «diverser» sind, eher eine Chance haben (jünger oder älter, Frau, andere Ausbildung etc.). Interne Beförderungsprozesse haben also grundsätzlich das grössere Potenzial, die Diversität im Top-Management zu erhöhen. Der aktuelle Advance & HSG Gender Intelligence Report zeigt aber deutlich auf, dass hier noch grosser Verbesserungsbedarf besteht.

Ähnlich hohe Beschäftigungsgrade führen zu mehr Chancengleichheit

Als weitere Hürde für die Überwindung der gläsernen Decke nennt der Advance & HSG Gender Intelligence Report die traditionelle Rollenverteilung in Kombination mit der herrschenden Vollzeit-Norm. Es zeigt sich deutlich, dass Schweizer Frauen im Vergleich zu Männern und auch im Vergleich zu ausländischen Frauen den tiefsten durchschnittlichen Beschäftigungsgrad haben. Gleichzeitig besteht in den Unternehmen nach wie vor eine klare Vollzeitkultur in Führungspositionen. Konkret heisst das: Unter der vorherrschenden Norm von Vollzeit haben Schweizer Frauen schlechtere Aufstiegschancen. Flexible Arbeitsmodelle und Teilzeitmöglichkeiten, die nur von einer Gruppe wahrgenommen werden, führen zu mehr Chancenungleichheit. Ein zweiter zentraler Ansatzpunkt ist daher die Angleichung der Beschäftigungsgrade von (Schweizer) Frauen und Männern. Das führt in der Folge auch zu einer Umverteilung der ausserberuflichen Verantwortungen, zu einem Machtausgleich in den Beziehungen und zu einer Veränderung der gesellschaftlichen Rollenerwartungen an Frauen und Männer. Gleichstellung – und damit eine gute Durchmischung von Frauen und Männern in Führungsfunktionen – funktioniert letztlich nur, wenn Frauen und Männer gleichermassen dazu beitragen.

Quelle Studie: Georgakakis, Dimitrios, Greve, Peder & Ruigrok, Winfried (2018): Differences that matter: hiring modes and demographic (dis)similarity in executive selection, The International Journal of Human Resource Management, DOI: 10.1080/09585192.2018.1496126

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