Für grosses Aufsehen im Ausland sorgte 1935 eine neue, weltweit einzigartige Einrichtung an der ETH Zürich – ein Überschallwindkanal, in dem Flugzeugmodelle, aber auch der Winddruck an Bauwerken, der Luftwiderstand von Fliegerbomben oder der Wirkungsgrad von Schiffsschrauben untersucht wurden. «Noch bevor alle Kalibrierungen fertig waren, mussten dringende Arbeiten für die Behörden durchgeführt werden», schrieb ETH-Professor Jakob Ackeret in seinem Jahresbericht. Dabei handelte es sich um Untersuchungen an einem neuen Flugzeugmodell der Schweizer Luftwaffe – einem zweisitzigen Doppeldecker, der bei der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte in Thun in Produktion ging.
Ackeret war 1928 an die ETH berufen worden. In seiner Habilitationsschrift führte er einen Begriff ein, der heute allgemein geläufig ist: die Mach-Zahl. Sie gibt das Verhältnis der Geschwindigkeit eines Flugobjekts zur Schallgeschwindigkeit an. Fliegt ein Jet mit Mach 2, hat er also die doppelte Schallgeschwindigkeit. Das sind auf einer Höhe von 10 000 Metern gut 2000 Kilometer in der Stunde (km/h). Zum Vergleich: moderne Verkehrsflugzeuge wie der Airbus 380 reisen heute knapp unter der Schallgeschwindigkeit mit 0,85 Mach. Weltraumraketen fliegen mit Mach 5 bis 10.
In seiner Antrittsvorlesung an der ETH erklärte Ackeret, wie er zu seiner «abkürzenden Bezeichnung» gekommen war: «Da der bekannte Physiker Ernst Mach auf unserem Gebiet die grundlegende Bedeutung dieses Verhältnisses besonders klar erkannt und durch geniale experimentelle Methoden bestätigt hat, scheint es mir sehr berechtigt, Geschwindigkeit durch Schallgeschwindigkeit als Mach’sche Zahl zu bezeichnen.» Jahrzehnte später, als sich der Begriff eingebürgert hatte, meinte Ackeret allerdings, Mach selbst hätte sich vielleicht nicht darüber gefreut, dass das grössere Publikum ihn bald nur noch in diesem Zusammenhang kenne. Jakob Ackeret wurde 1898 als Sohn eines Schlossermeisters in Zürich geboren. Vielleicht war es die Werkstatt des Vaters, die in dem Jungen die Begeisterung für Technik weckte. Er rechnete und las aber auch gern. Besonders fasziniert hatten ihn die Zukunftsromane von Jules Verne. Dass seine wissenschaftliche Tätigkeit auch das Militär interessierte, schien ihn als Forscher nicht zu stören. Selbst gegenüber Kontakten mit Vertretern autoritärer Regime hatte Ackeret offenbar keine Bedenken, wie die ETH in einer Sonderausstellung zum 100. Geburtstag des Pioniers schrieb. So habe Ackeret sich 1935 über den Nachbau seines Überschallwindkanals in Italien gefreut, und während des Zweiten Weltkriegs reiste der Zürcher Professor zweimal zu Vorträgen nach Deutschland. «Von Kriegsereignissen, Bombenschäden usw. haben wir, auch auf der Reise, gar nichts bemerkt; ebenso wenig wurde Politik berührt», schrieb Ackeret in einem Bericht 1941.
Eine bittere Niederlage musste er Ende der 1950er-Jahre einstecken: Ackeret hatte sich persönlich stark für die Entwicklung eines Schweizer Düsenflugzeugs eingesetzt; und sein ETH-Institut für Aerodynamik war wesentlich an den Arbeiten des Flugzeugherstellers Dornier in Altenrhein beteiligt. Doch dann wurde das Projekt eingestellt. Zwar entstand als Nachfolgeprojekt der Learjet, das erste Geschäftsreiseflugzeug; aber dieses wurde in den USA gebaut.
Trotzdem begeisterte die Flugzeugentwicklung Ackeret bis zum Ende seiner Karriere. Seine Abschiedsvorlesung 1967 widmete er dem Thema Überschall-Verkehrsflugzeug. Er beschrieb die Concorde, die damals im Bau war und Mach 2 erreichen sollte. Und er träumte von Hyperschall-Verkehrsflugzeugen, «die mit Geschwindigkeiten von Machzahl 7 bis 10 in Höhen von 40 bis 50 Kilometern fliegen werden».
Dass am 12. April 1981 der erste Space Shuttle mit über 20-facher Schallgeschwindigkeit ins Weltall startete, erlebte Jakob Ackeret nicht mehr. Knapp zwei Wochen vor dem historischen Jungfernflug des amerikanischen Raumtransporters (am 27. März) verstarb er in Küsnacht.