Das musst du wissen

  • Der Einsatz des Fungizid-Wirkstoffs Chlorothalonil ist seit Januar 2020 in der Schweiz verboten.
  • Dies, nachdem der Stoff durch eine EU-Behörde als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wurde.
  • Auch für Abbauprodukte des Wirkstoffs gilt nun ein Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser.

Chlorothalonil war für fast ein halbes Jahrhundert eines der Lieblings-Fungizide der Schweizer Landwirtschaft. Dann folgte letztes Jahr ein rascher Fall: Zuerst sorgten im vergangenen Sommer Berichte über zu hohe Chlorothalonil-Rückstände im Grundwasser für Schlagzeilen. Dann folgte das Verbot in der EU und in der Schweiz. Dies, weil die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einer neuen Risikobewertung den Wirkstoff als wahrscheinlich krebserregend einschätzte. Zu dieser Einschätzung kamen die Experten aufgrund der Resultate von Tierversuchen. Bewiesen ist die krebserregende Wirkung des Stoffs beim Menschen nicht – sie wird aufgrund der Experimente aber vermutet.
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Der Hersteller Syngenta hat gegen dieses Verbot beim Bundesverwaltungsgericht Anfang Jahr eine Beschwerde eingereicht. Die Argumente: Die EU klassifiziere den Wirkstoff offiziell immer noch so, dass lediglich ein Verdacht auf eine krebserregende Wirkung bestehe. Und selbst wenn Chlorothalonil strenger klassifiziert würde, sei ein Abbauprodukt nicht zwingend relevant, was in diesem Kontext biologisch wirksam heisst. Im Grundwasser seien hauptsächlich zwei Abbauprodukte von Chlorothalonil gefunden worden: R471811 und R417888. Beide seien aufgrund der Behördeneinstufung Anfang Dezember 2019 nicht relevant gewesen. Das änderte sich aber rasch: Im gleichen Monat stufte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) alle Abbauprodukte des Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffs Chlorothalonil als trinkwasser-relevant ein. Für diese Stoffe gilt seither ein Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Trinkwasser, der in diesem Fall auch für das Grundwasser als Grenzwert gültig ist.

Erste landesweite Daten

Nun hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) eine erste landesweite Einschätzung der Belastung im Grundwasser vorgenommen. Sie beruht auf Messdaten, welche zwischen 2017 und 2018 erhoben wurden. Sie zeigt: Die Konzentrationen mehrerer Chlorothalonil-Metaboliten überschreiten diesen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter im Grundwasser des Mittellandes grossflächig.

Insbesondere die drei Metaboliten R471811, R417888 und R419492 verunreinigen das Grundwasser in vielen landwirtschaftlich genutzten Gebieten des Mittellandes grossflächig. Werte von über 0,1 Mikrogramm pro Liter finden sich gemäss diesen Ergebnissen in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Genf, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Tessin, Waadt, Zug und Zürich. Auch die Metaboliten R611968, SYN507900 und SYN548580 sind vereinzelt nachweisbar. Die meisten Daten liegen zum Abbauprodukt R417888 vor. Dieses überschreitet den Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter im Mittelland an mehr als 20 Prozent der Messstellen.

Am stärksten ist das Grundwasser durch den Metaboliten R471811 belastet. Dieser weist in allen Fällen die höchsten Konzentrationen pro Messstelle auf, jedoch liegen bisher nur Ergebnisse einer geringeren Anzahl von 70 Messstellen vor. An einzelnen Messstellen erreichen die Konzentrationen dieses Metaboliten sogar mehr als 1 Mikrogramm pro Liter. Basierend auf den Daten kann laut Bund grob abgeschätzt werden, dass R471811 im Mittelland an mehr als der Hälfte aller Messstellen den Wert von 0,1 Mikrogramm pro Liter überschreiten dürfte.

Wasserversorger in der Pflicht

Da sich Grundwasser relativ langsam erneuert und die Metaboliten von Chlorothalonil ausgesprochen langlebig sind, wird die Verunreinigung durch die Abbauprodukte noch Jahre bestehen bleiben. Das stellt die Wasserversorger vor grosse Probleme. Sie müssen dafür sorgen, dass die Höchstwerte wieder eingehalten werden. Der Bund hat den Wasserversorgern eine Frist von maximal zwei Jahren gegeben. Zu wenig, sagte der Trinkwasserverband jüngst gegenüber dem St. Galler Tagblatt: Angesichts des Ausmasses sei das nicht realistisch. Einfache Massnahmen – etwa eine kurze Leitung, um das Wasser aus zwei Quellen zu mischen – seien oft nicht möglich. Eine Option sei laut Paul Sicher, Kommunikationschef des Wasserverbands, See- oder Flusswasser für eine ganze Region aufzubereiten, um neben dem Grundwasser ein zweites Standbein zu haben. Eine andere Möglichkeit sei der Bau von Transportleitungen aus unbelasteten Regionen.

Obwohl aber die Grenzwerte im Mittelland an vielen Stellen überschritten werden, kann das Trinkwasser laut Behörden ohne Bedenken konsumiert werden. Die Grenzwerte seien vorsorglich sehr tief angesetzt, weil die Qualitätsansprüche ans Trinkwasser sehr hoch seien.

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