Das musst du wissen

  • Verschiedene Aspekte des Pariser Abkommens werden von den Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgelegt.
  • So beispielsweise der Umgang mit Emissionsgutschriften oder der Zeithorizont von Verpflichtungen.
  • Diese gilt es nun an der COP26 zu harmonisieren, um die tatsächlichen Fortschritte der Länder vergleichen zu können.

Warum dies so wichtig ist. Im Jahr 2015 gab es im Pariser Abkommen ein Versprechen: Die ganze Welt wird handeln, um das Ausmass der globalen Erwärmung auf «nur» 1,5 Grad zu begrenzen. Ein Ziel, das die Autoren des jüngsten IPCC-Berichts vor kurzem gar als praktisch «unerreichbar» bezeichneten, ausser wenn «noch nie dagewesene» und sofortige Massnahmen ergriffen werden. Die COP26 hat die schwere Aufgabe, diese Dringlichkeit hier und jetzt in konkrete Entscheidungen zu übersetzen.

Aber der Teufel steckt im Detail: Mehrere technische Punkte des Pariser Abkommens sollten angegangen werden, um einen Konsens über ihre Auslegung zu finden.

1. Verpflichtungen eingehen und harmonisieren

Die COP26 ist der wichtigste Klimagipfel seit 2015. Es ist in der Tat die letzte Chance, das 1,5-Grad- oder sogar das zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Das Grundproblem besteht darin, dass die meisten Länder, die sich zur Kohlenstoffneutralität verpflichtet haben, dies mit einem viel zu langen Zeithorizont tun und dabei die schwierigsten Aufgaben auf das Jahr 2050 verschieben. Dies ist in den meisten europäischen Ländern und der Schweiz der Fall. In China ist der Zeithorizont sogar 2060. Und das, obwohl die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 45 Prozent reduziert werden müssen, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Zu wenig, zu spät?

Am 16. September 2021 erklärte der UN-Generalsekretär Antonio Guterres:

«Wir haben wirklich keine Zeit mehr zu verlieren. Wir müssen jetzt handeln, um weitere irreversible Schäden zu verhindern. Die COP26 im November muss diesen Wendepunkt markieren.»

Bei den Vorbereitungstreffen für die COP26 im Juli hatten mehrere Minister aus verschiedenen Staaten betont, dass eine der grössten Herausforderungen der COP26 darin bestehen wird, die Differenz – derzeit 20 bis 23 Gigatonnen CO₂-Äquivalent – zwischen den derzeitigen Verpflichtungen der Staaten, der «Nationally Determined Contribution» NDC, und einer Zukunft mit 1,5 Grad zu beheben. Einige schlugen vor, dass in Glasgow ein «klares politisches Engagement» und ein Plan zur Behebung der Differenz erforderlich seien. Die Länder könnten aufgefordert werden, ihre NDCs früher als geplant zu aktualisieren: nicht 2025, sondern zum Beispiel 2023. Die am meisten gefährdeten Länder wünschen eine jährliche Aktualisierung.

In jedem Fall müssen die Länder derzeit alle fünf Jahre aktualisierte Klimaverpflichtungen vorlegen. Und viele tun dies minimalistisch und ohne ihre Ambitionen zu erhöhen. Dies ist unter anderem der Fall in Brasilien, Australien und Russland, aber auch in der Schweiz.

Dann gibt es noch die Frage der Transparenz: Das Verfahren, mit dem die Länder ihre bisherigen Treibhausgasemissionen melden, muss verbessert werden. Dies könnte im Rahmen eines Peer-Review-Verfahrens geschehen. Da die Verpflichtungen der Staaten naturgemäss rein deklarativ und unverbindlich sind, könnte ein solcher Mechanismus das gegenseitige Vertrauen zwischen den verschiedenen Staaten stärken.

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Dauer, die von diesen NDCs abgedeckt wird, im Moment nicht standardisiert ist. Den Ländern steht es frei, den Zeithorizont zu wählen. Einige reichen bis 2025, andere bis 2030. Das World Resources Institute erinnert daran, dass sich die Staaten auf der COP24 in Kattowitz einig waren, dass sie einen gemeinsamen Referenzrahmen brauchen. Auf der COP26 sollte entschieden werden, ob diese Verpflichtungen für fünf oder zehn Jahre gelten sollen oder ob eine Mischform gewählt wird, die fünf Jahre für die politische Umsetzung und fünf Jahre für die Erfüllung der Ziele vorsieht.

2. Neudefinition der Regeln für Emissionsgutschriften

Das Gipfeltreffen dürfte sich auch als entscheidend erweisen, um die letzten Unklarheiten des Abkommens zu beseitigen, die von den einzelnen Mitgliedstaaten noch unterschiedlich ausgelegt werden. Insbesondere Artikel 6 des Pariser Abkommens, der ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionen zwischen den Ländern vorsieht. Mit anderen Worten: Es erlaubt, die im Ausland durchgeführten Kompensationsprojekte, auf denen ein grosser Teil der schweizerischen Klimastrategie beruht, zu berücksichtigen.

Bern hat sich verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren und «die inländischen CO₂-Emissionen um mindestens 37,5 Prozent zu reduzieren». Das bedeutet, dass die Kompensation im Ausland bis zu einem Viertel der anrechenbaren Emissionsreduktionen ausmachen könnte, wie der Klimapolitiker Augustin Fragnière kürzlich gegenüber Heidi.news sagte.

Zu den noch ungelösten Streitpunkten gehört Artikel 6, der auf der COP26 diskutiert werden sollte:

  • Wie lässt sich eine Doppelzählung von Emissionen vermeiden? So möchte beispielsweise Brasilien, wo die Forstwirtschaft stark entwickelt ist, dass eine Tonne CO₂, die von einem ausländischen Land durch ein Aufforstungsprojekt in Brasilien ausgeglichen wird, in beiden Bilanzen berücksichtigt wird.
  • Wie können die alten Emissionsgutschriften des Kyoto-Protokolls in den neuen Mechanismus überführt werden?

3. Entwicklung einer grünen Finanzierung

2009 erklärten sich die reichsten Länder bereit, die Klimatransition in den am stärksten gefährdeten Entwicklungsländern mit hundert Milliarden Dollar pro Jahr zu finanzieren – eine Verpflichtung, die 2015 im Pariser Abkommen bekräftigt wurde. Die OECD schätzt jedoch, dass 2019 und 2018 nur knapp achtzig Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt wurden und 2017 rund siebzig Milliarden. Die vom Klimawandel am stärksten gefährdeten Länder sind jedoch unmittelbar auf diese Mittel angewiesen, um ihre Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen.

Bei den COP26-Vorbereitungsgesprächen im Juli sagte COP26-Präsident Alok Sharma, dass die Industrieländer einen «klaren Plan» vorlegen werden, wie diese Mittel bis 2025 mobilisiert werden sollen. Auch dies ist ein Weg, um das Vertrauen zwischen den verschiedenen Parteien wiederherzustellen.

Darüber hinaus wird sich die COP26 auch mit der Finanzierung von «Loss and Damage» befassen. Dies betrifft die unvermeidbaren Schäden durch Klimakatastrophen, wie sie die Welt im Sommer 2021 erlebt hat. Dies ist in Artikel 8 des Pariser Abkommens geregelt, aber es gibt noch viele politische Schwierigkeiten. Zum Beispiel, ob daraus abgeleitet werden sollte, dass die Industrieländer die Entwicklungsländer entschädigen sollten, falls letztere mehr Klimakatastrophen erleiden.

4. Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pariser Abkommens

Mit anderen Worten: Die Herausforderung dieser COP besteht darin, die letzten Unklarheiten zu beseitigen, die bei der Auslegung mehrerer technischer Punkte des Pariser Abkommens bestehen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für das Jahr 2023, wenn die COP28 stattfindet, auf der die erste globale Bestandsaufnahme des Pariser Abkommens, auch Global Stocktake genannt, stattfinden wird, die dann alle fünf Jahre wiederholt werden soll. Bei dieser Gelegenheit werden die tatsächlichen Fortschritte der Länder in Bezug auf die Reduktionen mit ihren nationalen Verpflichtungen verglichen. Und dazu müssen wir uns zunächst auf eine – und nur eine – Art der Zählung einigen.

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Er wurde von Corinne Goetschel aus dem Französischen übersetzt.

Heidi.news

Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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