Plötzlich ist er da, der Heisshunger auf Schokolade, Süsses oder etwas besonders Deftiges. Und manchmal kannst du den Hals nicht voll genug kriegen, während an anderen Tagen ein Apfel zum reinsten Erlebnis wird. Das hat seine Gründe. Denn nicht nur gewitzte Marketingfachleute beeinflussen unsere Geschmackswahrnehmung mit der richtigen Belichtung, angepassten Raumdüften und der Geschirrauswahl. Auch was in unserem eigenen Körper passiert, hat unerwartete Auswirkungen darauf, wie wir schmecken.
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Grundsätzlich haben die meisten Menschen Geschmackssinneszellen, die salzig, süss, bitter, sauer und umami, den deftig-herzhaften Geschmack von Sojasauce, Parmesan oder Pilzen, erkennen können. Ausserdem haben Forschende jüngst auch Rezeptoren auf unserer Zunge gefunden, die Fettsäuren erkennen können – ob «fettig» ein eigener Geschmack ist, ist allerdings umstritten. Wie viele dieser Sinneszellen und in welcher Zusammensetzung wir sie haben, ist genetisch bedingt. Auch lernen wir durch Erfahrungen, gewisse Geschmäcker zu mögen oder eben nicht; und jedes Geschmackserlebnis aktiviert bei verschiedenen Menschen ganz individuelle Gegenden im Gehirn.
Für die meisten gilt aber: Süss ist ein angenehmer Geschmack, an den wir uns bereits im Mutterleib gewöhnt haben – dank dem leicht süssen Fruchtwasser.
Auch der Zucker in der Muttermilch lässt diese süss schmecken. Nach umami schmecken Aminosäuren, die essenziell sind für die meisten Prozesse im menschlichen Körper. Und salzig schmecken Natriumchlorid und andere Mineralsalze. Bitter und sauer hingegen sind meistens Anzeichen für potenziell giftige Stoffe. Weshalb wir uns trotzdem daran gewöhnt haben und Bitteres sogar mögen, ist nicht ganz geklärt. Manche Forschenden vermuten, dass viele bittere Stoffe eine Rauschwirkung haben und wir für den berauschenden Effekt den unangenehmen Geschmack in Kauf nehmen. So kommt es, dass wir den bitteren Geschmack von Kaffee mögen.
Es gibt allerdings Situationen, die unser Geschmacksempfinden manipulieren: Zum Beispiel wenn du besonders gestresst bist. Dann schmecken manche Dinge weniger intensiv. Forschende haben herausgefunden, dass das Stresshormon Glucocorticoid in denjenigen Geschmackssinneszellen von Mäusen andocken kann, die für einen süssen Geschmack verantwortlich sind.
Das führt vermutlich dazu, dass Süsses bei Stress weniger intensiv wahrgenommen wird. Das Resultat: Wer Süsses plötzlich weniger gut schmecken kann, tut sich einfach noch einen Löffel Zucker mehr in den Tee.
Etwas ähnliches passiert auch, wenn wir im Stehen essen müssen. Bereits wenige Minuten herumstehen bedeutet Stress für den Körper, denn das Blut sammelt sich in der unteren Körperhälfte und das Herz muss heftiger schlagen. Das Stresshormon Cortisol – ein Glucocorticoid – beeinflusst die Geschmackssinneszellen in ähnlicher Weise. Das zumindest vermutet ein Forschungsteam, das 350 stehende und sitzende Personen mit Brownies und Brötchen verpflegte. Das Essen schmeckte den Sitzenden durchgehend besser – ausser eine Portion Brownies, die übermässig gesalzen waren. Die sitzenden Personen lehnten das Gebäck ab. Die Stehenden hingegen bemerkten den starken Salzgeschmack nicht einmal.
Aber nicht nur der Stress oder unsere Körperhaltung, sondern auch die Tage vor der Menstruation können unsere Geschmackswahrnehmung verändern. Forschende haben zeigen können, dass das, was einem schmeckt, sich mit dem Menstruationszyklus verändert – wenn auch nur minimal. Gerade in der zweiten Zyklushälfte zwischen dem Eisprung und dem Beginn der Menstruation waren beispielsweise junge Frauen weniger empfindlich für saure Geschmäcker und assen dementsprechend mehr davon.
Nicht nur Saures schmeckte vor der Menstruation weniger stark. Eine andere Studie ermittelte, dass während Zyklustagen mit einem höheren Östrogenspiegel auch Süsses weniger intensiv wahrgenommen wird. Die naheliegende Folgerung: Zu dieser Zeit essen wir süssere Sachen als gewöhnlich. Das bedeutet dann meistens auch, dass wir mehr energiereiche Nahrung zu uns nehmen. Wieso das so ist, darüber zerbrechen sich die Ernährungswissenschaftlerinnen und Humanbiologen immer noch die Köpfe. Eine mögliche Erklärung ist es, dass sich Menschen mit prämenstruellem Unwohlsein selbst medikamentieren.
Wenn man nämlich viele Kohlenhydrate isst, wozu Zucker auch gehört, steigert das die Ausschüttung von Serotonin – einem Neurotransmitter, den Studien mit dem Verringern von Depressionen in Verbindung gebracht haben und der gerne auch als «Wohlfühlhormon» bezeichnet wird.
Andere vermuten, dass wir es uns bei Unwohlsein zu Nutzen machen, dass leckeres Essen kurzzeitig ablenkt und tröstet. Das wiederum gilt nicht nur für diejenigen von uns, die menstruieren, sondern für alle.