In der Sicherheitsschleuse hängen blau glänzende Ganzkörperanzüge. «Ein besonders fusselfreier Stoff», sagt Roland Germann, während sich jeder von uns in einen Anzug zwängt. Er ist verantwortlich für den Reinraum von IBM Research in Rüschlikon. Wir schlüpfen in klobige Laborschlappen und treten hinter der Schleuse auf eine klebrige Fussmatte, an der auch das letzte Staubkorn haften bleibt. «Hier im Nanotechnologiezentrum müssen nicht die Menschen vor einer gefährlichen Umgebung geschützt werden», sagt Germann, «sondern die Räume vor dem Schmutz der Menschen.» Denn jede Person trägt eine Staubwolke aus Textilfasern, Haaren und winzigen Hautschüppchen um sich herum. Davon ist jedes noch so kleine Partikel für die Hightech-Geräte und Experimente im Reinraumlabor hochgefährlich.

Neuer Supercomputer

Eine Forscherin legt eine dünne, glänzende Scheibe aus Silizium unter ein Mikroskop. Auf diesem sogenannten Wafer entstehen neuartige Diagnosechips, in denen mikrometerdünne Kanäle verlaufen. Durch diese werden dereinst Flüssigkeiten strömen, zum Beispiel Blut, um mit einem einzigen Tropfen Krankheiten zu diagnostizieren. Ein anderes Bauteil für einen künftigen Supercomputer von der Grösse eines Würfelzuckers ist von einem ganzen Netzwerk von Kanälchen durchzogen. Darin wird Flüssigkeit zirkulieren, die das Gerät kühlen soll. Das ist viel stromsparender als heutige Kühlsysteme – und die Voraussetzung dafür, dass sich Hochleistungscomputer überhaupt in so kleinem Format bauen lassen. Doch schon ein einziges Staubkorn in einem der Kanälchen kann den winzigen Supercomputer zerstören.

Deshalb strömt von der Decke des Reinraumlabors dauernd gefilterte Luft, und zwar so viel, dass das gesamte Luftvolumen alle drei Minuten komplett erneuert wird. Pro Kubikmeter Luft dürfen in der sogenannten Reinraumklasse ISO 5 maximal 3500 Staubteilchen schweben, die hundertmal dünner als ein Haar sind. Zum Vergleich: Ein Wohnzimmer enthält bis zu 35 Millionen Partikel pro Kubikmeter.

Ausserdem ist das Labor in gelbes Licht getaucht. «So schützen wir die empfindlichen Wafer vor blauen Lichtstrahlen», sagt Germann durch das Rauschen der Lüftungsanlage. Denn die Scheiben müssen ähnlich wie Fotos erst entwickelt werden, bevor sie ans Tageslicht dürfen. Sonst gehen sie kaputt. Auch Institute der ETH in Zürich und Lausanne und das Paul-Scherrer-Institut verfügen über solche Reinräume. Denn neben der Mikroelektronik sind auch andere Forschungsgebiete wie Biowissenschaften oder Lasertechnologie auf hochreine Arbeitsumgebungen angewiesen. Auch für die Industrie sind Reinräume wichtig: Ohne sie hätten wir verunreinigte Lebensmittel, minderwertige Arzneimittel, und es gäbe keine Smartphones.

Wir treten in die Schleuse und schälen uns aus dem Anzug. Hier draussen atmen wir wieder schmutzige Luft. Ein Unterschied ist aber nicht zu spüren. Germann: «Viele Staubteile sind so klein, dass unsere Sinnesorgane diese kaum wahrnehmen können.»

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