Das musst du wissen

  • Aus Ländern, die eine «Papi-Zeit» kennen, liegen Daten zu deren Auswirkung vor.
  • Demnach verbringen Väter auch nach dem Vaterschaftsurlaub mehr Zeit mit ihren Kindern und arbeiten weniger.
  • Allerdings machen sie nicht unbedingt mehr im Haushalt.
Den Text vorlesen lassen:

Derzeit streitet die Schweiz über die Väter. Oder besser gesagt: um den Vaterschaftsurlaub. Eine Volksinitiative verlangt zwei Wochen bezahlten Urlaub für Väter, am 27. September wird abgestimmt. Die Schweiz wäre eines der letzten europäischen Länder, die einen solchen Urlaub einführt. Umfragen deuten darauf hin, dass die Initiative angenommen wird.

World Policy Analysis Center

Noch sticht die Schweiz hervor: Die Grafik veranschaulicht Vaterschaftsurlaub weltweit. Länder haben entweder keinen (rot), weniger als drei Wochen (orange), 3-13 Wochen (gelb) oder mehr als 14 Wochen (grün) Vaterschaftsurlaub. Datengrundlage des Worldpolicycenters stammt aus den Jahren 2015 und 2016.

Dafür gibt es gute Gründe. Doch abgesehen von Einschätzungen, die auf Werten beruhen: Was gibt es eigentlich für wissenschaftliche Belege zu den Auswirkungen der «Papi-Zeit»? Sorgt ein Vaterschaftsurlaub wirklich für mehr Gleichberechtigung? Und erhöht er die Vater-Kind-Bindung? Zu solchen Fragen gibt es bereits Studien aus Ländern, die die Elternzeit für Väter schon länger kennen. Wir haben die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu drei Kernfragen zusammengetragen.

Führt der Vaterschaftsurlaub dazu, dass sich beide Eltern die Hausarbeit gerechter teilen?

Jein. Ob der Vaterschaftsurlaub zu einer gerechteren Verteilung der unbezahlten Hausarbeit führt, hängt wahrscheinlich davon ab, wie und wann genau der Vater seinen Urlaub bezieht. Ist er parallel mit der Mutter zu Hause, übernimmt er weniger im Haushalt, als wenn er mit dem Kind allein ist. Dies zeigt eine Studie aus dem Jahr 2015, die untersuchte welche Auswirkungen die zwei sogenannten Vätermonate hatten, die 2007 in Deutschland eingeführt wurden. Von den rund 1900 in der Studie erfassten Vätern nahmen rund 200 mindestens einen Monat Urlaub. Resultat: Die Väter waren nach ihrem Vaterschaftsurlaub genauso «engagiert» im Haushalt wie eh und je. Erst wenn sich die Väter mehr als die gesetzlichen zwei Monate Zeit nahmen, oder wenn sie ihren Urlaub nicht parallel zu jenem der Mutter nahmen, erhöhte sich ihr Anteil an der Hausarbeit.

Science-Check ✓

Studie: What Happens after the ‘Daddy Months’? Fathers’ Involvement in Paid Work, Childcare, and Housework after Taking Parental Leave in GermanyKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsEs könnte sein, dass Väter, die Vaterschaftsurlaub beziehen, generell mehr an Kinderbetreuung interessiert sind und deswegen mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen. Die Autoren haben versucht, den störenden Einfluss dieser Variabel zu eliminieren, indem sie das Verhalten der selben Väter verglichen, bevor und nachdem sie Vaterschaftsurlaube bezogen hatten, anstatt Väter, die Vaterschaftsurlaub nahmen mit solchen zu vergleichen, die dies nicht taten.Mehr Infos zu dieser Studie...

Eine weitere Studie wertete für den Zeitraum von 1965 bis 2003 aus, wieviel Zeit Mütter und Väter aus rund 20 verschiedenen Ländern täglich zum Kochen und für die Hausarbeit aufwendeten. Die Autorin der Studie setzte diese Daten in Beziehung zu den spezifischen Regelungen zur Elternzeit, also wie lang diese war und ob sie nur für Mütter oder auch für Väter zugänglich war. In Ländern, in denen die Elternzeit generell lang war, unabhängig davon ob sie für einen oder beide Elternteile vorgesehen war, verbrachten die Väter weniger Zeit mit Kochen und die Mütter mehr Zeit mit Hausarbeit. In Ländern, in denen es einen expliziten Vaterschaftsurlaub gab, verbrachten die Mütter weniger Zeit mit Kochen.

Verbringen die Väter mehr Zeit mit ihren Kindern?

Hier ist die Antwort generell: Ja. Eine Studie aus dem Jahr 2013 untersuchte Daten aus den Jahren 1971 bis 2005 in acht Industrienationen und verglich sie mit den länder-spezifischen Regelungen zur Elternzeit. Das Resultat: Je mehr Urlaubswochen den Vätern zur Verfügung standen und je höher der Erwerbsersatz, desto mehr Zeit verbrachten die Väter auch tatsächlich mit Kinderbetreuung. Bekamen die Eltern einen hohen Erwerbsersatz, verbrachten die Väter fast eine Stunde mehr pro Woche mehr mit ihrem Kind, als wenn sie unbezahlten Vaterschaftsurlaub bezogen. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei Vätern mit hohem Bildungsniveau.
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Dass die Papi-Zeit die Nähe zwischen Kind und Vater erhöhen kann, zeigt auch die oben genannte Studie zu den zwei Vätermonaten in Deutschland: auch nach dem Vaterschaftsurlaub verbrachten die Väter dort mehr Zeit mit ihren Kindern. Im Schnitt waren es eine Stunde mehr Papa-Kind-Zeit pro Werktag.

In den USA gibt es zwar keine Elternzeit. Eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigte aber, dass die Mehrheit der Väter nach der Geburt ihres Kindes trotzdem in irgendeiner Form Ferien nehmen. Dabei handelte es sich in 62 Prozent der Fälle um eine Woche oder weniger, 36 Prozent nahmen zwei Wochen oder mehr frei. Auch hier zeigte sich: Väter, die einen längeren selbst-organisierten Vaterschaftsurlaub machten, waren auch nach neun Monaten noch stärker in der Kinderbetreuung engagiert.

Führt der Vaterschaftsurlaub dazu, dass die Väter danach effektiv weniger arbeiten?

Ja. Eine Studie aus der EU kommt zu dem Schluss, das Väter generell weniger arbeiten, wenn sie in Ländern leben, die gutbezahlten Vaterschaftsurlaub anbieten. Dies gilt besonders für Väter mit niedrigem Bildungsstand. Auch die Daten aus Deutschland zeigen, dass Väter nach dem Vaterschaftsurlaub innerhalb eines Jahres insgesamt drei Stunden weniger pro Woche mit bezahlter Arbeit verbrachten. Väter, die im gleichen Zeitraum keinen Vaterschaftsurlaub nahmen, erhöhten ihre Arbeitszeit hingegen um etwa eine Stunde pro Woche.

Die Soziologin Mareike Bünning vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat sich ausführlich mit den Auswirkungen der deutschen Familienpolitikreform aus dem Jahr 2007 und der Einführung der Vätermonate beschäftigt. Sie sagt im Gespräch mit higgs: «Bei der beobachteten Reduktion der Arbeitszeit der Väter handelt es sich meist nicht um einen Wechsel in Teilzeit.» Vielmehr machten die Väter weniger Überstunden. «Die Stundenverringerung könnte auch einfach eine Effizienzsteigerung bedeuten und nicht eine Abnahme der Produktivität.» Wie sich diese Verringerung gesamtwirtschaftlich auswirkt – dazu liegen keine Daten vor. «Aus Deutschland wissen wir, dass die Mütter seit der Einführung der Vätermonate früher wieder ins Berufsleben einsteigen.» Im Grossen und Ganzen kompensiere dies vielleicht die Verringerung der väterlichen Arbeitszeit.

In Bezug auf die in der Schweiz vorgesehenen zwei Wochen Vaterschaftsurlaub sagt Soziologin Bünning: «Dieser Zeitraum ist wahrscheinlich zu kurz, um Routinen in der Paarbeziehung zu durchbrechen.» Aber abgesehen davon, dass diese Zeit förderlich für die Vater-Kind-Bindung sein könne, habe selbst ein kurzer Vaterschaftsurlaub eine gesellschaftliche Signalwirkung. «So wird es normalisiert, dass Väter sich um Kinder kümmern und es beginnt ein Umdenken zu der Frage, welche Rolle Väter eigentlich in der Gesellschaft spielen.»

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