Das musst du wissen

  • Wildgräser kürzen bei der Evolution ab und nehmen Gene von anderen Arten durch horizontalen Gentransfer auf.
  • Dass Gentech-Pflanzen so ihre Gene weitergeben, sei aber unwahrscheinlich, sagt Gentechnik-Experte Beat Keller.
  • Ausserdem sei das Risiko für unerwünschte Gentransfers bei herkömmlich gezüchteten Kulturpflanzen ebenso gross.

Herr Keller, laut einer neuen Studie nehmen Wildgräser in grossem Stil ganze Gene von anderen Gräsern auf. Haben wir es hier mit einem ganz neuen Mechanismus der Evolution zu tun?
Nein. So überraschend waren die Ergebnisse nicht, es gab schon früher Studien mit Hinweisen auf horizontalen Gentransfer bei Pflanzen. Die Studie enthält nun aber neue und umfassendere Analysen. Die neue Untersuchung beschreibt den horizontalen Gentransfer für eine eingeschränkte Gruppe von Pflanzen. Er wurde vor allem innerhalb einer einzigen Unterfamilie von Gräsern beobachtet, bei mehrjährigen Arten, die Erdsprosse bilden. Wie die Aufnahme genau funktioniert, ist nicht bekannt, darüber kann man nur Vermutungen anstellen.

Die Forscher haben aber auch gezeigt, dass ein Wildgras Gene von Mais aufnehmen kann. Mais wird sehr breit angebaut – auch gentechnisch veränderter. Könnten seine Resistenz-Gene plötzlich in Wildgräser gelangen?
Ja, theoretisch schon. Aber man darf nicht die Zeiträume der Evolution mit den Zeiträumen in der modernen Landwirtschaft durcheinanderbringen. Die Studie fand ein paar Dutzend solcher Gentransfers – die jüngsten davon geschahen vor ungefähr zwei Millionen Jahren. Dass sich so übertragene Gene wirklich ins Genom integrieren ist also sehr, sehr selten und höchst unwahrscheinlich.

Beat Keller

Gentechnik-Experte


Beat Keller ist Professor am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich. Hier arbeitet er unter anderem daran, Weizen mit gentechnischen Methoden besser vor Pilzkrankheiten zu schützen.

Trotzdem kann es passieren. Und genau davor warnen Gentechnik-Gegner seit Jahrzehnten. Haben diese nicht Recht behalten?
Nein, das denke ich nicht. Erstens wurde ein solcher Transfer bei all den Studien, die bisher mit genveränderten Pflanzen gemacht wurde, nicht nachgewiesen. Wenn es um Risikobeurteilungen geht, bleibt die Auskreuzung von Eigenschaften durch Pollenflug weiterhin die wichtigste Möglichkeit des Gentransfers. Zweitens könnte ein horizontaler Gentransfer, falls er denn stattfindet, auch mit Genen passieren, die aus konventionell gezüchteten Pflanzen stammen. Durch herkömmliche Kreuzungsmethoden werden Insektenresistenzgene aus Wildarten in Kulturpflanzen eingebracht. Das Risiko, dass sich solche Gene dann in andere Wildpflanzen verbreiten, ist für Gentech-Pflanzen und konventionell gezüchtete Pflanzen genau gleich hoch.

Aber die Forschenden sagen ja in einer Medienmitteilung der Uni Bern selber, dass eine weitere Erforschung dieses Mechanismus unkontrollierte Genübertragung aus Gentech-Pflanzen verhindern könnte.
Das ist wohl eher Wissenschaftsmarketing. Denn es gäbe ja nur etwas zu verhindern, wenn ein solcher Transfer auch nachweislich passieren würde. Und die Studie selbst macht zu gentechnisch veränderten Pflanzen gar keine Aussage. Meiner Meinung nach wird hier mit den Ängsten und der Skepsis der Menschen gespielt, um Interesse in der Öffentlichkeit für diese Studie zu generieren. Und das hat ja auch funktioniert, wie man an unserem Gespräch sieht.

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