Das musst du wissen

  • Wie hat sich die Religiosität der Menschen in der Schweiz seit 1930 verändert? Dazu gibt es eine neue Untersuchung.
  • Sie besagt: Jede neue Generation ist etwas weniger religiös als die vorhergehende.
  • Säkularisierung folgt meist einem klaren Muster. Als Erstes gehen die Menschen weniger in die Kirche.

Weihnachten naht, doch die Kirchen bleiben vielerorts leer. Was hat es damit auf sich? Um dies herauszufinden, haben Forscher Aussagen von mehreren tausend befragten Personen in der Schweiz zu ihrer Glaubensüberzeugung und ihrer religiösen Praxis analysiert. Ihre Studie zeigt: Wie oft die Menschen wöchentlich in die Kirche gehen, hat seit den 1980er-Jahren kontinuierlich abgenommen. Jede Generation besucht weniger häufig einen Gottesdienst als die vorherige.

Für ihre Untersuchung nutzten die Forscher Umfragedaten, die zwischen 1988 und 2018 bei mehr als 30 000 Individuen in der Schweiz erhoben wurden, und die bis 1930 zurückgehen. Als Grundlage dienten ihnen drei Datensätze: Die ältesten stammen aus einer Umfrage, die 1988/1989 zum Thema Religion in der Schweiz durchgeführt wurde. Weiter wurden Umfrageergebnisse aus den Jahren 1998, 2004, 2008 und 2018 beigezogen. Zudem wurden Antworten aus fünf verschiedenen Umfragen zum Kirchgang und zur religiösen Zugehörigkeit für die Schweiz verwendet.

Science-Check ✓

Studie: Generationen abnehmenden Glaubens: Religion und Säkularisierung in der Schweiz 1930-2020KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Ergebnisse der Studie basieren auf Daten früherer Untersuchungen, die von anderen Forschern erhoben wurden. Es konnte ein sehr grosser Datensatz von Personen zwischen 18 und 85 Jahren genutzt werden, der fast ein Jahrhundert abdeckt. Limitiert ist die Studie durch die begrenzte Anzahl der Indikatoren für Religiosität. Auch sind Angehörige nicht-christlicher Religionen aus der Analyse ausgeschlossen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Für ihre Analyse rückten die Lausanner Forscher drei Fragen ins Zentrum: Wie hat sich die christliche Religiosität in der Schweiz im Zeitverlauf entwickelt? Wie viel der Veränderung ist auf Generationeneffekte zurückzuführen? Und gibt es Anzeichen für die oft zitierten Thesen einer religiösen Krise der 1960er-Jahre, jener des «glauben, aber nicht mehr zugehören» sowie einer spirituellen Revolution?

Die Ergebnisse der Untersuchung: Die Autoren widerlegen die These, wonach es keine generelle Abnahme von Religiosität, sondern vielmehr einen Wandel der religiösen Formen gäbe. Wie sie festhalten, ist ein wachsender Anteil der Leute nicht nur aus den Kirchen ausgetreten, sondern hat auch das individuelle Beten aufgegeben. Zwischen 1988 und 2018 ging der Anteil der täglich Betenden von 43 auf 14 Prozent der Befragten zurück. Gottesglaube und Glaube an die Bibel haben ebenfalls abgenommen – auch hier liegt der Grund darin, dass auf religiösere Generationen weniger gläubige folgten. Dieser Prozess verläuft laut den Autoren in der Regel nach folgendem Muster: Als Erstes gehen die Menschen weniger in die Kirche. Danach nimmt der Glaube ab, und zuletzt sinkt die Konfessionszugehörigkeit.

Die beiden Forscher fanden keine Hinweise für eine holistisch-spirituelle Revolution der Religion. Die Bedeutung von spiritueller Heilung oder Wahrsagern hat im Zeitverlauf nicht zu-, sondern abgenommen. Die Religiosität entwickelt sich in der Schweiz sehr ähnlich wie in den meisten westlichen Ländern. Die Säkularisierung entsteht zu einem wesentlichen Teil, weil auf religiöse Generationen solche abnehmenden Glaubens folgen. Offen bleibt, wie man jüngere Menschen wieder vermehrt in die Kirchen locken kann. Damit in die Gotteshäuser wieder mehr Leben einkehrt – nicht nur an Weihnachten.

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