Globi, man sagt, Deine Bücher fehlen in keinem Schweizer Kinderzimmer. Aber die Kinder von heute wissen wohl kaum, woher Du eigentlich kommst.
Ganz einfach:
Ein Ei liegt still verlassen da,
tief in der Wüste Sahara.
Der Tag ist heiss, die Sonne sengt,
Kri-Krack! Die Schale ist gesprengt!

Ja, ja. So begann 1932 die erste Kurzgeschichte mit Dir. Es gibt aber noch diverse andere Versionen zu Deiner Herkunft. Einmal ist eine Mama-Globi dabei, ein andermal erweckt ein Pirat mit einem Zaubertrank eine gezeichnete Globi-Figur zum Leben.
Es gibt auch die Geschichte, wo ich mich ganz alleine aus einer Zeichnung befreie. Oder jene, wo ein Papagei hinten in einen Bleistift schlüpft und nach einigen Strichen vorne als Globi rauskriecht.

Wie auch immer, es ranken sich also viele Legenden um Deine Geburt; aber wie…
Legenden sind doch gut. Ich bin ja selbst eine.

Die Geschichte Misslungener Überfall aus dem ersten Band Globis Weltreise 1935Globi-Verlag

Die Geschichte Misslungener Überfall aus dem ersten Band Globis Weltreise 1935.

Tatsächlich bist Du eine legendäre Comic-Figur. Aber im Ernst: Wie bist Du wirklich entstanden?
Also gut, ich gebe es zu: Ein Mensch hat mich erfunden. Das Warenhaus Globus feierte 1932 sein 25-jähriges Bestehen und der Chef der Reklame-Abteilung, Ignatius Karl Schiele, suchte einen Werbeträger, den auch Kinder cool finden. Schiele traf den 19-jährigen Robert Lips, der in Winterthur Architektur studierte, hin und wieder Karikaturen zeichnete und einige Werbeplakate entworfen hatte; zum Beispiel jenes für das Internationale Leichtathletikmeeting in Zürich, das übrigens erst 1997 ersetzt worden ist. Lips selbst war auch sehr sportlich: militärischer Fünfkämpfer. 1936 war er für die Olympiade in Berlin angemeldet, doch brach er sich kurz davor ein Bein. 1948 war er die Schweizer Hoffnung an der Olympiade in London, musste aber wegen einer Muskelzerrung aufgeben.

Globi-Archiv Beat Frischknecht, Zürich

Sie suchten für das Globus-Jubiläum einen Festonkel – und fanden
Globi: Reklameleiter J. K. Schiele…

Globi-Archiv Beat Frischknecht, Zürich

…und Zeichner Robert Lips.

Äxgüsi, Globi, können wir zurück zu Deiner Entstehungsgeschichte?
Klar, es geht ja um mich. Also: Schiele und Lips haben sich die Figur eines blauen Papageis ausgedacht. Ganz am Anfang sah ich übrigens noch viel mehr aus wie ein Vogel und hatte einen furchtbar komplizierten Namen: Kimbukku. Zum Glück hat das dem damaligen Verkaufsleiter der Basler Filiale gar nicht gefallen. Weil man den Globus in Basel «Globi» nennt, schlug er Globi als Namen vor. Das hat alle überzeugt. Die Kinder waren sofort hell begeistert von mir. Deshalb bin ich dann nicht nur im Jubiläumsverkauf erschienen, sondern fortan auch in der Globus-Zeitung.

Also bist Du eigentlich eine Werbefigur.
Ich bitte Dich! Ich bin ganz wichtig für die Kinder. Ich bin ein Star für sie.

Na, ja. Bescheidenheit war noch nie Deine Stärke.
Nein, wirklich: Die Kinder liebten mich von Beginn weg, weil ich so lustig bin und natürlich auch, weil ich manchmal etwas frech bin. Sie begannen, mir Briefe zu schreiben. Der Globus musste eigens jemanden einstellen, der für mich antwortete.

Wo immer Globi auftritt, wird er von Kindern umschwärmt. Hier an den Zürcher Flugtagen auf der Wollishofer Allmend (1948).Globi-Archiv Beat Frischknecht, Zürich

Wo immer Globi auftritt, wird er von Kindern umschwärmt. Hier an
den Zürcher Flugtagen auf der Wollishofer Allmend (1948).

Und dann bekamst Du sogar Dein eigenes Buch. Schiele soll das gewollt haben, weil es in den 1930er-Jahren in der Deutschschweiz nur wenige fröhliche Kinderbücher gab – die meisten kamen aus dem nationalsozialistischen Deutschland und waren entsprechend braun gefärbt . . .
Also von Politik verstehe ich nichts. Ich weiss nur, dass 1935 mein erstes Buch Globis Weltreise erschien. Kurz darauf – ich erinnere mich noch ganz genau, es war der 7. Januar 1936 – wurde in Schwerzenbach der erste Globi-Club gegründet. Bis 1952 kamen in der ganzen Schweiz noch rund 700 solche Clubs dazu, sie zählten mehr als 9000 Mitglieder. Die waren ähnlich wie die Pfadfinder: jeden Tag eine gute Tat und so, dazwischen aber auch mal auf den Putz hauen. Wie ich eben. Als ich 1946 beim Zürcher Sechseläuten in einer Kutsche im Umzug mitfuhr, kam es zu regelrechten Massenaufläufen. So was erlebt man heute wohl nur noch bei der Street Parade. Auch meinen Auftritt 1950 beim Zürcher Flugtag und die Teilnahme am Fasnachtsumzug werde ich nie vergessen. Die Kinder kreischten und liefen mir nach. Es war völlig crazy, wie man heute sagen würde.

Geburt der Legende: Erstes Plakat des 19-jährigen Robert Lips für das erste Jugend-Meeting im Globus (1932). Als der Rummel überhand nahm, mussten die Treffen gestoppt werden.Globi-Archiv Beat Frischknecht, Zürich

Geburt der Legende: Erstes Plakat des 19-jährigen Robert Lips für das erste Jugend-Meeting im Globus (1932). Als der Rummel überhand nahm, mussten die Treffen gestoppt werden.

Bei Deinem steilen Aufstieg hatte aber auch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine Rolle gespielt – nicht wahr?
Ja, das war schlimm. In dieser Zeit wollte der Herr Schiele etwas für die Gemeinschaft tun. So wurde er Mitbegründer der Tatgemeinschaft der Schweizerischen Jugend, einer Organisation zur Abwehr nationalsozialistischer, faschistischer und kommunistischer Infiltration der Schweiz. Später wurde er auch Vorstandsmitglied der katholischen Volkshochschulen des Kantons Zürich und gehörte zu den Gründern der Paulus Akademie in Zürich. Er hat mein Potenzial erkannt und dem General Guisan einen Brief geschrieben, um ihm Unterstützung anzubieten.

Wie kann denn eine Comic-Figur einem General helfen?
Ich habe einen Beitrag zur geistigen Landesverteidigung geleistet. Ich habe den Kindern die Welt zur Zeit des Krieges gezeigt. Mit Wie Globi Bauer wurde oder in Globi wird Soldat.

Also warst Du ein Propagandamittel.
Also wirklich! Ihr Journalisten zieht immer alles ins Negative!

Sei doch nicht so empfindlich, Globi. Ich mag Dich ja. Habe in meiner Kindheit selbst viele Deiner Bücher gelesen. Einige davon hatte schon mein Vater als Kind gehabt. Damals haben mir die Geschichten einfach gefallen; heute erkenne ich aber, dass da sehr viel erzieherische Absicht dahinter steckt.
Der Herr Schiele war halt ein sehr pädagogischer Mensch. Im Vorwort zum 1943 erschienenen Globis Siege und Niederlagen schreibt er: «An Globi […] soll gezeigt werden, dass man auch in jungen Jahren nicht alles tun darf […]. Übertreibungen, Unbeherrschtheiten, falsche Gesinnung, böser Wille oder gar ungerechtes Handeln erfahren ihre […] Rüge oder Strafe. Aber nicht mit wirkungsloser, gouvernantenhafter Belehrung, sondern mit Geist und Humor. Und so möchte Globi […] zum liebenswürdigen Erzieher seiner jungen Freunde werden.»

Die Harmonie zwischen Herausgeber Schiele und Zeichner Lips währte aber nicht ewig.
Ja, das stimmt. Ende der 1960er-Jahre verstanden sich die beiden nicht mehr. Lips hörte auf, mich zu zeichnen; er hatte sowieso immer etwas Höheres im Sinn. Nach seinem Abgang behalf sich der Verlag mit zusammengeklebten Bildern. Das war grauenhaft. Es ging erst wieder aufwärts, als ein neuer Zeichner kam.

Es gab noch weitere düstere Momente in Deinem Leben. In den 1970er-Jahren wurdest Du heftig angefeindet. Du seist sexistisch, hiess es, kolonialistisch und rassistisch. Weil in Deinen Büchern zum Beispiel immer die «Neger» die Dummen seien.
Herrjee, jetzt kommst Du auch noch mit dem! Wie alt muss ich noch werden..?

Globi, Du musst Dich Deinen Fans erklären.
Also gut: Mit der Kritik begonnen hat ein Schriftsteller: Gerold Späth. 1971 war das, als er in der Sendung Tatsachen und Meinungen des Schweizer Fernsehens ein wahres Anti-Globi-Pamphlet verlas. Das könnte ja eine Ehre für mich sein, wenn sich so ein berühmter Autor mit mir beschäftigt. Aber er hat eine Lawine der Kritik losgetreten. Plötzlich waren alle irgendwie gegen mich. Na, gut, ich sehe ein, dass es nach heutigem Verständnis nicht korrekt ist, wenn ich mit den Halsringen eines Eingeborenen in Afrika ein Wurfspiel mache. Aber man muss das verstehen: Ich bin auch nur ein Kind meiner Zeit. Damals waren gewisse Dinge okay, die es heute nicht mehr sind. Darum haben wir ja auch einige Bücher umgezeichnet. Heute kann ein Weisser Schuhputzer sein und ein Dunkelhäutiger intelligent. Früher habe ich übrigens auch geraucht – und zwar nicht zu knapp, was heute natürlich nicht mehr geht, wenn man ein Vorbild für die Kinder sein will.

Du sagst, Du seist manchmal frech. Andere sagen, Du seist eher brav, ein konservativer Bünzli gar.
Schon wieder so eine Behauptung…

Bitte, Globi, ich will bloss wissen, ob Du konservativ bist.
Überhaupt nicht. Ich beweise immer wieder, dass ich modern bin. Zum Beispiel, indem ich neue Medien ausprobiere. Heute das Internet. Aber schon in den 1950er-Jahren, als in der Schweiz Volksabstimmungen zur Einführung des Fernsehens anstanden. Da hat der Globus zusammen mit mir und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich mehrere Sendungen produziert, die an Ausstellungen gezeigt wurden. Auf diese Weise haben Zehntausende Schweizer zum ersten Mal Fernsehen erlebt und konnten sich selbst ein Bild von diesem umstrittenen neuen Medium machen. Wir haben mit einem Pionier des Werbe- und Zeichentrickfilms zusammengearbeitet: Julius Pinschewer, der schon 1910 in Berlin den Werbefilm als «lebendes Plakat» zum Patent angemeldet hatte. Doch mein erster Film – der war ja nur wenige Minuten lang – hat dann bei der Leitung von Globus gar keine Begeisterung ausgelöst. Erst 1985 – stell Dir vor: bis zu meinem 50. Geburtstag musste ich darauf warten! – hat das Schweizer Fernsehen den Streifen gezeigt. Ist doch gemein!

Ja, ist es.
Dass ich nicht konservativ bin, zeigen auch die Bücher, die ich so ab den 1990er-Jahren mache. Ich interessiere mich da für Umwelt- und Tierschutz, für die Post, die Bahn, die Feuerwehr und die Rettungsflugwacht. Das sind alles moderne Themen. Die Bücher werden sogar in Schulen eingesetzt.

Da zeigt sich gleich ein weiteres Problem: Früher warst Du politisch inkorrekt; aber heute kann man Dich kaufen, um mit Dir zu werben.
Nein, kann man nicht! Wenn ich mit Partnern zusammenarbeite, fliesst nie Geld. Die stellen mir ihre Informationen zur Verfügung und ich gehe damit auf eine Entdeckungsreise. Das tue ich übrigens nicht mit jedem.

Mit wem denn nicht?
Zum Beispiel mit einem Pharmakonzern.

Was ist denn daran besser, wenn Du Dich mit Biobauern einlässt wie im neusten Band?
Ich bin eben dafür, dass es den Tieren und Pflanzen gut geht und darum finde ich es wichtig, dass wir der Umwelt Sorge tragen.

Hat dein Erfolg auch Neid provoziert?
Neid? Sicher Nachahmer. Nestlé hat 1936 auch einen Kinderclub gegründet. Der funktionierte zwar nicht wie die Globi-Clubs, sondern bot Freizeitaktivitäten wie Filmnachmittage und so. Er existierte bis 1956 und zählte zu seinen besten Zeiten über 100 000 Mitglieder. Auch andere versuchten es. Zum Beispiel der Ringier-Verlag in Zofingen. Zwischen 1950 und 1970 gab er die Abenteuer von Ringgi und Zofi heraus. Mit Bea-Punkten bekam man Bücher von Käptn Beo, und das Banago-Schokoladenpulver schuf den Nagoli. Das war alles bei mir abgeguckt: dasselbe Versmass, sechs Bilder pro Seite. Doch keines hatte meinen Erfolg.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Was läuft eigentlich mit Globine, die in Deinem jüngsten Buch auftaucht? Ein nettes Mädchen.
(Globi wird verlegen) Finde ich auch. Sie hatte ja schon mal eigene Bücher. Viele Leute glaubten, sie sei meine Schwester, was sie eben nicht ist. Aber weil ihre Bücher nicht gut liefen, hat der Verlag sie 1996 vom Markt genommen. Doch, wie Du sagst, bin ich ihr jetzt kürzlich begegnet. Ich hoffe, ich sehe sie bald wieder.

Das Interview mit Globi basiert auf Gesprächen mit der Leiterin des Globi-Verlags, Gisela Klinkenberg und der Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Ingrid Tomkowiak von der Universität Zürich.
Dieses Porträt stammt aus dem Buch «Zürcher Pioniergeist» (2014). Es porträtiert 60 Zürcherinnen und Zürcher, die mit Ideen und Initiative Neues wagten und so Innovationen schufen. Das Buch kann hier bestellt werden.
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