Das musst du wissen

  • Je nachdem, welchen Namen ein neues Fleischprodukt trägt, verbinden wir es entweder mit «Ekel» oder «Natürlichkeit».
  • Im Labor hergestelltes Fleisch ist bei Konsumenten beliebter, wenn «clean meat» statt «lab grown meat» heisst.
  • Grund dafür ist unser autonomes Denken. Dabei entscheiden wir nicht nach Fakten, sondern anhand simpler Daumenregeln.

Der Fisch «Patagonian toothfish», zu deutsch etwa Patagonischer Zahnfisch, hat auch einen anderen Namen: «Chilean sea bass», also Chilenischer Wolfsbarsch. Zwei Namen, ein Fisch – aber unterschiedliches Kaufverhalten: Denn der Chilenische Wolfsbarsch kommt bei den Käufern viel besser an. Der Name macht das Produkt.

Das gilt auch für ein Nahrungsmittel, das noch gar nicht auf dem Markt ist: Fleisch, das im Labor hergestellt wurde. Es wird aus wenigen Muskelzellen gezüchtet, bedarf also keiner Schlachtung. Und es gilt als klimafreundlich, da es die herkömmliche Fleischproduktion mit ihren Treibhausgasen ersetzten soll.

In einer Studie, die vor kurzem im Fachblatt Appetite veröffentlicht wurde, untersuchten Psychologinnen und Psychologen, wie sich verschiedene Namen für dieses Fleisch auf die Akzeptanz durch Konsumenten auswirkten. Dazu teilten sie 185 Studienteilnehmenden in vier Gruppen ein und liessen diese jeweils vier Namensvorschläge einschätzen: clean meat, cultured meat, animal free meat und lab grown meat. Also: sauberes Fleisch, kultiviertes Fleisch, tierfreies Fleisch und im Labor hergestelltes Fleisch.

Science-Check ✓

Studie: What’s in a name? Consumer perceptions of in vitro meat under different namesKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsWelche Assoziationen man zu den verschiedenen Produktbezeichnungen hat – was zum Beispiel eine Assoziation mit Ekel auslösst – hängt sicher auch mit der kulturellen Prägung oder dem Bildungsstand zusammen. Diese Faktoren haben die Autoren nicht berücksichtigt.Mehr Infos zu dieser Studie...

Ergebnis: Diejenigen, die «clean meat» und «animal free meat» einschätzen sollten, hatten positivere Assoziationen mit dem Produkt, als diejenigen in der «lab grown meat»-Gruppe. Der Name «cultured meat» lag im Mittelfeld.

Mit sauberem Fleisch wurde mit Gesundheit und Natürlichkeit assoziiert. Mit Labor-Fleisch hingegen wurde Unnatürlichkeit und Ekel in Verbindung gebracht.

Dieser Befund wird gestütz durch eine Studie der ETH, die 2017 zu dem Ergebnis kam, dass die Akzeptanz des neuartigen Fleischersatzes davon abhängt, wie sehr Konsumenten es als «natürlich» wahrnehmen.

Das liege daran, wie wir Entscheidungen fällen, erklärt die Sozialwissenschaftlerin Angela Bearth, die an der ETH Zürich das Verhalten von Konsumentinnen und Konsumenten erforscht. Denn wir denken auf zweierlei Arten: im analytischen und im automatisierten Denksystem. «Wenn wir im Supermarkt stehen, wenig Zeit und wenige Informationen haben, dann fällen wir Entscheidungen oft über das automatisierte Denken.»

Beim automatisierten Denken wiegen wir nicht verschiedene Fakten ab, sondern wir entscheiden anhand von Daumenregeln. «Und eine Daumenregel heisst: natürlich ist besser», sagt Bearth.

Die Marketingabteilungen kennen diese Daumenregel natürlich, aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten sie nutzen, sagt Bearth. «Wenn man eine neue Technologie entwickelt, muss man an diejenigen denken, die sie einmal nutzen sollen.» Insofern sei es wichtig, den richtigen Namen für den neuartigen Fleischersatz zu finden. Dieser solle aber auch nicht verschleiern und irreführen. «Clean meat» lege nahe, dass anderes Fleisch unsauber sei. «Das geht sicher in die falsche Richtung», sagt Bearth. «Das ist reine Marketingsprache.»

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