Das musst du wissen

  • Der Handel mit Wildtieren ist durch das Washingtoner Abkommen geregelt. Es erlaubt auch den Verkauf bedrohter Arten.
  • Das soll sich gemäss den Autorinnen der aktuellen Studie ändern. Sie wollen jeglichen Handel verbieten.
  • Experten sehen dies kritisch. Denn der Handel ist auch positiv: Er trägt zum Erhalt von Arten und Lebensräumen bei.

Warum die Sache kompliziert ist. Reptilien sind wegen ihrer Häute oder als Haustiere begehrt. Der Handel mit ihnen dürften etwa 20 Prozent des gesamten Wildtierhandels ausmachen. Paradoxerweise hat der Handel mit diesen Wildtieren nach Ansicht vieler Experten aber auch eine positive Seite: Er sorgt für den Schutz vieler Arten und ihrer Lebensräume.

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Wie der internationale Handel mit Wildtieren reguliert ist. Es gibt eine Reihe von Regeln dazu:

  • Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES), auch Washingtoner Artenschutzübereinkommen genannt, kontrolliert und reguliert den Handel. Die betroffenen Arten sind in den Anhängen des Abkommens aufgeführt.
  • Für die Einfuhr, Ausfuhr oder Wiederausfuhr aller aufgelisteten Arten ist eine Genehmigung erforderlich. Diese muss von einem CITES-Unterzeichnerstaat ausgestellt sein.
  • Das Abkommen stützt sich auf die Rote Liste bedrohter Arten der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur (IUCN), sowie auf weitere wissenschaftliche Daten der Organisation.
  • Für Arten, die nicht in den Anhängen des Abkommens aufgeführt sind, ist der Handel legal, es sei denn, es gibt eine gegenteilige Gesetzgebung in einem Land. Letzteres trifft etwa auf Länder zu, aus denen Wildtiere häufig exportiert werden.

Ergebnisse der Studie. Die Autorinnen und Autoren haben im Internet automatisch nach dem Begriff «Reptilien zum Verkauf» in mehreren Sprachen gesucht. So identifizierten sie 151 Websites, die mit Reptilien handelten. Die Analyse dieses Datensatzes brachte folgende Ergebnisse:

  • Mindestens 3 943 Reptilienarten standen im Internet zum Verkauf.
  • 75 Prozent dieser Arten unterliegen nicht dem CITES-Abkommen.
  • Vermutlich wurden 90 Prozent der Reptilienarten und 50 Prozent der entsprechenden Individuen in freier Wildbahn gefangen.
  • Die Tiere stammten aus Biodiversitäts-Hotspots, also Gebieten, in denen die Zahl der lebenden Arten besonders hoch ist, vor allem in Asien (Vietnam), aber auch in Afrika und Südamerika, sagt die Hauptautorin der Studie Alice Hugues vom Conservation Biology Centre der Chinesischen Akademie der Wissenschaften im chinesischen Mengla.
  • Die Autoren und Autorinnen fordern, dass die Vorschriften umgekehrt werden, also dass jeder Handel a priori verboten ist. Ausgenommen sollen nur Arten sein, die nachweislich nicht durch Handel bedroht sind.

Alice Hugues, Hauptautorin der Studie:

«Das gegenwärtige Regelwerk setzt zwar gewisse Schranken, aber erlaubt generell den Handel mit vom Aussterben bedrohten Arten. Das ist inakzeptabel. Auch eine neu entdeckte Art darf legal verkauft werden, solange sie nicht von CITES klassifiziert wurde. Doch diese Klassifizierung dauert lange. Die Verkäufer sind meist schneller. Deshalb müssen wir die Zucht fördern und die Gesetzgebung umkehren, um jeglichen Handel gänzlich zu verbieten und nur Ausnahmen zuzulassen.»

Warum es nicht so einfach ist. Mehrere Experten warnen davor, die Situation vereinfachend zu betrachten.

  • Richard Thomas, Sprecher der NGO «Traffic», die sich auf die Überwachung des Handels und des Schmuggels von Wildtieren spezialisiert hat:

«Diese Studie legt nahe, dass der Handel systematisch schädlich für die Arten ist. Sie lässt die vielen Fälle aus, in denen ihnen der Handel zugutekommt, indem er eine Einkommensquelle für die Händler schafft und Anreize für den Schutz dieser Arten und ihrer Lebensräume bietet.»

  • Diese Ansicht teilt auch Daniel Natusch, Direktor von EPIC Biodiversity, einem Beratungsgremium der IUCN. Er spricht von «Erfolgsgeschichten des Wildtierhandels» und nennt dafür ein Beispiel:

«In Papua-Neuguinea wurden Krokodile gejagt, weil sie Menschen töten. Indem man einen Handel organisiert hat, welcher diesen Tieren einen Wert gab, wurde die Bevölkerung ermutigt, ihren Lebensraum zu schützen und ihre Anwesenheit zu tolerieren.»

  • Eine Umkehrung des CITES-Rechtsrahmens würde Betrug nicht verhindern, so Richard Thomas:

«Ein Grossteil des Betrugs beruht auf falschen Ursprungserklärungen, die den Anschein erwecken, ein Tier stamme aus einer Zucht (ab der zweiten Generation unterliegt ein Tier nicht mehr dem CITES, Anm. d. Red.), während es sich tatsächlich aber um einen Wildfang handelt. Dieses «Weisswaschen» würde unter keinem anderen rechtlichen Rahmen aufhören.»

Die Risiken. Würde eine Änderung der internationalen Vorschriften neue Risiken schaffen? Die Dokumentation und Überwachung des Artenhandels ist bereits innerhalb des CITES-Rechtsrahmen möglich. Die beiden Experten, die wir konsultiert haben, sind entschieden gegen die Idee, alles neu zu überdenken.

Verbesserungsmöglichkeiten. Was kann getan werden, um die Situation zu verbessern?

Die NGO «Traffic» schlägt die Einführung von CITES-Genehmigungen in elektronischer Form vor, um die Rückverfolgbarkeit zu erleichtern und so die Überwachung des Handels effektiver zu gestalten. Ebenso könnten viele Länder ihre Vorschriften verschärfen. Denn diese wirken derzeit kaum abschreckend auf den Reptilienhandel.

  • Alice Hughes mahnt Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die neue Arten entdecken oder wiederentdecken, zur Vorsicht. Sie könnten mit ihrer Arbeit indirekt zur kommerziellen Ausbeutung der Arten beitragen.

«Wird eine Art in einem wissenschaftlichen Artikel allzu genau beschrieben, so bietet dies den Ausgangspunkt für die kommerzielle Nutzung. Das geschieht noch bevor beurteilt wird, wie bedroht eine Art ist.»

  • Richard Thomas stimmt dem zu:

«Es stimmt, dass der Standort einer Art eine wertvolle wissenschaftliche Information ist. Aber zu viele Details anzugeben, setzt einen Preis auf den Kopf dieses Tieres und provoziert einen Ansturm von Sammlern und Züchtern.»

  • Dies geschah zum Beispiel mit einer Eidechsen-Art aus Borneo. Unmittelbar nach der Veröffentlichung eines Artikels über eine wissenschaftliche Expedition Ende 2012 in der japanischen Fachzeitschrift «Herp Life» erschien das Tier auf einer Online-Verkaufsseite. «Traffic» deckte auf, dass dann innerhalb weniger Monate mindestens vierzig Exemplare gefangen wurden – dreimal mehr als die Anzahl der Individuen, die in den acht Jahrzehnten nach seiner Beschreibung 1878 beobachtet wurden. Der Sprecher der NGO Thomas sagt:

«Und das passiert nicht nur bei Tieren. Deshalb wurden die Standorte von zwei neuen Orchideenarten, die in Nordvietnam entdeckt wurden, nie veröffentlicht, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.»

Die aktuelle CITES-Rangliste. Die in dieser internationalen Konvention geregelten Arten sind in einem von drei Anhängen aufgeführt, je nach dem Grad des Schutzes, den sie erhalten.

  • Anhang 1 (am stärksten gefährdete Tierarten, Handel zu Gewinnzwecken verboten) führt 687 Tierarten auf, darunter 98 Reptilien.
  • Anhang 2 (Arten, die durch unregulierten Handel bedroht sein könnten) listet 5 056 Tierarten auf, darunter 777 Reptilien.
  • Anhang 3 (Arten, die von einem Land geschützt werden, das zur Beschränkung des Handels die Unterstützung anderer Länder beantragt) führt 202 Tierarten auf, darunter 79 Reptilien.
Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Unsere Autorin Cornelia Eisenach hat ihn aus dem Französischen übersetzt.

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Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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