Das musst du wissen

  • Elon Musks Firma Neuralink will bereits 2020 ein Mensch-Maschine-Interface am Menschen testen.
  • Dieses besteht aus Elektroden und einem Chip, die in das Gehirn eingepflanzt werden und einem Prozessor hinter dem Ohr
  • Dadurch werden sich neue ethische Probleme ergeben – zum Beispiel bezüglich Privatsphäre.

Alleine mittels Gedanken das Smartphone bedienen und das Gehirn mit einem Computer zu verbinden: Dies ist das erklärte Ziel von Elon Musks Firma Neuralink. Doch er geht weiter: Am Ende will Musk menschliche Gehirne mit künstlicher Intelligenz verbinden und so «übermenschliche Intelligenz» schaffen. So soll die aus seiner Sicht bedrohliche Überlegenheit Künstlicher Intelligenz über den Menschen verhindert werden.

Kürzlich hat er präsentiert, wie die Firma dies erreichen will. Elektroden sollen in das Hirn eingepflanzt und mit einem implantierten Chip verbunden werden. Dadurch soll es möglich sein, über einen Prozessor, der hinter dem Ohr sitzt, kabellos mit dem Handy zu kommunizieren. Die Elektroden-Fäden sollen dünner sein als ein Haar und über einen extra dafür entwickelten Roboter so eingepflanzt werden, dass kein Blutgefäss getroffen wird. Dafür bohrt der Roboter kleine Löcher in die Schädeldecke.

Musk will Ende 2020 mit Tests am Menschen beginnen – sofern er von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA die Erlaubnis bekommt. Was bedeuten Musks Pläne? Der Neuroethiker Markus Christen, Geschäftsführer der Digital Society Initiative der Universität Zürich und Leiter der «Neuro-Ethics-Technology» Forschungsgruppe am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte, gibt Antworten.

Herr Christen, werden wir Handys bald mittels Gedanken steuern können?

Neuralink braucht offenbar einen invasiven Eingriff. Würde das gleich funktionieren wie zum Beispiel die Tiefe Hirnstimulation, bei der ebenfalls Elektroden in das Hirn implantiert werden, muss der Schädel aufgebohrt werden. Dies passiert beim halbwachen Patienten. Ich bezweifle, dass es viele Menschen gibt, die einen solchen Eingriff über sich ergehen lassen wollen. Das sind die Fantasien von Elon Musk.

Sind nicht invasive Methoden eine Alternative?

Es gibt Mensch-Maschine-Interfaces, die auf der Kopfhaut aufliegen. In der Gaming-Branche nutzt man das bereits, meist als Spielerei. Wenn die Hirnströme ausserhalb des Schädels gemessen werden, sind die Signale aber viel weniger stark. Gezielte Messung und Steuerung ist schwierig. Überhaupt ist es nicht so einfach, die Hirnströme zu decodieren.

Weshalb?

Es lassen sich ja nicht eins zu eins Wörter aus dem Gehirn ablesen sondern bloss Signale, welche zum Beispiel die Muskulatur steuern. Bei Locked-in-Patienten, die nicht reden können, wurden Mensch-Maschine-Interfaces bereits eingesetzt. Die Patienten mussten lernen, was sie denken mussten, damit das Gehirn ein gewisses Signal generierte. Die Kommunikation funktioniert nur sehr rudimentär.

Vielleicht müsste man in Zukunft eine neue Art zu denken lernen, wie man auch schreiben lernt.

Das kann sein. Auch künstliche Intelligenz könnte diesen Lernprozess beschleunigen. Ich glaube aber nicht, dass sich Chips im Gehirn durchsetzen, wenn dies einen invasiven Eingriff bedeutet – denn dieser birgt immer auch Risiken.

Was sind denn die Risiken?

Zunächst ist da das Infektionsrisiko während des Eingriffs in das Gehirn. Dazu kommen mögliche technische Störungen oder leichte Hirnblutungen – bei fünf bis zehn Prozent kommt es zu solchen Komplikationen. Viel schwieriger einzuschätzen sind aber die Folgen im Gehirn, denn dieses ist extrem komplex. Wir wissen noch lange nicht alles. Das sieht man auch bei etablierten Therapien wie der Tiefen Hirnstimulation bei Parkinson-Patienten. Die Stimulation hilft in den meisten Fällen seht gut gegen die Symptome von Parkinson, kann aber in manchen Fällen noch ganz andere Effekte haben.

Wie sehen diese aus?

Manche Patienten werden euphorisch oder ihr Risikoverhalten ändert sich – was allerdings auch eine Nebenwirkung der Medikamente sein kann. Bei sehr wenigen Fällen kann man sogar von einer Persönlichkeitsveränderung sprechen. Man hat nun mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Tiefer Hirnstimulation für Parkinson – inzwischen weiss man recht gut, auf was man achten muss. Doch das braucht eben einen Lernprozess. Auch bei Neuralink wird man über einen viele Jahre dauernden Lernprozess gehen müssen.

Funktionieren Elektroden im Kopf überhaupt für längere Zeit?

Das kommt darauf an, welche Elektroden wo sitzen: Werden Elektroden zum Beispiel nicht wie bei der Tiefen Hirnstimulation in das Gehirn sondern in die Hirnrinde eingepflanzt, ist nicht klar, ob die Elektroden im Kopf über lange Zeit funktionieren. Es kann sich Narbengewebe bilden – dann sind die Signale viel schlechter registrierbar und es müsste wieder operiert werden.

Wenn es aber funktioniert – wird unser Gehirn dann überwacht?

Das Überwachungsproblem stellt sich ja schon heute, etwa wenn man unser Nutzerverhalten im Internet oder von Smartphones erfasst. Bereits so kann man enorm viel über uns herausfinden. Wenn wir nun unsere digitalen Geräte direkt via einen Chip im Hirn steuern würden, würde diese viele Signale aufnehmen können. Keine Ahnung, was man daraus alles lesen könnte. Das Problem der Überwachung würde wohl verschärft – und die Frage, wem die Daten gehören, würde zugespitzt.

Meine Gehirndaten gehören doch mir!

So einfach ist das nicht. Viele unserer Daten sagen immer auch etwas über andere aus. Daten aus den sozialen Netzwerken verraten das Privatleben ihrer Freunde, meine Gendaten lassen Rückschlüsse auf meine Geschwister zu. Gehirndaten enthalten auch unsere Interaktionen mit anderen. Viele Daten sind also nicht nur persönlich.

Wem gehören sie dann?

Es gibt grob gesagt zwei Varianten. Entweder, diese «sozialen Daten» gehören quasi allen und nicht nur den Unternehmen, die sie sammeln. Dann müssten diese Daten in anonymisierter Form öffentlich zugänglich sein. Oder es muss mit technischen und regulatorischen Mitteln sichergestellt werden, dass gewisse Daten gar nicht erst ausgewertet werden können. Welche Gehirndaten das aber wären, wissen wir im Moment noch nicht.

Diesen Beitrag haben wir ursprünglich für nau.ch geschrieben.

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