Das musst du wissen

  • Zwei Impfstoffkandidaten stehen in den USA wohl kurz vor der Zulassung. In der Schweiz werden sie derzeit geprüft.
  • Beide beruhen auf der mRNA-Technologie, die bisher noch nicht breit angewendet wurde.
  • Erste Ergebnisse zeigen eine ausserordentlich hohe Wirksamkeit von 95 Prozent und erwartbare Nebenwirkungen.
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Die Suche nach Impfstoffen gegen Covid-19 läuft auf Hochtouren. Im November haben zwei verschiedene Hersteller, Biontech und Moderna, erfolgversprechende Zwischenresultate zu ihren jeweiligen Impfstoff-Kandidaten verkündet. Bei beiden Impfstoffen handelt es sich um mRNA-Impfstoffe. Wir erklären hier alles wichtige zu diesen Impfstoffen.

Wie funktionieren mRNA-Impfstoffe?

Impfstoffe auf mRNA-Basis werden schon seit über zehn Jahren in der klinischen Forschung eingesetzt. Aber bisher gibt es noch keine zugelassenen Impfungen, die auf der neuen mRNA-Technologie beruhen. Bei dieser Technologie kommt der Botenstoff mRNA zum Einsatz und die Impfstoffe unterscheiden sich damit von herkömmlichen Vakzinen, die zum Beispiel Eiweisse enthalten.

Der Botenstoff liefert aber eine Art Bauplan für Eiweisse. Im Fall von Sars-CoV-2 handelt es sich um den Bauplan für das Stacheleiweiss des Virus. Wird der mRNA-Impfstoff injiziert, zum Beispiel in die Muskelzellen des Oberarms, so stellen die Muskelzellen mit Hilfe des Botenstoff-Bauplans das Stacheleiweiss des Virus her. Dieses erkennt der Körper als fremd und bildet dagegen Antikörper. Diese wiederum verhindern dann, dass das Virus an die Zellen in Nase und Rachen andocken und in sie eindringen kann. Der Mensch ist vor einer Infektion geschützt.

Ins menschliche Erbgut integrieren oder es verändern kann die mRNA des Impfstoffs dabei nicht. Nach der Immunisierung baut der Körper die Botenstoffmoleküle des Impfstoffs vollständig ab. «Je nach Injektionsart und -stelle nimmt der Abbau unterschiedlich viel Zeit in Anspruch», sagt der Immunologe und Impfstoffforscher-Forscher Steve Pascolo vom Universitätsspital Zürich. Man könne aber abschätzen, dass es maximal eine Woche dauere.

Was bedeutet ein 95-prozentiger Schutz?

Die Daten der beiden Vakzin-Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna wurden von unabhängigen Komitees ausgewertet. Der Biontech/Pfizer-Impfstoff ergab demnach einen 95-prozentigen Schutz vor Covid-19, eine Woche nachdem die Probanden die zweite Impfdose erhalten hatten. Der Moderna-Impfstoff schützte zu 94,5 Prozent, zwei Wochen nach der zweiten Dose. Zum Vergleich: Der Grippe-Impfstoff, der jedes Jahr neu formuliert wird, hat eine Wirksamkeit von 20 bis 80 Prozent, während der für Masern mehr als 97-prozentigen Schutz gibt.

Beide Firmen hatten je über 30 000 Probanden untersucht. Die Hälfte davon erhielt den Impfstoff, die andere Hälfte ein Placebo.

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Die Studien sind doppel-blind, das heisst, weder die Forschenden noch die Probanden wissen, welche der beiden Substanzen sie erhalten. Nachdem eine vordefinierte Anzahl von Probanden mit Symptomen an Covid-19 erkrankte, analysierten die Forschenden, wer von diesen Erkrankten eine Impfung und wer ein Placebo erhalten hatte. Bei Moderna hatten von 95 registrierten Covid-19-Fällen 90 das Placebo und 5 den Impfstoff erhalten. Daraus ergibt sich die Wirksamkeit von 94,5 Prozent. Bei Biontech/Pfizer waren 170 Fälle aufgetreten, von denen 162 auf die Placebogruppe und 8 auf die Gruppe der Geimpften entfielen, was eine Wirksamkeit von 95 Prozent ergibt.

Allerdings stammen diese Zahlen nur aus Pressemitteilungen, die Studien dazu wurden noch nicht veröffentlicht und noch nicht von Fachkollegen begutachtet. Die Firmen wollen vor einer endgültigen Analyse weitere Fälle sammeln.

Wie sicher sind die Impfstoffe?

Neben der Wirksamkeit untersuchen die beiden Firmen auch die Nebenwirkungen ihrer Impfstoffe. Zu den häufigsten gehören Müdigkeit, Kopfschmerzen, sowie Schmerzen an der Injektionsstelle. Es wurde auch über vorrübergehenden Schüttelfrost, Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen berichtet.

«Diese Nebenwirkung sind nicht aussergewöhnlich und von einer Impfung zu erwarten», sagt Immunologe Pascolo vom Universitätsspital Zürich. Da die Phase-3-Studien der Firmen erst seit einigen Monaten laufen, liegen keine Daten vor zu sehr seltenen Nebenwirkungen und etwaigen Langzeitwirkungen. Diese müssen in Folgestudien der Phase 4 in den kommenden Jahren untersucht werden.

Wie lange hält der Immunschutz an?

Gleiches gilt für die Frage, wie lange der Schutz vor dem Virus anhält. «Das kann man nicht vorhersagen», sagt Immunologe Pascolo. «Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, dass der Schutz weniger als ein Jahr bestehen bleibt.» Um das Immunsystem möglichst effizent zu stimulieren, arbeiten beide Impfstoffkandidaten mit einer sogenannten Booster-Impfung. Diese wird drei Wochen nach der ersten Impfung verabreicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es – ähnlich wie bei der Zecken-Impfung – regelmässige Auffrisch-Impfungen braucht oder dass andere Impfstoffkandidaten einen länger anhaltenden Schutz als die beiden mRNA-Vakzine bilden.

Wann könnte der Impfstoff erstmals eingesetzt werden?

Biontech/ Pfizer stellten einen Antrag auf Notfall-Zulassung bei der US-Regulierungsbehörde FDA, Moderna will dies in Kürze auch tun. In der Schweiz gibt es derzeit keine rechtliche Grundlage für so eine Notfall-Zulassung. Dennoch prüft die zuständige Swissmedic derzeit die beiden mRNA-Impfstoffe, sowie einen weiteren Impfstoffkandidaten der britischen Firma Astrazeneca, der aber auf einer andere Technologie beruht. Bei ihm handelt es sich um einen sogenannten Vektor-Impfstoff. Darin wird ein Teil des Erbmaterials des Virus in ein anderes, für Menschen harmloses Virus verpackt. Letzteres dient als Vehikel um das Virus-Erbgut in die Zellen zu schleusen, wo dann – ähnlich wie beim mRNA-Impfstoff – virales Eiweiss entsteht, was die Antikörperbildung anregt. Dieser Impfstoff hat, laut einer Pressemitteilung, eine Wirksamkeit von 70 Prozent. Das ergab die Auswertung von zwei Studien mit über 11 000 Probanden.

Wie schnell die Zulassung der Impfstoffkandidaten in der Schweiz erfolge, hänge davon ab, wie schnell die Firmen zusätzliche Daten liefern könnten, sagt Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi. Man setzte die Ressourcen so ein, dass die Anträge der Firmen in einem beschleunigten, rollenden Verfahren geprüft würden. «Dadurch können wir innerhalb von Wochen und nicht, wie üblich, von Monaten entscheiden», so Jaggi. Eine Prognose für den Zeitpunkt einer Zulassung macht Jaggi aber nicht. Viele noch laufenden Phase-3-Studien seien für eine abschliessende Beurteilung noch zu wenig weit.

Moderna will laut Medienberichten im Frühjahr 2021 so weit sein, erste Impfdosen auszuliefern. Das Bundesamt für Gesundheit nennt das erste Halbjahr 2021 als Zeitfenster für erste Impfungen.

Der Bundesrat hat bei allen drei Firmen Vorverträge für die Lieferung von Impfdosen für den Fall, dass die Vakzine zugelassen werden: Die Vorbestellung bei Moderna beläuft sich auf 4,5 Millionen Impfdosen, bei Biontech/Pfizer sind es rund 3 Millionen und bei Astrazeneca bis zu 5,3 Millionen.

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