Das musst du wissen

  • Im November 2018 verkündete der Forscher He Jiankui, die ersten Designbabys der Menschheit seien geboren worden.
  • Er habe mittels der Genschere Crispr/Cas9 die Gene der beiden Mädchen so verändert, dass sie vor HIV geschützt seien.
  • Nun sind Auszüge seines Forschungsberichts veröffentlicht worden – und diese lassen noch stärker an dem Erfolg zweifeln.

Die ersten Designbabys der Menschheit sind Opfer einer Mauschelei geworden. Denn weder ist die Genveränderung, welche der chinesische Forscher He Jiankui an zwei Zwillingen vornahm, nachweislich gelungen, noch ist das Experiment unter ethisch akzeptablen Bedingungen verlaufen. Die Babys waren 2018 mittels künstlicher Befruchtung gezeugt, ihre Gene verändert und der Mutter implantiert worden. Im Oktober 2018 kamen sie zur Welt. Die Studie dazu ist aber nie veröffentlich worden. Nicht nur, weil sie Mängel aufweist und grosse Journale sie deshalb ablehnten, sondern auch weil Forscher Jiankui seit Monaten wie vom Erdboden verschluckt ist. Seine Daten und sein Labor sind vom chinesischen Staat beschlagnahmt worden und seine Mitarbeiter in alle Winde zerstreut.

Science-Check ✓

Studie: Birth of Twins After Genome Editing for HIV ResistanceKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie vollständige Studie wurde nicht publiziert. Die Auszüge, die nun ans Licht gekommen sind, erhärten und bestätigen Zweifel, welche Experten schon vor einem Jahr äusserten. Die Studie ist wenig verlässlich und fahrlässig.Mehr Infos zu dieser Studie...

Nun sind Auszüge des Manuskripts der MIT Technology Review zugespielt worden. Hier die fünf wichtigsten Kritikpunkte, welche Experten gegenüber der Fachzeitschrift nun äussern – die meisten Vorwürfe kursierten schon vor einem Jahr.

1. Es wurde eine andere Genmutation durchgeführt

In der Zusammenfassung der Zwillings-Studie sprechen die Autoren von einem «Erfolg». Sie hätten es geschafft, eine bekannte Mutation in dem Gen CCR5 durchzuführen. Diese Mutation, «CCR5Delta32» genannt, existiert in manchen Menschen natürlicherweise und diese können sich dadurch nicht mit HIV anstecken. Doch: Den Daten in der Studie ist zu entnehmen, dass die Forschenden tatsächlich eine andere Mutation auf dem Gen durchführten. Diese ist CCR5Delta32 ähnlich – aber es ist eben nicht die gleiche und die Effekte sind dadurch schwer abzuschätzen. Dass eine andere Mutation durchgeführt wurde, war – im Gegensatz zu den anderen Kritikpunkten – nicht bekannt. Diese Entdeckung ist das I-Tüpfelchen auf all den bekannten Mängeln der Studie. Bereits kritisiert wurde zum Beispiel, dass die Genveränderung bei einem der Mädchen nur bei einem statt auf beiden CCR5-Genen durchgeführt wurde, wodurch sie nur teilweise immun gegen einen HIV-Ansteckung wäre.

2. Andere Genveränderungen können nicht ausgeschlossen werden

Die Gen-Schere Crispr/Cas ist ein fast perfektes Werkzeug – aber eben nur fast. Bei einer Genveränderung können manchmal zusätzliche Veränderungen passieren, die nicht geplant waren. Das nennt man «Off-Target»-Mutationen. In der Studie wird behauptet, es sei bei dem Eingriff zu lediglich einer Off-Target-Mutation gekommen. Die Experten der MIT Technology Review aber schreiben, dass es unmöglich sei, alle Off-Target-Effekte nachzuweisen beziehungsweise auszuschliessen. Denn diese können auch nur in einem Teil der Zellen vorkommen – geprüft wurden aber nur einige entnommene Zellen.

3. Die Forschenden prüften nicht, ob die Mutation gegen HIV schützt

Die Wissenschaftler testeten vor der Implantation des Embryos nicht, ob die Genmutation tatsächlich vor HIV schützt. Dies hätte bei Laborexperimenten leicht geprüft werden können. Forschende kritisieren, dass es ohne Labortests nicht sicher sei, die Embryos in einen Mutterbauch zu transplantieren und sie auf die Welt kommen zu lassen. Genau dies aber tat He Jiankui.

4. Weshalb stimmten die Eltern zu?

Die Genmutation wäre nicht nötig gewesen, um zu verhindern, dass das HIV des Vaters auf die Babys übertragen wurde. Denn: Dies kann auch über die übliche Waschprozedur der Spermien vor der künstlichen Befruchtung erreicht werden. Die Waschung wurde laut der Studie auch tatsächlich durchgeführt. Die Genmutation hatte für die Eltern und die Kinder also keine offensichtlichen Vorteile. Die Experten der MIT Technology Review vermuten, dass andere Gründe hinter der Einwilligung stecken. So sei es für HIV-positive Menschen in China schwierig, überhaupt eine künstliche Befruchtung zu bekommen. Es sei ethisch fragwürdig, die Genmutation den Eltern in einer solchen Zwangslage angeboten und durchgeführt zu haben.

5. Das Geburtsdatum der Kinder ist falsch angegeben

In der Studie steht, die beiden Zwillings-Mädchen seien im November 2018 auf die Welt gekommen. Verschiedene Medienberichte und forschungsnahe Quellen sprechen aber von Oktober. Die falsche Angabe könnte dem Identitätsschutz der Zwillinge gelten – aber auch deren Identifikation durch andere Forschende verhindern.

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende