Das musst du wissen
- Rund 10 000 Kinder wurden in Ruanda als Folge von Vergewaltigungen während des Genozids geboren.
- Personen, die aus einer Vergewaltigung hervorgegangen sind, kämpfen mit psychischen Problemen.
- Auch Kinder von Eltern, welche den Genozid miterlebt haben, haben ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Beschwerden.
In einem unvorstellbaren Gewaltrausch kamen im Frühsommer des Jahres 1994 in Ruanda über eine Million Menschen um. Der Genozid gegen die Tutsi dauerte nur hundert Tage – seine Folgen aber dauern bis heute an. Der Genozid brach als Folge eines jahrzehntelangen Konflikts zwischen der Mehrheit der Hutu und der Minderheit der Tutsi aus, der durch Kolonialisten konstruierten, ethnischen Gruppen.
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Während des Genozids wurden Vergewaltigungen systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. Schätzungen gehen davon aus, dass so bis zu 10 000 Kinder gezeugt wurden. Diese Kinder starteten meist mit einem sozialen Stigma behaftet in ihr Leben. Amerikanische und ruandische Forschende unter Leitung der Anthropologin und Genozid-Überlebenden Glorieuse Uwizeye sind in einer Studie nun der Frage nachgegangen, ob Kinder dieser Genozid-Generation ein höheres Risiko auf mentale und physische Probleme haben. Die Resultate sind in der Fachzeitschrift Social Science and Medicine publiziert worden.
Science-Check ✓
Studie: Double Jeopardy: Young adult mental and physical health outcomes following conception via genocidal rape during the 1994 genocide against the Tutsi in RwandaKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie beruht auf einer relativ kleinen Stichprobe sowie auf subjektiven Angaben der Teilnehmenden. Die Teilnehmenden wurden über Organisationen, die sich mit der Aufarbeitung des Genozids beschäftigen, rekrutiert. Zudem sind die Ursachen mentaler wie physischer Probleme sehr komplex. Die Studie kann nur eine Korrelation und keinen kausalen Zusammenhang beweisen. Die Resultate geben deshalb lediglich Hinweise.Mehr Infos zu dieser Studie...Höheres Risiko für mentale Probleme
Die Forschenden sammelten Umfragedaten von 91 Ruanderinnen und Ruander, die während des Genozids gezeugt worden waren. Bei einem Drittel waren die Mütter Opfer von Vergewaltigung geworden, beim zweiten Drittel erlebten die Eltern den Genozid mit. Der letzte Drittel stammte von Eltern ab, welche den Genozid nicht selbst miterlebt hatten, weil sie zum Beispiel vorher ins Ausland geflüchtet waren.
Die mentale und physische Gesundheit der Probanden unterschied sich in dieser Studie markant: Personen, deren Eltern den Genozid miterlebt hatten, litten viel häufiger unter mentalen Problemen wie posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen, Angstzuständen. Noch schlechter sah es bei Personen aus, die aus einer Vergewaltigung resultiert waren.
Schwerere Kindheit
Das gleiche Muster zeigte sich bei Faktoren wie physischer Funktionsfähigkeit, Häufigkeit und Stärke von Schmerzen und Schlaf. Auch hatten die Probanden, deren Eltern den Genozid nicht selbst erlebt hatten, ein kleineres Risiko, in ihrer Kindheit Erlebnisse zu erfahren, welche mentale und psychische Probleme begünstigen. Dazu gehörten zum Beispiel physischer oder psychischer Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung.
«Die Kinder der vergewaltigten Frauen sind bisher von Forschern und Behörden grösstenteils vergessen worden», sagt Studienleiterin Uwizeye in einer Mitteilung. Die Resultate ihrer Forschung will sie nun in die betroffenen Communities tragen, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.