Trickdiebe, Betrüger oder Erpresser: Es gibt sie nicht nur unter Menschen, sondern auch in der Tierwelt. Zum Beispiel clevere Wüstenvögel, die mit Hilfe gefälschter Warnrufe anderen Tieren das Futter klauen. Oder Ameisen, die ganze Völker anderer Ameisenarten versklaven. Doch was für uns Menschen nach bösem Willen aussehe, diene allein dem Überleben der Tiere, sagt Robert Zingg, Verhaltensforscher und Kurator des Zoo Zürich. «Es geht darum, Schaden von sich selbst abzuwenden oder sich einen Vorteil bei der Nahrungssuche oder der Paarung zu verschaffen.» Eine bewusste Entscheidung der Tiere ist das kaum. «Selbst die raffiniertesten Tricks sind grösstenteils angeboren», sagt Zingg. Weil die Verhaltensweisen erfolgreich waren, haben sie sich in der Evolution über Jahrtausende durchgesetzt. Die ausgefallensten Gaunereien stellen wir dir hier vor.

Katze imitiert Affenbabys

Auf dem Speiseplan der südamerikanischen Langschwanzkatze stehen unter anderem Mantelaffen. Diese erlegt sie normalerweise, indem sie sich anschleicht, bevor sie zum tödlichen Biss ansetzt. Doch anscheinend ändert die Katze manchmal ihre Taktik. So haben US-Forscher im brasilianischen Dschungel eine Langschwanzkatze dabei beobachtet, wie sie sich im Dickicht versteckte und das Gewimmer eines Affenbabys imitierte. Damit lockte sie erwachsene Affen an, die dem vermeintlichen Baby zu Hilfe eilen wollten. Die Affen entkamen erst in letzter Sekunde. Wie häufig Langschwanzkatzen diese Taktik tatsächlich einsetzen, werden künftige Beobachtungen zeigen.

Wenn es ums Fressen geht, werden Vögel zu Gaunern

T. Flower

Täter und Opfer: Oft werden Erdmännchen von betrügerischen Wüstenvögeln um ihre Beute gebracht.

Eine Familie von Erdmännchen gräbt im Wüstenboden nach Insekten. Plötzlich hören sie den Warnruf ihres Aufpassers: Vorsicht vor dem Adler! Alle lassen die Beute fallen und flüchten in ihre Höhlen. Als die Tiere die Köpfe wieder herausstrecken, ist weit und breit kein Adler zu sehen – stattdessen sind ihre erbeuteten Insekten weg. Die Erdmännchen wurden ausgetrickst, und zwar von einem kleinen Vogel, dem Trauerdrongo. Dieser ahmt Warnrufe anderer Wüstenbewohner nach, um sich deren Futter zu schnappen. Er beherrscht über 30 Rufe verschiedener Tiere. «Die Laute sind so perfekt imitiert, dass sie vom Original kaum zu unterscheiden sind», sagt Thomas Flower, Zoologe der Uni Kapstadt. Er hat in der Winterzeit, wenn die Drongos zusätzliche Nahrung brauchen, hunderte solcher Täuschungsmanöver beobachtet. Die Vögel gehen dabei äusserst geschickt vor. Zuerst gewinnen sie das Vertrauen ihrer Opfer, indem sie diese tatsächlich vor einem jagenden Adler warnen. Dann fangen sie an zu tricksen.

Auch Vögel in der Schweiz haben Kniffe auf Lager. So stibitzen Rabenvögel ihren Artgenossen gerne das Essen. Dagegen wehren sich Kolkraben mit einer besonders listigen Strategie. Sie vergraben erbeutetes Aas, um es vor Dieben zu schützen. Fühlen sie sich dabei beobachtet, legen sie sogar Scheinverstecke an, die keine Beute enthalten. «Die Kolkraben erkennen die Absicht ihrer Artgenossen und richten ihr Verhalten danach», sagt Zoologe Christoph Vogel von der Vogelwarte Sempach. Ein solches Mass an Raffinesse sei unter Vögeln einzigartig.

Verteidigung bis aufs Blut

Um in der Wüste zu überleben, hat die Krötenechse makabre Strategien entwickelt. Naht ein Feind, beispielsweise eine Schlange oder ein Kojote, bläst sie sich – ähnlich wie ein Kugelfisch – auf. Lässt der Angreifer trotzdem nicht locker, spritzt die Echse aus ihren Augen übelriechendes Blut. Dieses landet meist direkt im Gesicht des Angreifers – und vertreibt ihn. Die Krötenechse verliert dabei bis zu einem Viertel ihres Blutes. Das ist aber immer noch besser, als gefressen zu werden.

Mit Luftsprüngen auf Beutefang

M. Pope

Hornhechte können meterweit durch die Luft springen.

Eine heimtückische Art zu jagen hat der Hornhecht, ein in vielen Meeren verbreiteter Raubfisch: Er springt aus dem Wasser und attackiert seine Beutetiere – kleine Fische – aus der Luft. Das haben australische Forscher erstmals beobachtet. Durch die Sprünge können die Hechte Opfer erwischen, die bis zu zwei Meter von ihnen entfernt sind.

Die Wissenschaftler vermuten, dass sich die Tiere beim Luftsprung einen optischen Effekt zunutze machen: Durch die Lichtbrechung an der Wasseroberfläche sind sie für ihre Beute unter Wasser nur noch verzerrt sichtbar. Eine vergleichbare Taktik ist bisher noch von keiner anderen Fischart bekannt.

Diese Ameisen erbeuten Sklaven ohne Blutvergiessen

Uni Mainz

Viele Ameisenarten überfallen benachbarte Völker und verschleppen deren Larven und Puppen ins eigene Nest. Bei solchen Überfällen müssen sie gegen feindliche Arbeiterinnen kämpfen – häufig mit hohen Verlusten auf beiden Seiten. Bestimmte nordamerikanische Ameisen schaffen den Raubzug jedoch auch ohne Blutvergiessen, wie Zoologinnen der Uni Mainz entdeckt haben. Diese Ameisen parfümieren sich mit den Duftstoffen ihrer Opfer – und werden dadurch von ihnen nicht als Feinde erkannt. Die Gefangenen müssen fortan als Sklaven arbeiten, während die Sklavenhalter selbst faulenzen. Fleissig werden sie erst dann wieder, wenn der nächste Raubzug ansteht.

Erpresserische Seeotter

Der Kampf um Nahrung lässt Seeottermännchen mitunter zu Erpressern werden. Das haben Wissenschaftler verschiedentlich beobachtet. Beispielsweise in Alaska: Als ein Seeotterweibchen nach Fischen und Krabben tauchte, schnappte sich ein Männchen schnell sein unbeobachtetes Junges. Es drückte das Baby unter Wasser, bis die Mutter wieder auftauchte. Diese musste ihren Fang aushändigen, um ihr Kleines zurückzubekommen. Und der Erpresser? Der machte sich mit den Leckerbissen auf und davon.

P. Mouginot/J. Wolff

Radnetzspinnen bei der Paarung.

Spinnen-Sex mit bösen Folgen

Das Liebesspiel endet für die weibliche Radnetzspinne häufig unschön. Denn nach der Paarung zwickt das Männchen seiner Partnerin einen bestimmten Teil der Genitalien ab. Das haben Forscher der Uni Greifswald herausgefunden. Der Grund: Die Spinnenweibchen können sich mit mehreren Partnern einlassen und die Spermien in ihrem Körper zwischenlagern. Das wollen die Männchen mit der rabiaten Massnahme verhindern. So stellen sie sicher, dass nur der eigene Nachwuchs heranwachsen kann.

Der Rotlippen-Fledermausfisch

Der fieseste Blick im ganzen Ozean

Roter Kussmund, grimmiger Blick: Beides gehört zum Rotlippen-Fledermausfisch. Obwohl dieser richtig gemein aussieht, ist er völlig ungefährlich. Der bis zu 40 Zentimeter lange Fisch lebt auf dem Meeresgrund rund um die Galapagosinseln und ernährt sich von kleinen Fischen. Schwimmen kann er allerdings nicht gut. Stattdessen nutzt er seine Brustflossen ähnlich wie Beine. Wozu aber die knallroten Lippen – sein aufallendstes Merkmal – dienen, ist bislang ein Rätsel.

Die Erstversion dieses Beitrags erschien am 8. Januar 2016.

 

 

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende