In Zeiten, in denen den Letzten dämmert, dass wir nur einen Planeten und ein Klimasystem haben, müssen wir ehrlich sein und Sprache sauber verwenden. So kann ein Range Rover oder ein Tesla nie und nimmer nachhaltig sein oder eine Bank, welche weiterhin in die Förderung fossiler Energieträger investiert.

Nachhaltigkeit kommt aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass wir nicht mehr Bäume fällen dürfen als wieder nachwachsen. Im Laufe der Zeit kamen dann zur Ökologie noch Ökonomie und Gesellschaft dazu. Und damit der Trick, die drei Bereiche gleichzustellen, wodurch sie gegenseitig aufgerechnet werden können. So kann der zerstörte Regenwald mit dem gesteigerten Bruttosozialprodukt kompensiert werden. Das war ein cleverer Schachzug, um das Wirtschaftswachstum beizubehalten und die Umweltbewegten zu beruhigen. Der zweite Trick besteht darin, dass man seit dem Rio-Umweltgipfel 1992 mit einem sprachlichen Salto «Nachhaltige Entwicklung» kreiert hat. Entwicklung meint ungeschönt Wirtschaftswachstum, das man den Ländern des Südens zugestanden hat. Im Rückblick muss man nüchtern einsehen, dass damit die ursprüngliche Radikalität des Begriffs endgültig zunichte gemacht wurde.

Die Rede von Nachhaltigkeit ist eine Beruhigungspille, um weiterzumachen wie bisher. Wenn wir unseren wunderschönen Planeten auch für die Zukunft lebensfähig erhalten wollen, müssen wir zum ursprünglichen Prinzip von Nachhaltigkeit zurückkehren und die Fragen um 180 Grad umdrehen: Was wollen wir mit den begrenzten Ressourcen tun? Wie sieht eine Ökonomie jenseits von Wachstum aus? Wie können alle Menschen heute und morgen ihren gerechten Anteil bekommen? Wie müssen Gesundheitswesen, Altersvorsorge, Sozialstaat, Demokratie oder gesellschaftlicher Zusammenhalt organisiert sein? Wie kann ich mich von «schneller–grösser–mehr» befreien und glücklich sein?

Thomas Gröbly

Dozent für Ethik und Nachhaltigkeit

Thomas Gröbly ist Dozent für Ethik und Nachhaltigkeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz sowie Inhaber des Ethik-Labors und Buchautor. Lesungen finden im September statt. Am Sonntag 22. September um 15 Uhr im Palazzo Salis in Soglio mit Texten aus dem neuen Gedichtband «Inmitten» und am Samstag 28. September um 15 Uhr beim Hof-Narr in Hinteregg/ZH. Weitere Anlässe: ethik-labor.ch/aktuelles

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