Im Jahr 1870 erschien der Roman «20 000 Meilen unter dem Meer» von Jules Verne. Er hat so fasziniert, dass er mehrmals verfilmt wurde, was auch zu einem Oscar führte. Der Schriftsteller hatte in seinem Roman allerdings gewaltig übertrieben. Nach einer Messung von 2010 gilt das Challenger-Tief mit 10 984 ± 25 Metern als tiefste bekannte Stellen der Weltmeere. Die Meerestiefen faszinieren die Menschen immer noch, weil sie ihre Geheimnisse weitgehend bewahrt haben. Die Tiefsee beginnt 200 Meter unter der Meeresoberfläche und umfasst 88 Prozent der Weltmeere. Obschon sie damit den grössten Teil der Erde ausmacht, ist über die Tiefsee weniger bekannt als über die Oberfläche des Mondes. Denn in der Tiefsee zu forschen ist sehr kostenintensiv. Zudem ist es unmöglich, einen Überblick über grössere Unterwasserregionen zu gewinnen. So kommt es nur zu vereinzelten Neuentdeckungen.

Forschern der Duke University ist es jetzt gelungen, ultraschwarze Tiefseefische nachzuweisen. Sie sind auf die schwärzesten Tiere der Welt im Golf von Mexiko auf einer Tiefe von 1500 Meter unter Wasser gestossen. Diese Lebewesen reflektieren weniger als 0,5 Prozent des auf sie treffenden Lichts. Das Team rund um Alexander Davis konnte 16 Spezies dieser Tiefseefische identifizieren. Ihre Haut hat die Fähigkeit, mehr als 99,5 Prozent des Lichtes zu absorbieren. Diese biologische Eigenheit dient ihnen als perfekte Tarnung.

Das führt allerdings zur Frage, warum sich Fische in grossen Tiefen, wo kein Licht mehr hinkommt, auf diese Weise tarnen müssen. Der Grund liegt in biolumineszierenden Kreaturen, die den Ozean in diesen Tiefen wie einen Sternenhimmel funkeln lassen. Als Biolumineszenz wird die Fähigkeit von Lebewesen bezeichnet, selbst oder mithilfe von Symbionten Licht zu erzeugen. Sie ist besonders unter Meeresbewohnern, vor allem in der Tiefsee verbreitet. Der Vampirtintenfisch, der bei der ersten deutschen Tiefsee-Expedition 1898 entdeckt wurde, hat beispielsweise zahlreiche Leuchtorgane, die bei Bedarf Licht erzeugen. Sie können auch Wolken von Leuchtpartikeln ausstossen, die bis zu zehn Minuten leuchten und dadurch Feinde verwirren. Aber dieses Licht kann den Feinden auch gefährlich werden, indem sie in der Dunkelheit von anderen Fischen als Futter erkannt werden. Ultraschwarze Fische bleiben vor dieser Gefahr jedoch weitgehend geschützt. Sie verdanken diese Tarnung ihrer Anatomie.

_____________

📬 Das Neuste und Wichtigste aus der Wissenschaft, jeden Dienstag und Donnerstag per E-Mail:
Abonniere hier unseren Newsletter! ✉️

_____________

Das Forscherteam hat festgestellt, dass die Fische, die in den Pigmentzellen Melanin bilden, speichern und transportieren, über grössere perlenförmige Melanosomen in grosser Dichte verfügen. Aufgrund ihrer Form und Dichte können die Melanosomen optimal Licht neutralisieren. Aus diesem Grund ist es auch eine besondere Herausforderung, ultraschwarze Fische zu fotografieren.

Das schwärzeste Schwarz

Das Massachusetts Institute of Technology bei Boston hat vor der Entdeckung der ultraschwarzen Fische für die Raumfahrt das schwärzeste Schwarz der Welt, ein ultraschwarzes Material, entwickelt, das 99,995 Prozent des Lichtes schluckt. Dieser Stoff soll auch in der Architektur neue Möglichkeiten eröffnen. Die Entdeckung der ultraschwarzen Fische hat nun den Fokus darauf gerichtet, mit der Nachahmung der Beschaffenheit der Melanosomen kostengünstiger flexiblere und beständigere ultraschwarze Materialien zu entwickeln. Das neue Super-Schwarz ist für zwei Bereiche von grossem Interesse: für die Astrophysik, um einen ungetrübteren Blick ins All zu ermöglichen, für die Rüstungsindustrie zur absoluten Tarnung.

Das wird den indisch-britischen Bildhauer Anish Kapoor ärgern. Vor drei Jahren liess er sich für das schwärzeste Schwarz, das «Vantablack», das 99,96 Prozent allen Lichts absorbieren soll, ein Exklusivrecht sichern. Entwickelt hat das schwärzeste Schwarz das britische Unternehmen Surrey NanoSystems, und zwar ein Hightech-Produkt, für das eine Milliarde Nanopartikel pro Zentimeter angeordnet sein müssen. Das hat natürlich einen gigantischen Preis. Deshalb entwickelte Surrey eine Version seines Super-Schwarz, die einfacher zu applizieren war. Anish Kapoor meldete sich bei Surrey und sicherte sich als international erfolgreicher Künstler das Exklusivrecht, was später unter Künstlern zu Streit führte. Doch nach dem Super-Schwarz aus Boston machen ihm jetzt auch noch die Ultraschwarzen aus der Tiefsee einen Strich durch die Rechnung.

Dieser Beitrag erschien erstmals im doppelpunkt.
Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende