Leuchtend weiss bis goldgelb und zart schmelzend macht sie aus einem einfachen Stück Brot einen Gaumenschmaus: Butter. Mindestens 82 Prozent Fett enthalten Vorzugs-, Käserei- und Kochbutter in der Schweiz. Sie werden aus Milchrahm oder einem Gemisch von Milchrahm und Sirtenrahm hergestellt.

Butter war als Dickmacher in Verruf geraten – neuere Studien aber überlassen die Wahl zwischen Margarine und Butter wieder dem Geschmack der Konsumentinnen und Konsumenten: Die potenziell schädlichen gesättigten Fettsäuren in der Butter sind kurz- und mittelkettig zusammengesetzt und haben deshalb nicht den befürchteten schlechten Einfluss auf die Blutgefässe.

Butter enthält ausserdem Kalzium, die Vitamine K2, A, D und E und die Mineralstoffe Jod und Selen. Wurde sie aus Weidemilch hergestellt, weist Butter auch einen hohen Anteil an gesunden Omega-3-Fettensäuren auf und entkräftet so eines der letzten Argumente für die Margarine. Deshalb empfehlen heute viele Ernährungsexperten, die eigenen Vorlieben walten zu lassen – aber sowohl Butter als auch Margarine in Massen zu geniessen.

Weg damit

Was sich die Schweizer Bevölkerung nicht aufs Brot schmiert, wird – wie es die Branche nennt – «entsorgt»: Um das hohe Preisniveau im Inland zu halten, exportiert die Schweiz Butter und Magermilchpulver, und das am liebsten in Länder, die keinen Zoll auf Milchprodukte erheben: 2017 waren Saudi-Arabien, die Türkei und der Libanon die grössten Abnehmer. 1633 Tonnen waren es insgesamt, bei denen wegen der tieferen Preise im Ausland den Herstellern ein Verlust von 5000 Franken pro Tonne entstand.

Den Schaden berappen die Konsumentinnen und Konsumenten über den Butterpreis, der in der Schweiz um 80 Prozent höher liegt als beispielsweise in Deutschland. Ein weiteres Kuriosum ist, dass die Butterpreise stärker steigen als der Milchpreis. Grossverteiler und die beiden marktbeherrschenden Hersteller Emmi und Cremo schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Für den ehemaligen stellvertretenden Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft Jacques Chavaz aber trägt die Politik die Verantwortung für die hohen Margen: «Das lässt sich nicht nur mit höheren Personalkosten und teureren Maschinen erklären. Sondern hauptsächlich mit fehlendem Wettbewerb im abgeschotteten Schweizer Buttermarkt», erklärt der Agraringenieur.

Der Bundesrat hingegen zieht es vor, es der Milchbranche zu überlassen, geeignete und notwendige Massnahmen zu treffen, «um die Produktion und das Angebot an die Erfordernisse des Markts anzupassen», wie er 2015 auf eine Interpellation von SP-Nationalrat Jans Beat antwortete.

Butterkunst

Von solcherlei komplizierten Fragen unbehelligt legte Caroline Shawk Brooks 1867 den Grundstein für ein Kunsthandwerk, das in den USA heute noch die Massen begeistert. Brooks war Bauersfrau im Bundesstaat Arkansas und auf dem heimischen Hof verantwortlich für die Butterherstellung. Als Marketingmassnahme begann sie, Porträts in Butter zu schnitzen. 1873 schaffte sie den Durchbruch: Aus vier Kilogramm Butter schuf sie unter Zuhilfenahme von Strohhalmen, eines Butterpaddels und eines Kamelhaarpinsels die «Träumende Iolanthe» – Tochter König Renés im Drama des dänischen Schriftstellers Henrik Hertz, das die Künstlerin kurz zuvor gelesen hatte –, ein Relief, dem zeitgenössische Kritiker «erhabene Eleganz und brillante Verarbeitung» attestierten. 1876 wurde sie eingeladen, für die erste Weltausstellung in den USA in Philadelphia eine Kopie der Iolanthe zu schaffen, die bald wegen des grossen Publikumsinteresses vom Frauen-Pavillon in das Hauptgebäude der Ausstellung gezügelt werden musste.

Flickr/Sharon Mollerus

Butter-Skulptur einer Frau an der Minnesota State Fair.

Brooks studierte nach dem Erfolg an der Weltausstellung in Paris und Florenz und wurde professionelle Bildhauerin, die ihre Motive auch in Marmor verewigte – zeitlebens aber bevorzugte sie Butter, die sie für viel sinnlicher hielt als alle anderen Materialien. Dem Butterschnitzen aber blieb die Anerkennung als Kunstform noch vorenthalten, denn im 19. Jahrhundert wurden Milchprodukte direkt vom Hof verkauft und die Herstellung oblag mehrheitlich Frauen.

Erst um die Jahrhundertwende übernahmen genossenschaftliche Molkereien die mehr und mehr industrialisierte Herstellung von Butter und förderten das Kunsthandwerk der Butterschnitzerinnen und -schnitzer als ideale Werbeplattform. Auch die Fortschritte der Kühltechnik verbesserten die Möglichkeiten zur Präsentation sowie die Langlebigkeit der Skulpturen, die bei Temperaturen über null Grad schnell unansehnlich werden.

Leben im Überfluss

Die folgenden Jahrzehnte bis 1930 gelten heute als die goldene Zeit der Butterskulptur in Nordamerika: Jede State Fair – Landwirtschaftsschauen, die die einzelnen Staaten jeweils im Spätherbst ausrichten – veranstaltete einen Wettbewerb. Zahlreiche Bildhauerinnen und Bildhauer gründeten ihren späteren Erfolg auf Butter.

Mit Butterskulpturen bewies die Milchwirtschaft den Messebesuchern ihre Tat- und Strahlkraft, dem Ausland zeigten die Veranstaltungen das Leben im Überfluss im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Unterbrochen wurde der Höhenflug vom Zweiten Weltkrieg, als die Rohstoffe knapp wurden und der Bevölkerung der Genuss von billigerer und vermeintlich gesünderer Margarine ans Herz gelegt wurde.

Flickr/Doug Kerr

Früher reine Landwirtschaftsschau, heute gigantisches Volksfest: die New York State Fair.

Nach dem Krieg aber verdoppelten die Molkereien ihre Anstrengungen, um die Schneisen zu schliessen, die die Margarine in den Kriegsjahren in den Milchmarkt geschlagen hatte. Keine andere Molkereidarbietung begeistere die Zuschauermengen im selben Ausmass wie die Butterskulpturen, erklärte die Vereinigung der Milchverarbeiter aus Ontario 1949 und gab 1952 für die kanadische Landesausstellung eine Skulptur in Auftrag, die weltweit für Aufsehen sorgen sollte: Ross Butler, ein Künstler, der sich mit Gemälden von Farmtieren für das Bildungsministerium einen Namen gemacht hatte, schuf aus rund 700 Kilogramm Butter ein Reiterstandbild von Königin Elisabeth II. – was in den Zeitungen des Königreichs, das immer noch unter den Nachwehen des Krieges litt, als masslose Verschwendung kritisiert wurde.

Die Kuh auf dem Mond

Auch heute sehen sich Veranstalter häufig mit Vorwürfen konfrontiert, wertvolle Lebensmittel zu vergeuden. Sie kontern mit dem Hinweis, dass grosse Standbilder längst nicht mehr vollständig aus Butter bestünden, sondern mit dem tierischen Fett Holz- und Drahtgestelle überzogen würden, der Verbrauch sich also in Grenzen halte. Darüber hinaus würde der Rohstoff nach Gebrauch weiteren Verwendungen zugeführt, zum Beispiel der Kompostierung in Biogasanlagen.

Der Beliebtheit der Butterskulpturen tut die Kritik keinen Abbruch – noch immer stehen die Menschen Schlange, um den Bildhauern in ihren gekühlten Glasvitrinen bei der Arbeit zuzusehen. Die Historikerin Pamela Simpson – eine der wenigen Gelehrten, die sich wissenschaftlich mit dem Thema Butterskulptur auseinandergesetzt hat – vermutet hinter dem anhaltenden Besucherandrang eine romantische Verklärung: «Die Assoziationen, die solche Skulpturen hervorrufen, basieren auf einer ganze Reihe von nostalgischen Annahmen über die Kuh, den Molkereibetrieb, die Frische und die Unschuld – und das in einer Zeit, in der Kühe gezüchtet werden, um die optimale Menge an Butterfett zu produzieren, in der sie von einer Maschine gemolken werden und eine andere Maschine das Fett von der Milch trennt, in der akademisch ausgebildete Männer und Frauen in weissen Laborkitteln und Mützen die Qualität kontrollieren.»

Flickr/Joe Shlabotnik

Butterkuh an der New York State Fair.

Denn obwohl im Laufe der Jahre auch Stars wie Elvis Presley, Sportler wie Tiger Woods und zahlreiche Politiker in Butter nachgebildet worden sind, dominieren Sujets aus der Milchwirtschaft die Butterkunst: Kühe, Kälber, Hirtenjungen und Milchmädchen. So zeigt auch die monumentale Installation aus fast 1000 Kilogramm Butter, die diesen Sommer an der Ohio State Fair die erste Mondlandung vor 50 Jahren zelebrierte und eine halbe Million Besucher in ihren Bann zog, neben den lebensgrossen Astronauten Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins eine Kuh und ihr Junges – auf dem Mond.

Dieser Beitrag erschien erstmals im doppelpunkt.
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