Mitinitiant Dominik Waser erklärt, was es mit der Bewegung auf sich hat und wieso es wieder mehr Anerkennung für die Landwirtschaft braucht.

Dominik Waser, Sie sind einer der Mitinitianten der Bewegung «Landwirtschaft mit Zukunft». Was will die Bewegung?

Die Initiative entstand aus der Idee der Klimabewegung. Denn die beiden Themenfelder sind stark miteinander verknüpft. So hat die Landwirtschaft im Moment zwar einen grossen Einfluss auf die Klimaerhitzung, gleichzeitig ist sie aber auch Teil der Lösung. In Deutschland und Österreich gibt es bereits die Bewegung «Farmers for Future», mit der sich Landwirtinnen und Landwirte für eine klimagerechte Zukunft einsetzen. So etwas wollen wir auch für die Schweiz.

Dominik Waser

Dominik Waser ist gelernter Landschaftsgärtner. Nach der Lehre begann er an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) biologische Landwirtschaft zu studieren. 2018 gründete er zusammen mit Freunden den Verein «Grassrooted», der sich mit diversen Projekten für ein ökologisches Landwirtschaftssystem ohne Foodwaste einsetzt. Das Studium an der ZHAW hat er inzwischen vorzeitig beendet, um sich hauptberuflich für die Ziele des Vereins zu engagieren. Nebenbei ist er beim Klimastreik aktiv und initiierte daraus die Bewegung «Landwirtschaft mit Zukunft».

Dazu fordern Sie einen Wandel der Landwirtschaft.

Ganz klar. Das Ziel ist eine ökologische, regenerative und klimagerechte Landwirtschaft, die auch in 40 Jahren noch funktionsfähig ist und in der soziale Aspekte wie faire Preise und Löhne eine grosse Rolle spielen. Unter anderem setzen wir uns ein für eine dezentrale Landwirtschaft mit lokaler und regionaler Produktion. Weitere Anliegen sind auch die Förderung der Biodiversität oder die Vermeidung von Foodwaste, sowie weniger Produktion und Konsum tierischer Produkte. Um dies zu erreichen, muss sich aber das landwirtschaftliche System ändern. Wir müssen anders anbauen, anders wirtschaften, eine andere Politik betreiben. Gleichzeitig muss sich aber auch das Bild, das wir von der Landwirtschaft haben, ändern.

Sie sprechen von dem Bild der «bösen» Bauern, die die Umwelt kaputt machen.

Genau. Häufig werden die Bäuerinnen und Bauern als Täter angesehen, die mit Pestiziden das Wasser vergiften, zu viele Antibiotika einsetzen und Foodwaste produzieren. So wird nur ein Feindbild geschaffen, gegen das sich die Bauern natürlich wehren. Und genau das ist in meinen Augen momentan das Hauptproblem. Alle schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Wir als Konsumenten sagen, die Bauern produzieren falsch und wir können halt nur das kaufen, was uns angeboten wird. Die Bauern sagen, wir produzieren das, was der Grossverteiler will. Und der Grossverteiler sagt, wir kaufen das, was der Konsument will. Mit diesen gegenseitigen Schuldzuweisungen drehen wir uns aber nur im Kreis. Die bringen niemandem etwas. Im Gegenteil. Sie verhindern vielmehr, dass wir alle zusammen darüber diskutieren, wo die Probleme liegen und wie wir sie lösen können.

«Das Hauptproblem ist, dass sich Konsumenten, Bauern und Grossverteiler die Schuld gegenseitig in die Schuhe schieben.»

Und wo liegen die Probleme?

Ein Aspekt ist sicher, dass wir als Konsumenten in den letzten Jahrzehnten die Verbindung zur Landwirtschaft verloren haben und viele nicht mehr wissen, wie sie funktioniert und was es dazu braucht. Damit ist auch die Wertschätzung für die bäuerliche Tätigkeit verloren gegangen. Probleme wie Foodwaste, tiefe Preise und dass die Bauern gezwungen sind, immer billiger zu produzieren oder mehr Pestizide einzusetzen, liegen zum Grossteil zwar im wirtschaftlichen Interesse gewisser Konzerne und ungleichen Machtverhältnissen begründet, zum Teil aber auch in dieser fehlenden Wertschätzung. Wenn wir das durchbrechen wollen, müssen wir also der bäuerlichen Arbeit und den Produkten wieder einen höheren Wert zuschreiben. Deshalb ist das ein wichtiges Ziel der Bewegung.

Wer steht hinter «Landwirtschaft mit Zukunft»?

Es ist eine breite Bewegung aus Bäuerinnen und Bauern, engagierten Jugendlichen, verschiedenen Unternehmen und Gastrobetrieben sowie diversen Verbänden, Institutionen und NGOs. Bisher leider nicht dabei ist der Schweizer Bauernverband. Den wir aber gerne mit im Boot hätten. Steht er doch sinnbildlich für alle Bauern. In Wirklichkeit tut er das aber nicht. Denn dann würde er sich unserer Meinung nach anders verhalten und einsetzen. Das Ziel der Bewegung ist es, dass alle gemeinsam, also Konsumenten zusammen mit den Bauern, eine neue Agrarpraxis für die Schweiz fordern. Und zwar eine, die auch in der Zukunft noch funktioniert, von der man leben kann und in der gerechte Bedingungen gelten.

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Wie kann ich als Konsument zu diesem Wandel der Landwirtschaft beitragen?

Da gibt es so einiges. Zum einen hilft es bereits viel, sich mit dem Thema zu befassen, sich darüber zu informieren und sich mit anderen darüber auszutauschen, so dass ein gesellschaftlicher Diskurs entsteht. Zum anderen kann man jene unterstützen, die sich bereits für ein alternatives Landwirtschaftssystem einsetzen. Zum Beispiel, indem man seine Lebensmittel direkt beim lokalen Bauern und nicht beim Grossverteiler kauft.

Das ist einfacher gesagt als getan. Wenn ich in der Stadt wohne und kein Auto besitze, ist es ziemlich umständlich, beim Bauern einzukaufen.

Auch in den Städten gibt es mittlerweile schon viele Alternativen, wie zum Beispiel Bioläden oder Märkte, auf denen Produkte aus der Region verkauft werden. Aber es stimmt, auch das ist nicht für alle möglich, finanziell oder aus anderen sozialen Gründen. Darum kann man nicht sagen, regional oder direkt beim Bauern einkaufen ist total einfach, man muss es nur machen. Denn das System, das wir in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben, entspricht dem nicht.

Damit sich das ändert, sollte ich als Konsument also auch mehr Engagement seitens der Politik fordern.

Unbedingt, der politische Aspekt ist zurzeit sehr zentral. Und auch hier gibt es viele Möglichkeiten. So kann man Politikerinnen und Politiker wählen, die sich für den Wandel der Landwirtschaft einsetzen. Oder aber man wird selbst aktiv, sei es in Vereinen oder Verbänden. Auch wir wünschen uns, dass sich immer mehr Leute hinter unserer Idee einer «Landwirtschaft mit Zukunft» zusammenschliessen. Damit wir eine stärkere Bewegung werden und eine lautere Stimme bekommen.

«Landwirtschaft mit Zukunft» ist eine Initiative des Vereins mit dem Fantasienamen «Grassrooted». Sie sind einer der Gründer. Der Verein setzt sich gegen Foodwaste ein.

Genau. Grassrooted setzt sich für ein Landwirtschafts- und Versorgungssystem ein, das nicht mehr darauf ausgelegt ist, Überschüsse zu produzieren. Derzeit werden in der Schweiz pro Jahr rund 300 000 Tonnen Obst und Gemüse unnötig weggeworfen. Und diese Zahlen beziehen sich nur auf die Lebensmittelabfälle, die auf der Ebene der Landwirtschaft und der Industrie anfallen. Dafür will der Verein Grassrooted sensibilisieren.

«Foodwaste ist kein isoliertes Problem. Man muss die ganzen Kreisläufe im System Landwirtschaft einbeziehen»

Indem ihr 30 Tonnen Tomaten vor der Biogasanlage rettet, wie ihr das im letzten Sommer gemacht habt, und diverse Medien über die Aktion berichten?

Wobei wir damals gar nicht mit dieser riesigen Resonanz gerechnet hatten. Aber ja, diese Rettungsaktionen sind immer auch Aufklärungsarbeit. Dasselbe gilt auch für das Gemüserettungs-Abo, mit dem wir seit Juni krummes und überschüssiges Gemüse vertreiben. Dabei geht es nicht allein darum, Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Dahinter steht immer auch die Idee, den Leuten zu zeigen, wie der Foodwaste, der in der Landwirtschaft anfällt, aussieht. Damit sie mit eigenen Augen sehen, dass es optisch kein grosses Problem ist und qualitativ sowieso nicht – und sich deshalb fragen: «Wieso passiert das?».

Und sich über das Schweizer Landwirtschaftssystem Gedanken machen.

Ja genau. Das Problem mit den Lebensmittelabfällen ist nicht das einzige, das der Verein Grassrooted thematisieren möchte. Mit den Gemüserettungsaktionen sind wir zwar bekannt geworden. Aber eigentlich geht es um mehr als das. Es geht um die gesamte Schweizer Landwirtschaft und die Änderungen, die dort in unseren Augen dringend nötig sind. Denn Foodwaste ist kein isoliertes Problem. Man muss die ganzen Kreisläufe im System Landwirtschaft einbeziehen. Also wirklich die ganze Kette, vom Anbau zur Ernte, vom Grossverteiler bis hin zum Konsumenten betrachten. Und – für uns das Wichtigste – zusammen dem Ursprung der Probleme auf den Grund gehen und zusammen nach Lösungen suchen. Genau das versucht die Bewegung «Landwirtschaft mit Zukunft»

Dieser Beitrag erschien erstmals im doppelpunkt.
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