Die Ferien sind abgesagt, wir können nicht auf Reisen gehen. Die Corona-Pandemie macht es uns schwierig, Abenteuer zu erleben. Gut, dass wir gemütlich vom Wohnzimmer aus in exotische Welten eintauchen können! Videospiele öffnen uns Tore in fantastische Länder, die wir auch social-distancing-konform erkunden können. Warum also nicht Ferien machen in Digitalien? Die perfekt nachgeahmten und detailreich erweiterten 3D-Welten in einigen Videospielen bieten erstaunliche Anblicke. Mächtige Gebirge, vielfältige Wälder oder karge Vulkanlandschaften stimulieren die sensorische Wahrnehmung.

Indem wir eine vielfältige, abwechslungsreiche Umgebung erkunden, entwickeln sich im Gehirn neue Verbindungen, die zum Beispiel dem Gedächtnisverlust älterer Menschen entgegenwirken können. Auch das Gedächtnis jüngerer Menschen verbessert sich dadurch.
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Macht Spielen aggressiv?

Doch das schlechte Image klebt am Videospiel wie ein Kaugummi an der Schuhsohle: Es heisst, Gamer würden zu aggressiven Einzelgängern. Assoziationen mit Begriffen wie «Ego-Shooter» sind denn auch nicht unbedingt die angenehmsten. Wissenschaftlich ist dies allerdings nicht eindeutig geklärt. Eine solche Schubladisierung greift deshalb zu kurz.

Tatsächlich gibt es Studien, die eine Korrelation fanden zwischen aggressivem Verhalten und dem Spielen von Games, welche dem Alltag ähneln und gewaltvoll sind. Doch: Die meisten Studien massen die Effekte direkt nach dem Spielen – anstatt auf lange Sicht.

Dies kritisierten die Autoren einer im Jahr 2018 erschienen Studie. In der Psychologie ist der Effekt bekannt, dass Reize wie Bilder, Worte oder Gerüche die Handlungen einer Person beeinflussen können. Man nennt das in der Fachsprache Priming, was sinngemäss als «Vorbereitung» übersetzt werden kann. Die erhöhte Aggressivität sei die kurzfristige Folge des Primings durch gewalttätigen Videospiele und nicht aussagekräftig. Die Forschenden testeten deshalb 90 Probanden über vier Monate hinweg. Resultat: Wenn jemand regelmässig gewalttätige Games spielt, wird er nicht zwingend aggressiver als Menschen, die entweder gar keine oder nur friedliche Computerspiele spielen.

Science-Check ✓

Studie:
Does playing violent video games cause aggression? A longitudinal intervention study
KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsWährend acht Wochen spielten Teilnehmer der ersten Gruppe ein gewaltsames Videospiel, die der zweiten ein friedliches und die der dritten keines. Am Computer wurden ihr Aggressionsverhalten, sexistische Ansichten, Empathie, zwischenmenschliche Fähigkeiten, impulsive Charaktereigenschaften sowie geistige Kontrollprozesse gemessen. Ausserdem füllten sie Fragebögen zu diesen Punkten aus. Beides fand direkt vor und nach der Versuchsperiode statt und ein drittes Mal zwei Monate danach. Masseinheiten für Aggression und soziales Verhalten sind allerdings kaum standardisiert und deshalb zwischen verschiedenen Studien schwierig zu vergleichen. Der Effekt von gewalttätigen Videospielen auf Kinder wurde in dieser Studie zudem nicht untersucht. Die Studie gibt deshalb einen Anhaltspunkt, wie Videospiele auf lange Zeit wirken können. Weitere Studien müssen die Ergebnisse aber bestätigen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Eher als der Inhalt scheint jedoch die Art des Spielens wichtig zu sein: Kooperative Spiele schneiden besser ab als kompetitive oder Single-Player-Games. Studien, die ein aggressiveres Verhalten festgestellt hätten, hätten auf Single-Player-Games zurückgegriffen, schreiben die Autoren einer Studie von 2012. Wenn ein Spieler hingegen mit einem anderen zusammen arbeitet, verhält er sich auch in der realen Welt kooperativer.

Einen Nachteil haben Gamer durch ihr Hobby in dieser Hinsicht also nicht unbedingt. Im Gegenteil: Immer mehr Studien bestätigen, dass Videospiele Gehirn und Verhalten positiv beeinflussen können.

Bestimmte Gehirnleistungen lassen sich mit Videospielen sogar gezielt trainieren. Zu solchen kognitiven Fähigkeiten gehören zum Beispiel räumliche Orientierung, Gedächtnisbildung oder strategisches Denken. Auch die Hände können Gamer präzise und schnell bewegen. Die Gehirnregionen, die für diese Fähigkeiten zuständig sind, werden messbar grösser, wenn jemand oft am Computer oder an der Playstation spielt.

Auch therapeutisch wirksam

Doch wie sieht es bei Jugendlichen und Kindern aus? Viele Eltern haben keine Freude, wenn ihre Kinder ihre Zeit mit Computerspielen zubringen. Weil sie beobachten, dass es die Kinder übermässig aufregt oder weil sie befürchten, die schulische Leistungen könnten darunter leiden. Videogames haben tatsächlich einen Einfluss darauf, wie Jugendliche ihre Gefühle ausleben. Indem die Spieler starke Emotionen wie Angst, Wut oder Erleichterung erleben, können sie lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen. Regelmässige Gamer empfinden Gefühle intensiver, können sie aber auch besser regulieren. Die Kehrseite: Für sie ist es schwieriger, ihre eigenen Empfindungen zu identifizieren und zu äussern. In extremen Fällen kann sich das als Gefühlsblindheit ­– oder in der Fachsprache: als Alexithymie – äussern.

Ob Videospiele die schulische Laufbahn beeinträchtigen, hängt vor allem davon ab, ob noch Zeit bleibt zum Lernen. Beim Gamen werden aber auch Fähigkeiten trainiert, die schulischen Leistungen entgegenkommen. Gamer zeichnen sich nämlich durch eine grosse Beharrlichkeit aus. Sie haben gelernt, nicht gleich aufzugeben; auch dann nicht, wenn sie ein Problem nicht auf Anhieb lösen können. Videospiele trainieren aber nicht nur die mentale Ausdauer, sie machen auch kreativer.

Mittlerweile hat auch die Medizin die Vorteile von Videospielen zu nutzen gelernt: Serious Games, also ernsthafte Videospiele, die nicht ausschliesslich zur Unterhaltung dienen, bieten eine Alternative zu herkömmlichen Psychotherapien. Sie stellen eine Ergänzung dar und helfen bei der Prävention. Patienten mit psychischen Leiden fehlt oft die Motivation für eine Therapie. Sie fangen deswegen gar nicht erst eine an oder brechen sie wieder ab. Mit Serious Games können Patientinnen und Patienten nun in kurzer Zeit und auf amüsante Weise Angststörungen und depressiven Verstimmungen bekämpfen. Auch Gesunde können davon profitieren: Eine kurze Auszeit, die man mit einem Computergame zubringt, lässt den Stress eher schwinden und hellt die Stimmung effektiver auf, als eine passive Pause, das Surfen im Internet oder aktive Entspannungsübungen. Ebenso können Videogames bei Kindern Symptome eines Aufmerksamkeitsdefizits, von Hyperaktivität oder von Autismus lindern.

Bildung durch Spiele

Nicht nur in der Medizin, auch in der Bildung halten Videogames langsam, aber sicher Einzug. Ein Versuch auf Barbados zeigte, dass Videospiele das Sozialverhalten von Kindern günstig beeinflussen können. Die Kinder spielten ein Computerspiel, das auf sexistische Gewalt sensibilisieren sollte. Tatsächlich reagierten sie danach empathischer als Gspänli, die während der gleichen Zeit normalen Unterricht hatten. Dieses Beispiel zeigt, dass Lehrpersonen Videospiele etwa zur Gewaltprävention einsetzen könnten.

Ein schlechtes Gewissen musst du also nicht haben, wenn du hin und wieder einige Stunden mit Gamen verbringst. Über all die positiven Effekte von Computerspielen darf man allerdings die Bewegung nicht vergessen. Sportliche Betätigung ist für die physische und psychische Gesundheit zentral. Doch auch darauf hat die Game-Industrie mittlerweile eine Antwort: Sie entwickelte kurzerhand Spiele, die einen zum Sporttreiben animieren. So können Videospiele nicht nur die geistige, sondern auch die körperliche Fitness nachhaltig fördern.

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