Das musst du wissen

  • Blick in die Glaskugel: Das Gottlieb Duttweiler Institut macht Prognosen über die Ernährungstrends der nächsten Jahre.
  • Der Bericht besagt: Konsumenten werden vermehrt darauf achten, gute und wichtige Bakterien im Körper zu stärken.
  • Gefragt sind je länger je mehr unverpackte Lebensmittel und Alternativen zu Fleisch.

Das neue Jahr bringt eine ganze Reihe mehr oder weniger gewagter Vorhersagen mit sich, und die Ernährung ist da keine Ausnahme. Welche Lebensmittel werden 2022 in der Schweiz angesagt sein? Was wird Neues auf unserem Teller landen, was wird verschwinden, und warum?

Weshalb wir darüber reden. Von einem kurzlebigen Ernährungstrend bis hin zu tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft – Entwicklungen und Prognosen innerhalb der Branche sind mit wirtschaftlichen, ökologischen, politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen verbunden. Und ganz nebenbei machen sie uns neugierig.

Das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) versucht seit 2008, solche Vorhersagen zu machen. Alle zwei Jahre veröffentlicht der von der Migros gegründete Think Tank, der sich auf Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum spezialisiert hat, seinen «Bericht über europäische Ernährungstrends». Die letzte Ausgabe wurde im Herbst 2021 publiziert.

Science-Check ✓

Studie: Name der Studie: European Food Trends Report 2021KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsFür den Report hat das Gottlieb Duttweiler Institut von Februar bis Juli 2021 qualitative Online-Interviews mit Wissenschaftlern, Expertinnen und Industrievertretern aus Europa, den USA und Ozeanien durchgeführt. Das Ziel des GDI-Reports sind nicht genaue Prognosen. Vielmehr werden mögliche künftige Entwicklungen durchgespielt. «Trendforschung ist spekulativ», halten die Verfassenden denn auch fest.Mehr Infos zu dieser Studie...

Die Methode. Um zu einem Gesamtbild zu gelangen, führten die Autoren Gespräche mit Akademikern, Wissenschaftlern und Industrievertretern in Europa und auf anderen Kontinenten. Christine Schäfer, eine der Co-Autorinnen, fügt hinzu:

«Wir haben auch Werkzeuge, mit denen wir soziale Netzwerke analysieren können, um zu wissen, was im Internet passiert – welches die heissesten Themen auf Twitter sind und welche Branchen die meisten Start-ups anziehen. Zu sehen, wohin die Investitionen fliessen, ist ebenfalls ein sehr guter Indikator für Ernährungstrends.»

Grundlegende Veränderungen. Die Autoren können nicht über mögliche kurzlebige Hypes spekulieren – wie zum Beispiel bunte Verpackungen vor einigen Jahren, die dann zu minimalistischen Verpackungen übergingen. Stattdessen heben sie den Einfluss der Pandemie hervor und sehen kurz- und mittelfristige Perspektiven:

  • Die Nutzung des Online-Handels und der Lieferung nach Hause.
  • Wachsende Aufmerksamkeit für die Auswirkungen der Ernährung auf unsere Gesundheit.

«Eine der grössten Veränderungen, die wir in diesem Bereich beobachten, ist die Berücksichtigung des Mikrobioms», sagt Christine Schäfer. Das ist die Gesamtheit der Viren, Bakterien und Pilze, die in Kolonien in unserem Körper und auf unserer Haut leben. Die richtige Ernährung dieser Mikroorganismen wird in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Thema werden.

Die Expertin, die an der Erstellung der drei vorherigen Berichte beteiligt war, sagt dazu:

«Das ist ein riesiges Thema. Wir fangen gerade erst an zu begreifen, dass das Mikrobiom unsere körperliche und geistige Gesundheit, unser Gedächtnis und unser Funktionieren beeinflusst.»

Die Rückkehr des guten Essens. Eine Frage ist zudem, wie sich das Ende der Pandemie – wenn es denn kommt – auf die Gewohnheiten der Verbraucher auswirken wird. In den letzten Monaten standen die sogenannten «Dark Kitchen» im Vordergrund – also Küchen ohne Sitzplatz und Service, die ausschliesslich für Lieferdienste produzieren. Das Ende der Gesundheitseinschränkungen werde wahrscheinlich mit dem Wunsch einhergehen, in ein Restaurant zu gehen, «um etwas zu erleben», vermutet Christine Schäfer.

Die Fortsetzung einiger Veränderungen. Einige Lebensmittel und landwirtschaftliche Methoden, die gestern begonnen haben, dürften auch morgen noch an Bedeutung gewinnen, so der Bericht des Gottlieb Duttweiler Instituts:

  • Alternative Proteine zu Fleisch
  • Synthetisches Fleisch. Die Marktdurchdringung wird nicht mehr durch technische, sondern durch preisliche und regulatorische Faktoren begrenzt, betont Christine Schäfer. Sie geht davon aus, dass Fastfood-Ketten eine wichtige Rolle bei der Entdeckung von synthetischem Fleisch spielen werden, ebenso wie bei verarbeiteten Fleischersatzprodukten.
  • Vertikale Landwirtschaft: Gemeint ist ein Zukunftsmodell, bei dem zum Beispiel Gemüse in mehrstöckigen Gewächshäusern gezüchtet wird oder auf städtischen Bauernhöfen.
  • Landwirtschaft 4.0. Dies bedeutet, dass die Landwirte verschiedene Technologien einsetzen: Drohnen, Mikrochips, GPS und andere Geolokalisierungssysteme. Dies auf den Feldern und in den landwirtschaftlichen Maschinen.

In den Regalen. Diese Veränderungen sind in der Schweiz bereits im Gange. Der Grossverteiler Coop sieht eine erhöhte Nachfrage nach veganen Produkten, unverpackter Ware sowie Produkten mit nachhaltigerer Verpackung. Barbara Pfenniger, die seit über einem Jahrzehnt bei der Westschweizer Konsumentenschutzorganisation «Fédération romande des consommateurs» die Lebensmittelbranche verfolgt, beobachtet auch eine kontinuierliche und wachsende Rücksichtnahme auf Umwelt und Gesundheit, die sich noch verstärken wird. Und mit ihnen ein «Greenwashing» mit immer «grüneren» Verpackungen und Behauptungen, prognostiziert sie.

In diesem Sinne erwartet Barbara Pfenniger auch eine zunehmende Verwendung von schnell verzehrbaren Ersatzstoffen für Fleisch und tierische Lebensmittel – als Antwort auf den Wunsch, weniger Zeit in der Küche verbringen zu müssen und mit gutem Gewissen essen zu können.

«Angesichts der Explosion des Marktes und der sehr unterschiedlichen Qualitäten denke und hoffe ich, dass die Verbraucher anspruchsvoller werden. Ich erwarte, dass minimalistischere Produkte auf den Markt kommen, Alternativen mit einer kleinen Anzahl von wenig verarbeiteten Zutaten, ähnlich wie bei Joghurt.»

Die Swiss Retail Federation, der größte Schweizer Einzelhandelsverband, dem unter anderem Aldi, Lidl und Manor angehören, sieht «großes Potenzial» im Online-Handel und in der Expresslieferung. Viele Menschen haben während der Pandemie zum ersten Mal Lebensmittel online gekauft und werden dies wahrscheinlich auch in Zukunft tun, vermutet der Verband.

Wie sieht es auf lange Sicht aus?? Wie kann man in einer Welt mit einer wachsenden Weltbevölkerung – 2050 sollen zehn Milliarden Menschen ernährt werden – die individuelle und öffentliche Gesundheit mit der Dringlichkeit der Umweltprobleme in Einklang bringen?

Unsere Nahrungsmittelsysteme werden sehr bald eine Gleichung finden müssen, heisst es im fünfzig-seitigen Bericht des GDI. Die Autoren betrachten drei ineinandergreifende – mehr oder weniger realistische – Szenarien, um die Zukunft dieser Systeme zu beschreiben.

  • Der sture Optimismus

Bestehende Technologien und solche, die sich noch in der Entwicklung befinden, werden die Produktivität steigern. Dies, um die Nachfrage zu befriedigen, ohne dass die Verbraucher zwangsläufig ihre Gewohnheiten ändern müssen. Präzisionslandwirtschaft, vertikale Farmen und Labornahrung sind dabei wichtige Stichworte. «Eine Behandlung der Symptome», fasst Christine Schäfer zusammen.

  • Die radikale Regeneration

Das Hauptziel hierbei ist die Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft muss sich an die Umwelt und die lokalen Bedürfnisse anpassen. Letztere müssen übrigens mit einem genügsameren Lebensmittelkonsum nach unten korrigiert werden.

  • Die strenge Regulierung

Das Verhalten der Verbraucher und die Praktiken der Hersteller werden durch Anregungen geformt, um die Kosten für Wirtschaft und Umwelt zu minimieren.

In diesem Szenario, das einem dystopischen Roman gleicht, werden guten Schülern, die ihre Abfälle trennen oder sich bewegen, «gute Punkte» gutgeschrieben. Diese berechtigen dann zu Belohnungen wie einer Portion Fleisch, einem freien Tag oder einem Essen in einem renommierten Restaurant.

Was werden wir morgen essen? Die Frage ist weitreichend und kurzfristige Spekulationen sind riskant, aber es zeichnen sich langfristige Veränderungen ab.

Kurz gesagt: Unser Essen wird sich nicht von heute auf morgen radikal verändern. Es gibt jedoch wichtige Ereignisse, welche die Ernährung in der Schweiz verändern können.

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Er wurde von Ramona Nock aus dem Französischen übersetzt.

Heidi.news

Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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