Noch nie war es so leicht und bequem, an Informationen zu gelangen. Viele beschreiben unsere Gesellschaft zu Recht als eine Wissensgesellschaft. Tatsächlich kann ich mit dem Smartphone in meiner Hosentasche Antworten auf praktisch alle Fragen in Sekundenschnelle im Internet finden. Die augenblickliche Verfügbarkeit jeglicher Information konfrontiert mich aber auch mit dem Problem, dass ich entscheiden muss, welcher Information ich vertrauen darf. In Zeiten von «fake news» und subtiler und weniger subtiler Medienmanipulation wird das zusehends zu einer anspruchsvollen und gesellschaftlich wichtigen Aufgabe. Wie kann ich also entscheiden, welchen Informationen ich vertrauen kann?
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Stephan Neuhauss
Professor für Neurobiologie
Stephan Neuhauss ist Professor für Neurobiologie an der Universität Zürich und seit 2017 Prodekan Forschung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Er ist im wissenschaftlichen Beirat der Skeptiker Schweiz.
Die westliche Philosophie hat uns hier die Herangehensweise der Skepsis an die Hand gegeben. Oftmals wird dieser Begriff mit Zweifel gleichgesetzt, was aber nur die eine Seite der Medaille ist. Beim Skeptizismus steht zwar der Zweifel am Anfang, allerdings mit dem Ziel, ihn durch systematisches Hinterfragen aufzulösen. Im Sinne der Aufklärung ist die Richtschnur dieses Hinterfragens die eigene Vernunft. Dieses Hinterfragen sollte ergebnisoffen und auf objektivierbare Tatsachen begründet sein. Dadurch steht Skeptizismus im Widerspruch zu Impf- oder Klimaskeptikern, die zwar zweifeln, aber vorhandene Erkenntnisse nicht ergebnisoffen bewerten.
Die skeptische Vorgehensweise ist die Grundlage der wissenschaftlichen Methode, auf welcher der wissenschaftliche Fortschritt und die evidenzbasierte Medizin beruhen.
Wie kann man nun aber etwas einer skeptischen Prüfung unterziehen? Zunächst einmal gilt es, die Verlässlichkeit der Quelle zu prüfen. Informationen auf einer Webseite der «flat earth society» sind möglicherweise weniger verlässlich als die einer etablierten Universität. Sind die Aussagen belegt, zum Beispiel durch wissenschaftlich referierte Fachartikel? Macht die Aussage aus dem Blickwinkel meiner eigenen Erfahrung Sinn? Verfolgt die Informationsquelle eine eigennützliche Intention? Will sie mich etwa zu einer Spende, dem Kauf eines Produktes oder der Akzeptanz einer politischen Aussage motivieren?
Wichtig ist dabei auch die eigene Voreingenommenheit (auf Englisch «Bias»). Derer gibt es viele. So hält man etwa automatisch eher Dinge für wahr, die den eigenen Überzeugungen entsprechen, unabhängig von ihrem objektiven Wahrheitsgehalt.
Bleibt noch die Frage, warum ich es für wichtig halte, Informationen solch einer Prüfung zu unterziehen? Zunächst einmal mag es mich vor wirtschaftlichem Schaden bewahren, wenn ich Kaufversprechen gründlich prüfe. Für mindestens ebenso wichtig halte ich das skeptische Hinterfragen aber hinsichtlich unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. Nicht erst seit den Präsidentschaftswahlen in den USA und der Brexit-Abstimmung ist klargeworden, dass unser Meinungsbild und damit auch unser Abstimmungsverhalten massiv manipuliert wird. Es wird also immer schwieriger, zu einem unabhängigen, begründeten Urteil zu gelangen. Darauf aber fusst unsere demokratische Gesellschaftsordnung, insbesondere in der Schweizer Volksdemokratie.
Zu guter Letzt empfinde ich es als Teil meiner Menschenwürde, mit Hilfe meiner eigenen Vernunft Informationen tatsachenbasiert zu bewerten.
