Die Menschen werden älter. Gemäss eines aktuellen Berichts der Deutschen Bank gibt es global erstmals mehr Menschen, die 65 Jahre und älter sind, als unter 5 Jahre alt. So nehmen auch Augenkrankheiten wie die die altersbedingte Makuladegeneration zu. Die Erkrankung der Netzhaut führt zu einer starken Beeinträchtigung des Sehvermögens. Neben Medikamenten verwenden Augenärzte auch Laser, um die fortschreitende Degeneration der Netzhaut zu stoppen. Dasselbe tun sie auch bei der diabetischen Retinopathie.

Bei diesen beiden Krankheiten bringt die sogenannte selektive Retinatherapie einen grossen Fortschritt. Dabei wird mithilfe eines Lasers eine bestimmte Schicht der Netzhaut – das retinale Pigmentepithel – gezielt zerstört, um die Blutungen und Gefässneubildungen in der Netzhaut sowie die Netzhautablösung zu stoppen. Die Schwierigkeit bei diesem Verfahren besteht darin, die Energie der Laserimpulse genau zu dosieren. Gelingt dies nicht, werden nämlich auch Sehzellen zerstört – und zwar unwiderruflich. Die Herausforderung ist gross, bei dieser Behandlung spielt sich alles im Mikrobereich ab.

Überwachung in Echtzeit

In einem gemeinsamen Projekt mit industriellen Partnern hat das HuCE-optoLab der Berner Fachhochschule jetzt ein Gerät entwickelt, das Fortschritte verspricht: Es könnte die Therapie für den Patienten sicherer und schonender machen. Die Idee dahinter: Im Gerät mit dem Namen Spectralis Centaurus sind zwei Laser integriert, die simultan eingesetzt werden – der neu integrierte Therapielaser führt die Behandlung aus, während der andere permanent Tiefenscans der Netzhaut erstellt. Während die Leistung des Behandlungslasers kontinuierlich gesteigert wird, überwacht eine Software die Scans und gibt dem Behandlungslaser innerhalb von Millisekunden ein Feedback. Sobald die notwendige Dosis erreicht ist, wird die Leistungserhöhung gestoppt, und die Behandlung abgebrochen. Das verhindert eine Überdosierung durch den Laser, die zur Beschädigung der Sehzellen führen würde. Innovativ ist hier insbesondere, dass die Laserbehandlung der Netzhaut in Echtzeit überwacht und gesteuert wird.

Um dies möglich zu machen hat der Mitarbeiter und Masterstudent der Berner Fachhochschule Christian Burri einen Spectralis-OCT-Diagnosegerät der Firma Heidelberg Engineering und einen Kurzpuls-Behandlungslaser der Thuner Firma Meridian kombiniert. Um die zwei Laserstrahlen übereinanderlegen zu können, mussten die Optiken beider Geräte angepasst werden. Bei der Entwicklung der Steuerungssoftware wiederum waren die Informatikkompetenzen der BFH gefragt. Und «last but not least» war auch die mechanische Konstruktion des Gerätes eine grosse Herausforderung: Es musste eine sehr komplexe, stabile und gleichzeitig kompakte Trägerstruktur gebaut werden.

Prototyp in einem Tag

Die Konstruktion eines solchen Gehäuse-Prototyps mit zahlreichen Hohlräumen und verwinkelten Kanälen wäre mit konventionellen Methoden – zum Beispiel Gusstechnik oder Zusammenfügen von zahlreichen Einzelteilen – sehr aufwendig und somit teuer gewesen. Für solche Fälle können sogenannte additive Fertigungsverfahren eine interessante Alternative sein. Bekannter sind sie unter dem Begriff 3D-Druck. Die BFH verfügt mit dem Switzerland Innovation Park Biel (SIPBB) über einen Partner mit viel Know-how in dieser Technologie in nächster Nähe. Dessen Forschungsabteilung Swiss Advanced Manufacturing Center hat im Bereich der additiven Fertigung in den letzten Jahren grosse Kompetenzen aufgebaut. Von grossem Nutzen waren dabei auch die Synergien, die mit der Firma ProtoShape entstanden sind, einer Pionierin im Bereich des metallischen 3D-Drucks.

Die Fertigung des Gehäuses erfolgte mit dem Verfahren Selective Laser Melting. Dieses erlaubt den schichtweisen Aufbau von komplexen Geometrien in zwei Schritten: Zuerst wird eine dünne Schicht Metallpulver aufgetragen – in diesem Fall Aluminium. Anschliessend bringt ein Laser das Pulver an den gewünschten Stellen zum Schmelzen. Der Vorgang – Pulver auftragen und schmelzen – wird so oft wiederholt, bis die Höhe des Bauteils erreicht ist. Zuletzt kann der verfestigte Aluminiumkörper entnommen werden. Die Herstellung des Gehäuse-Prototyps im SIPBB dauerte nur einen Tag, und das Resultat erfüllte die hohen Ansprüche auf Anhieb.

Christoph Meier erklärt, wie der 3-D-Drucker die Konstruktion des neuen Netzhautlasers ermöglicht.

Erfolgreich bei Schweinen

Inzwischen hat das HuCE-optoLab das Verfahren der OCT-überwachten selektiven Retinatherapie an Augen von Schweinen bereits erfolgreich getestet. Voraussetzung für eine Zulassung des Geräts ist selbstverständlich eine Patientenstudie. In einer umfangreichen Dokumentation muss das Labor jetzt die Normengerechtigkeit seiner Entwicklung nachweisen, bevor die Zulassungs- und Aufsichtsbehörde Swissmedic die Bewilligung dazu erteilt. In Anbetracht der Zunahme von Augenleiden in der alternden Bevölkerung dürfte ein grosses Interesse für eine patientenschonende Lasertherapie vorhanden sein.

BFH

Auf Bild A ist ein Schweineauge zu sehen, welches mit dem Spectralis-Centaurus-Behandlungslaser beschossen wird. Bild B zeigt einen Schnitt durch eine Testbeschädigung (eingerahmt), die in der Netzhaut eines Schweinauges angebracht wurde. Und auf Bild C sieht man typische Laserschäden im retinalen Pigmentepithel.

Die BFH selbst kann durch solche Projekte ihr Know-how in realen industriellen Anwendungen verfeinern. Dies wiederum gewährleistet, dass die Dozierenden stets am Puls der aktuellen Forschung und Entwicklung bleiben.

Die beiden Augenkrankheiten kurz erklärt

Die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Ursache für eine Sehbehinderung im Alter. Als Makula wird das Zentrum der Netzhaut bezeichnet, welches das scharfe Sehen ermöglicht. Bei manchen Menschen kommt es im Alter aus unklaren Gründen zu Veränderungen (Degeneration) in diesem Bereich, die zu einer Sehverschlechterung führen. Da die AMD nur die Netzhautmitte, nicht aber die äusseren Bereiche betrifft, wird auch bei fortgeschrittener Erkrankung nur das Sehen im Zentrum schlecht, nicht aber das periphere Sehen oder die Orientierung im Raum. AMD-Patienten werden daher nicht blind im engeren Sinn. Sie können sich fast immer mit dem peripheren Sehen orientieren und sich so zum Beispiel in der eigenen Wohnung zurecht finden oder ohne Führung spazieren gehen.

Quelle: Augenklinik Universitätsspital Zürich

Als diabetische Retinopathie bezeichnet man die durch die Zuckererkrankung (Diabetes mellitus) hervorgerufene Erkrankung der Netzhaut des Auges. Durch den erhöhten Blutzuckerspiegel kommt es zu Änderungen des Blutflusses in den kleinen Blutgefässen und zu Stoffwechselveränderungen in den die Blutgefässe umgebenden Zellen. Diese Schädigung kann zu einem Verschluss der kleinsten Netzhautgefässe führen. Dieser Verschluss wiederum kann eine Sauerstoffunterversorgung der von den Gefässen abhängigen Netzhautanteile verursachen. Das Erblindungsrisiko bei Diabetikern ist fünf bis zehn Mal höher als bei einem Nicht-Diabetiker.

Quelle: Augenzentrum Basel

Kontakt zum Projektverantwortlichen: Prof. Dr. Christoph Meier, Professor für Physik und Optik.

Berner Fachhochschule BFH

Hier präsentiert die Berner Fachhochschule BFH Geschichten aus der Forschung.
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