Wo immer eine neue Antenne für Mobilfunk installiert werden soll, regt sich Widerstand. So hat sich in Zürich ein ganzes Quartier zusammengeschlossen, um gegen einen neuen Mast zu kämpfen. Es geht dort um eine Sendeanlage für die neue Generation von Mobilfunk – genannt 5G. Was die besorgten Leute nicht beachten: Der Widerstand bewirkt gerade das Gegenteil von dem, was sie wollen: Mehr Strahlung.

Mit 5G wird Surfen noch schneller. Es verspricht:

  • Bis 100-mal mehr Datendurchsatz als das heutige 4G-Netz.
  • Über 100-mal mehr Verbindungen pro Flächeneinheit als 4G.
  • 1000-mal geringerer Energieverbrauch pro übertragener Informationseinheit.

Nicht alles davon ist heute nötig. Wir können ja jetzt schon im rasenden Intercity Videos anschauen. Was wollen wir noch mehr?

Das ist eine schlechte Frage, denn auch als die Netze von 3G auf 4G umgestellt wurden, war nicht klar, dass irgendwann mal Hunderte Personen im Intercity gleichzeitig vom Streamingdienst Musik hören oder Filme schauen wollen. Ich schreibe bewusst wollen. Denn niemand zwingt uns, diese Dienste zu nutzen.

Und nun wehren sich also Anwohner gegen neue Sendemasten. Man befürchtet Schäden durch die Strahlung – oder zumindest Kopfweh oder schlechten Schlaf.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

  • Erstens: Die höchste Strahlenbelastung verursacht das Telefon und nicht der Sendemast. Darum nicht mit dem Telefon am Ohr telefonieren, sondern mit Headset.
  • Zweitens: Es sind bis heute keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch Mobilfunkstrahlung nachgewiesen. Und wenn mal eine Studie einen leichten Hinweis in diese Richtung findet, sind die Effekte extrem klein. Für Krebs am Hörnerv etwa wurde in der grössten bisher durchgeführten Studie, die sogenannte Interphonestudie, eine um den Faktor 1,3 erhöhte Wahrscheinlichkeit für Vieltelefonierer nachgewiesen. Zum Vergleich: Rauchen steigert das Risiko für Lungenkrebs um etwa den Faktor 70.

Trotz solch tiefer Wahrscheinlichkeiten bei Handystrahlung heisst es, es gelte das Vorsorgeprinzip. Stimmt. Man wolle auf Nummer sicher gehen. Also: kein Mast in unserem Quartier. Das ist die typische NIMBY-Reaktion. Not in my Backyard. Will heissen: überall Antennen, aber nicht bei mir. Das ist unfair. Oder verzichten die Antennen-Gegner konsequent auf den Gebrauch des Mobilephone, wenn sie bei anderen Leuten vor dem Haus durchgehen?

Und – um wieder auf die Wissenschaft zu kommen: Der Widerstand gegen Antennen bewirkt wie schon gesagt genau das Gegenteil von dem, was man erreichen will: Je weniger Antennen aufgestellt werden, desto höher muss die Strahlung einer einzelnen Antenne sein, um die Bedürfnisse abzudecken. Und auch mein Handy muss mehr strahlen, um die weiter entfernt stehende Basisstation zu erreichen.

Das Beste für die Gesundheit wären also viele Antennen mit geringer Strahlung. Das reduziert auch die Abstrahlung des eigenen Mobiltelefons.

Zum Schuss wieder mal eine Quizfrage: Wo sind wir der höchsten Handystrahlung ausgesetzt? Eine Schweizer Studie zeigt, dass die Belastung in öffentlichen Verkehrsmitteln etwa zwei bis dreimal höher ist als zum Beispiel in der Stadt. Weil man heute unterwegs eben Musik hört und Videos schaut.

Also: Die weitaus wirksamste Massnahme um sich gegen elektromagnetische Strahlung zu schützen, wäre, nicht Zug fahren. Oder im Zug nicht Videos schauen. Denn niemand zwingt dich dazu.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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