Ihr glaubt das nicht? Ich habe das schon hunderten von Leuten gezeigt. Immer noch nicht überzeugt? Aber ich brauche eure Hilfe. Ihr müsst alle ganz fest daran glauben, dann geht es.

Achtung!

higgs

So blöd, offenbar war eure Konzentration zu wenig hoch. Sonst klappt das immer.

Okay, entlarvt, ich habe keine magischen Kräfte.

Aber das Beispiel zeigt, wie esoterische Argumentation funktioniert. Man knüpft eine Behauptung an eine Bedingung, die nicht zu erfüllen oder nicht überprüfbar ist. Damit wird die Behauptung unangreifbar. Denn es gibt immer eine Begründung, warum dies oder das gerade nicht klappt, wenn jemand es überprüfen will.

Das ist typisch für allen esoterischen Firlefanz. Sobald man ihn überprüfen will, verflüchtigt er sich.

So war es auch bei der längsten Recherche, die ich je in meinem journalistischen Leben angestellt habe. Es soll Maschinen geben, die Energie aus dem Universum gewinnen. Tachyonen-Energie, freie Energie, Äther-Energie oder wie auch immer das heisst. Ich habe solche Maschinen tatsächlich gefilmt. Zum Beispiel an einem Kongress. Als ich aber bat, man solle doch das Netzkabel ausziehen, damit ich sehe, dass das Gerät nicht einfach am Strom läuft, gab es natürlich hundert Gründe, warum das nicht möglich sei. Mich hat’s nicht erstaunt.

Was mich hingegen erstaunte, war, dass Dutzende von Leuten, die dasselbe sahen wie ich, nämlich eine Maschine, die am Stromnetz hängt und sich dreht, die Geschichte von der freien Energie glaubten – viel mehr noch mich sogar ausbuhten, weil ich der Sache auf den Grund gehen wollte.

Auch Rutengänger habe ich gefilmt. Alle scheiterten. Natürlich nicht, weil ihre mystischen Kräfte sie verlassen hatten, sondern weil die Kamera störte, oder der Tag der falsche war. Das ist typisch für Rutengänger, Gesundbeter, Menschen mit einem dritten Auge und so weiter.

Wissenschaft lebt davon, hinterfragt zu werden. Esoteriker haben immer recht.

Auch wenn man sie demaskiert, geben sie ihren Glauben, oder vielmehr Irrglauben nicht auf. Sie finden immer einen Schuldigen, der die Erfüllung des Versprechens gerade verunmöglicht hat.

Fazit: Esoteriker kann man nicht hinterfragen.

Das sei bei der Wissenschaft genau gleich, behaupten einige. Man könne auch nicht überprüfen, was Physiker, Medizinerinnen oder andere Forschende sagen. Darum glauben sie der Wissenschaft nicht. Denn, was sei schon wahr?

Stopp.

Kein Wissenschaftler behauptet, die Wahrheit zu kennen. Das ist gerade das Kennzeichen von Wissenschaft: Keine Aussage, kein Resultat, keine Regel ist endgültig. Es wird permanent alles hinterfragt, überprüft, verworfen und so verbessert. Es geht um Beweise und nicht um Behauptungen.

Und Erkenntnisse gelten erst, wenn sie veröffentlicht und überprüft sind.

Genau daran kann man Esoterik von Wissenschaft unterscheiden. Wissenschaft lebt davon, hinterfragt zu werden. Esoteriker haben immer recht.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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