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Auch ich spüre es: Ich surfe durch Facebook, Linkedin, Instagram und so weiter, suche Information, News, Anregung, irgendeinen Kick, der mich befriedigt – lege irgendwann das Smartphone zur Seite – und fühle mich unbefriedigt, mies gelaunt, einfach schlecht.

Diesen Effekt hat ein US-amerikanisches Forschungsteam an rund 5000 Personen aller Altersklassen untersucht. Es waren Personen, die an einer regelmässigen Gesundheitsbefragung in den USA teilnehmen und dort keine oder höchstens sehr milde Anzeichen von Depression gezeigt haben.

Sie wurden zwischen Mai 2020 und Mai 2021 mehrfach befragt. Welche sozialen Medien haben sie konsumiert: Facebook, Instagram, Linkedin, Pinterest, Tiktok, Twitter, Snapchat, und Youtube. Telegram, das in den USA nicht sehr verbreitet ist, fehlt leider. Sie wurden auch gefragt, über welche Newskanäle sie sich über Covid-19 informieren und – ganz wichtig – ob sie in den letzten 24 Stunden mit Familienmitgliedern oder Freunden über persönliche Sorgen haben reden können.

Das Resultat: Menschen, die häufig Facebook, Snapchat und Tiktok konsumieren, zeigen eher Anzeichen von Depression als jene, die Social Media fernbleiben.

Balkendiagramm zu den einzelnen Kanälen.team higgs; Icons: siehe unten.

Wobei man weiter differenzieren muss.

Unterschiede je nach Kanal und Alter

Die Studie hat ergeben, dass verschiedene soziale Medien unterschiedliche Alterskategorien beeinflussen. Menschen unter 35 scheinen mit Snapchat und Tiktok keine Probleme zu haben, die Älteren gleiten gerade bei der Nutzung dieser Plattformen eher in Depressionen. Warum das so ist, bleibt unklar. Möglicherweise ist der Grund, dass die stark visuellen Medien eher auf ein jüngeres Publikum abzielen.

Hingegen sind unter-35-jährige Facebook-User besonders depressiv geworden, während ältere kaum betroffen schienen. Auch hier ist unklar, woran genau das liegt. Einen nur leicht deprimierenden Effekt hatte Youtube. Gar keinen Effekt zeigten Linkedin und Twitter. Und wer Pinterest konsumierte, dem ging es tendenziell sogar etwas besser. Irgendwie auch klar, der Kanal ist eher als positive und inspirierende Quelle gedacht.

Soziale Kontakte als Gegengift?

Lässt sich der negative Effekt der Social Media irgendwie kompensieren? Ein Gegengift sozusagen? Leider nein. Weder der Konsum von Fernseh- oder Internetnachrichten noch die soziale Unterstützung oder die Anzahl der täglichen Face-to-Face-Interaktionen änderte etwas an dem Befund. Mit einer Ausnahme: Snapchat macht zwar depressiv, aber wer sich daneben auch noch über traditionelle Medien informiert, kann diesen negativen Effekt nicht ganz, aber doch stark kompensieren.

Ursache und Wirkung unklar

Unklar ist, wer das Huhn und wer das Ei ist.
Führt der Konsum von sozialen Medien ursächlich zu depressiver Verstimmung? Oder verlieren sich Leute, die für Depression anfällig sind, eher in diesen Kanälen?

Klar ist hingegen: wenn du nicht gut drauf bist, suche keine Ablenkung oder Trost in den sozialen Medien. Es geht dir danach nicht besser. Und ohne Social Media begegnest du auch weniger Verschwörungstheorien und Hass. Wer im Netz radikal als Wutbürger oder Impfskeptikerin unterwegs ist, ist an einem sonnigen Tag im Wald einfach ein Mensch, der mit seinem Hund unterwegs ist. Das ist die Chance, an einem sonnigen Tag im Wald mit einem Menschen fern von Corona ein nettes Schwätzchen zu halten.

Social-Media-Icons in den Grafiken und im Slider auf der Startseite: Freepik, Md Tanvirul Haque, Pixel perfect, Rakib Hassan Rahim, riajulislam, Ruslan Babkin, from flaticon.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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