Das musst du wissen

  • Mehr als die Hälfte aller Fachartikel zur Artenvielfalt erscheint auf Englisch.
  • Gerade in artenreichen Regionen wie Lateinamerika werden jedoch viele Studien in anderen Sprachen publiziert.
  • Daher plädieren Forschende für mehr Berücksichtigung der Vielsprachigkeit – auch in anderen Disziplinen.
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Englisch ist im zwanzigsten Jahrhundert zur «Lingua franca» der Wissenschaft geworden: Forschende auf der ganzen Welt publizieren in Englisch und ein Grossteil des wissenschaftlichen Austauschs findet in dieser wichtigsten Weltsprache unserer Zeit statt. Doch lange nicht alle Forschenden sprechen Englisch: Weltweit werden zahlreiche Studien in anderen Sprachen publiziert. Wie weit verzerrt dies die Perspektive von Forschenden, die sich lediglich auf englischsprachige Literatur verlassen? Mit dieser Frage hat sich ein Internationales Forschungsteam in einer Studie beschäftigt, die in der Fachzeitschrift Plos Biology erschien.

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Studie: Tapping into non-English-language science for the conservation of global biodiversityKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsAuch wenn sich Biologinnen und Biologen mit Studien zur Artenvielfalt verfasst haben: Das Ziel der Studie war kein Beitrag zur Arterhaltung, sondern die wissenschaftliche Methodik hinsichtlich der Berücksichtigung der Sprachenvielfalt kritisch zu betrachten. Limitiert wird die Aussagekraft diesbezüglich durch den Fokus auf ein einziges Forschungsgebiet. Darüber hinaus wurde die qualitative Untersuchung der verschiedensprachigen Studien von verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführt, wobei die Untersuchungskriterien nicht studienweit genau gleich waren.Mehr Infos zu dieser Studie...

Um den Mehrwert nicht-englischer Literatur für die Wissenschaft zu quantifizieren, untersuchten die Forschenden Wissenschaftsliteratur zum Artenschutz in über dreihundert Fachmagazinen in 16 Sprachen. Die Mehrheit aller Studien wurde in Englisch publiziert. Jedoch zeigte sich, dass der englischsprachigen Forschung ein signifikanter Anteil der Artenvielfalt entgeht: Von rund neunhundert Vogelarten wurden über zweihundert nur in nicht-englischer Literatur besprochen. Von rund achthundert Säugetieren waren immerhin 64 nicht in englischsprachigen Studien vertreten.

Angesichts dessen kommen die Forschenden zum Schluss, dass nicht-englischsprachige Studien einen bedeutenden Einfluss auf den Artenschutz haben. Denn die Forschung auf Englisch ist nicht weltweit gleich verteilt: In Lateinamerika – einer äusserst relevanten Region für den Artenschutz – wird ein Grossteil der Wissenschaftsliteratur in Spanisch oder Portugiesisch verfasst. Auch in Ländern wie Japan, China oder Russland sind englischsprachige Studien vergleichsweise wenig verbreitet. Entgegen anfänglichen Vermutungen fanden die Forschenden ausserdem heraus, dass die Zahl der durchgeführten Studien in vielen Sprachen in den vergangenen Jahren zunahm. Sie kamen allerdings auch zum Schluss, dass das nicht-englischen Studie insgesamt etwas weniger zuverlässig waren.

Die nicht-englische Fachliteratur ist also nach wie vor relevant, wie die Autorenschaft der Studie am Beispiel der Biodiversität zeigt. Dessen sollten sich englischsprachige Fachautorinnen und -autoren bewusst sein, argumentiert die Forschungsgruppe. Denn gerade umfassende Metaanalysen, die eine Synthese des Forschungsstands erzeugen wollen, ziehen häufig nur englisch Studien bei – und unterschlagen damit relevante Erkenntnisse, die in anderen Sprachen aufgezeichnet wurden. «Wir sollten dieses Wissen nutzen und nicht verschenken», betont Kerstin Janke, verantwortlich für den deutschsprachigen Teil der Untersuchung, in einer Mitteilung. Daher plädieren die Biologinnen und Biologen einerseits für weitere Untersuchungen zur Sprachenvielfalt in anderen Disziplinen – und andererseits für mehr multilinguale Zusammenarbeit in der Wissenschaft.

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