Das musst du wissen
- Frauen treffen häufiger politisch motivierte Kaufentscheide als Männer.
- Dies kann jedoch nicht allein dadurch erklärt werden, dass Frauen häufiger einkaufen gehen.
- Geschlechtsspezifische Unterschiede in den Persönlichkeitsmerkmalen könnten eine Rolle spielen.
Eine wachsende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern berücksichtigt beim täglichen Einkauf und Konsum, woher ein Produkt kommt und wie es hergestellt wurde. Zum einen werden Produkte, die beispielsweise unter fairen und sozialen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden (Fairtrade) oder bestimmten ökologischen Standards entsprechen (Bio), gegenüber konventionellen Produkten bevorzugt. Zum anderen werden gewisse Lebensmittelproduzenten oder Kleidungshersteller boykottiert, welche ihre Produkte unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, nicht artgerechter Tierhaltung oder mittels umweltschädlicher Prozesse herstellen.
Frauen politisieren anders
Wenn Konsumenten ihre Kaufkraft benützen, um politische, ethische, soziale oder ökologische Anliegen zu äussern und anzugehen, dann spricht man von politischem Konsumverhalten. Politischer Konsum stellt somit eine unkonventionelle und alternative Form dar, mittels der sich die Bevölkerung zunehmend politisch beteiligt.
Klassische Formen der politischen Beteiligung, wie beispielsweise die Mitarbeit an oder die finanzielle Unterstützung von Kampagnen oder der Beitritt zu Parteiorganisationen, sind seit jeher eindeutig von Männern dominiert. Bei neueren, unkonventionellen Beteiligungsformen wie dem politischen Konsum hingegen sind häufiger Frauen in der Federführung. Frauen boykottieren häufiger Produkte oder kaufen häufiger bewusst bestimmte Produkte ein als Männer. Dies ist ein Hinweis dafür, dass sich Frauen nicht generell weniger politisch engagieren als Männer, sondern anders.
Warum politisieren Frauen anders?
Bisherige Versuche, die umgekehrte Geschlechterdifferenz zu erklären, stützen sich auf drei klassische theoretische Modelle, die entwickelt wurden, um geschlechtsspezifische Unterschiede in traditionellen Formen politischer Partizipation zu beleuchten.
An erster Stelle der klassischen Modelle steht das Argument, dass Frauen im Vergleich zu Männern strukturell, also sozioökonomisch, benachteiligt sind und sich daher eher zu alternativen, weniger institutionalisierten Formen des Engagements hingezogen fühlen.
Als weitere Erklärung wird angeführt, dass Frauen dazu neigen, sich in Formen der politischen Partizipation zu engagieren, die mit ihrer zeit- und energieaufwendigen Situation als Mütter und Hausfrauen vereinbar sind. Da Frauen häufiger die Einkäufe für die Familie erledigen, liegt es nahe, dass sie somit beim politischen Konsumverhalten dominieren.
Drittens wird argumentiert, dass sich Frauen aufgrund geschlechtsspezifischer Sozialisation, eher in privaten und weniger «öffentlichen» Formen der politischen Beteiligung engagieren.
Diese drei Modelle liefern in der Tat wertvolle Hinweise darauf, warum sich Frauen stärker als Männer an politischen Konsumaktivitäten beteiligen. Doch selbst wenn alle diese Faktoren empirisch berücksichtigt werden, sind es immer noch eher Frauen als Männer, die nach ethischen, sozialen und ökologischen Standards einkaufen
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Die Persönlichkeit und politisches Konsumverhalten
Bisherige Forschungen deuten darauf hin, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale – gemessen anhand des «Big Five»-Modells – wichtige Faktoren sind, um besser zu verstehen, warum sich Menschen in der einen oder anderen Form politisch engagieren.
Politisches Konsumverhalten scheint hauptsächlich von jenen ausgeübt zu werden, die höhere Werte bei den Persönlichkeitsmerkmalen «Offenheit für Erfahrungen» und «Verträglichkeit» haben. Ausserdem zeigen mehrere empirische Studien systematische Geschlechterunterschiede in den Persönlichkeitsmerkmalen auf. Im Allgemeinen erzielen Frauen systematisch höhere Werte auf den Dimensionen «Verträglichkeit», «Neurotizismus» und «Gewissenhaftigkeit».
Geschlechtsspezifische Unterschiede in den Persönlichkeitsmerkmalen könnten also eine alternative Erklärung für die geschlechtsspezifischen Unterschiede im politischen Konsumverhalten liefern. Eine Analyse von Umfragedaten aus der Schweiz stützt diese These: Geschlechtsspezifische Unterschiede in Persönlichkeitsmerkmalen, insbesondere in der Verträglichkeit, können hier einen signifikanten Teil der umgekehrten Geschlechtsdifferenz im politischen Konsumverhalten erklären.