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Gerne hätte Parmelin das Abkommen als ersten Erfolg als Wirtschaftsminister feiern wollen. Doch die 75 000 Buschbrände im Amazonasbecken haben dem ehemaligen Winzer das Fest verdorben. Und nun fordern Linke und Grüne, dass man mit einem «rechtsradikalen Regenwaldzerstörer» wie Jair Bolsonaro kein solches Abkommen schliessen dürfe. FDP und SVP wollen Handelspolitik und Naturschutz nicht vermischen. Aber jetzt begehren auch die Schweizer Bauern gegen das Abkommen auf. Ob sie das aus Sorge um den Regenwald tun oder weil sie merken, dass mit solch einem Abkommen noch mehr billiges Rindfleisch auf den Schweizer Markt kommt, sei mal dahingestellt.

Und auch am G7-Gipfel fordert der französische Präsident Emmanuel Macron, dass sich die Staatengemeinschaft gegen die Feuer im Regenwald einsetzt.

Dürfen Industrieländer den Brasilianern vorschreiben, wie sie mit ihrem Wald umzugehen haben?

Natürlich dürfen wir das. Denn der Regenwald ist wichtig für das globale Klima.

Aber dürfen wir wirklich anderen Nationen vorschreiben, wie sie mit ihren Ressourcen umzugehen haben? Immerhin war auch Europa mal grossflächig mit Wald bedeckt und wir haben ihn auch abgeholzt für Siedlungen und Landwirtschaft.

Können wir da anderen Vorschriften machen?

Ja, wir können. Weil ja nicht alle dieselben Fehler machen müssen. Und weil wir heute gescheiter sind als damals und die Folgen dieser Abholzung einschätzen können.

Im 19. Jahrhundert wurde auch in der Schweiz massiv abgeholzt. Die Folgen waren vermehrte Überschwemmungen durch Murgänge: Allein im Herbst 1868 haben heftige Gewitter ganze Dörfer verwüstet, weil es keinen Wald mehr gab, der das Regenwasser zurückhielt. 50 Menschen starben dabei.

Die Schweiz hat reagiert, wieder aufgeforstet und ein Forstgesetz erlassen, das bis heute unseren Wald schützt und Subventionen für Naturschutz einführt.

Ob wir diese Erfahrung an Brasilien weitergeben dürfen, ist keine Frage.

Es ist ein Muss.

Aber warum sollte Brasilien darauf eingehen? Es geht nur über das Portemonnaie und damit über die Handelspolitik, wie Emmanuel Macron es vorschlägt und Guy Parmelin sie nicht betreibt.

Die Länder am Amazonas müssen mehr Geld verdienen, indem sie den Wald stehen lassen, als wenn sie ihn abholzen. Und zahlen müssen die Länder, die können, beziehungsweise wissen, wie wichtig der Wald für das Klima ist.

Auch mit Zahlungen für Naturschutz hat die Schweiz Erfahrung. Bei uns erhalten Bauern Geld für so genannte ökologische Leistungen. Wenn sie Hecken stehen lassen oder Magerwiesen bewirtschaften.

Wir wissen, wie wichtig der Wald ist und wir wissen, wie man mit Geld Naturschutz finanziert. Also exportieren wir dieses Wissen und schliessen Handelsabkommen nur noch in Kombination mit ökologischen Leistungen. Danke, Herr Parmelin.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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