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Natürlich können wir alle es kaum erwarten, bis die Restaurants öffnen und wieder grosse Konzerte stattfinden. Der Plan für die nächsten Lockerungsschritte ist bekannt: Spielt es also eine Rolle, ob wir schon ein paar Tage früher auf den Putz hauen?
Ja, das tut es.

Nicht dieselben Gruppen betroffen

Denn erstens zählen wir heute noch immer um die tausend Neuinfektionen pro Tag. Aber bei unvorsichtigem Verhalten können daraus schnell wieder mehr werden. Vor allem jüngere Menschen, die wohl am sehnlichsten auf die Rückkehr der Normalität warten, dürfen jetzt nicht zu schnell alle Vorsichtsmassnahmen fallen lassen.

Zwar scheint über die letzten Wochen dank sinkenden Fallzahlen auch das Infektionsrisiko von nicht geimpften Personen zu sinken. Aber das Risiko ist immer noch deutlich höher als Ende letztes Jahr. Aus folgendem Grund: Die heute täglich um die tausend Neuinfektionen mit Sars-CoV-2 betreffen nicht mehr dieselben Bevölkerungsgruppen wie die ebenfalls um die täglich tausend Infektionen auf dem Höhepunkt der ersten Welle.
Denn Geimpfte und Genesene sind heute geschützt. Gut neun von zehn geimpften Menschen sind durch die in der Schweiz verwendeten Impfstoffe vor einer Infektion sicher. Das trifft auf 1,2 Millionen vollständig Geimpfte zu.

Wie gut der Schutz für Genesene ist, ist nicht bekannt: Aber nehmen wir mal an, von den 676 000 positiv Getesteten können sich etwa 500 000 nicht mehr infizieren. So ergeben Geimpfte plus Genese zusammen um die 1,7 Millionen geschützte Personen.

Das heisst: die heute gezählten Infektionen betreffen eine kleinere Population. Vor der Impfkampagne fielen die tausend Infektionen auf 8,5 Millionen Menschen. Heute nur noch auf 6,8 Millionen. Das ergibt trotz gleich hohen Infektionszahlen für den Einzelnen eine höhere Wahrscheinlichkeit, infiziert zu werden.

Kommt hinzu, dass bis heute vor allem die Älteren geimpft sind. Das bedeutet, die Gefahr einer Infektion konzentriert sich heute auf Junge.
Nun gut, denen macht die Krankheit ja weniger aus. Das stimmt tendenziell zwar. Aber auch Personen zwischen zwanzig und sechzig Jahren können schwere Verläufe entwickeln.

Mehr Spitaleintritte durch neue Varianten

Und bei der neuen Virus-Variante B.1.1.7, die mittlerweile auch in der Schweiz die dominierende Variante geworden ist, ist gemäss einer englischen Studie die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs etwa fünfzig Prozent höher als bei der ursprünglichen Variante. Und zwar über alle Altersklassen hinweg.

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In der Schweiz hatte im ersten Quartal dieses Jahres eine fünfzig- bis 59-jährige, positiv getestete Person, welche nicht mit B.1.1.7 infiziert ist, ein 1,7-prozentiges Risiko hospitalisiert zu werden. Im gleichen Zeitraum war das Risiko einer positiv getesteten Person dieser Altersgruppe welche mit B.1.1.7 infiziert war, bei fünf Prozent. Also ein rund dreimal höheres Risiko für eine Hospitalisierung.

Die anderen Altersgruppen über 35 entwickelten sich ähnlich – in den jüngeren Altersklassen sind die absoluten Zahlen zu klein für quantitative Aussagen.

Alles in allem also kein Ende des Alarms – auch nicht für Junge. Sondern ein Appell an Disziplin und Durchhalten. Denn jetzt werden immer mehr Leute geimpft, und immer jüngere. In einigen Kantonen sogar schon Jugendliche. Die nächsten Lockerungen sind beschlossen, der Sommer naht. Wir alle freuen uns.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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