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Was bin ich nach meinem Auftritt bei Roger Schawinski im SRF in ein Bombardement geraten, weil ich in dem Talk gesagt habe, dass Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirke. Offenbar gibt es Leute, die das Wort «Placebo» als entwertend oder negativ empfinden.

Das ist überhaupt nicht so: Der Placebo-Effekt ist wissenschaftlich nachweisbar und wirkt stark. Und nicht nur die Homöopathie, sondern auch die Schulmedizin profitieren davon. Gedanken können uns gesund machen. Das zeigen unzählige Studien.

Das Wort «Placebo» bedeutet so viel wie «ich werde gefallen» oder eben «es wird mir gut tun». Der Begriff steht für ein Medikament, das keinen Wirkstoff enthält, aber trotzdem eine Wirkung hat. Eigentlich kennen wir das ja alle: Bei einem Kind, das sich das Knie aufschlägt, wirkt ein Trostpflaster Wunder.

Das tun auch Pillen, in denen nichts drin ist. Ihre Wirkung hängt sogar von ihrer Grösse und Farbe ab. Ein grosses, rotes Placebo wirkt besser als ein kleines, weisses.

Auch Operationen haben Placebo-Wirkung. Bei undefinierten Knieschmerzen zum Beispiel kann ein Schnitt in die Haut und fachgerechtes Zunähen die Schmerzen zum Verschwinden bringen. Eine Scheinoperation nennt man das. Sie darf allerdings in der Medizin nicht eingesetzt werden, weil es Täuschung des Patienten wäre. Aber Wunderheiler machen es so.

Interessant ist, dass der Placebo-Effekt auch dann wirkt, wenn die behandelte Person weiss, dass es ein Placebo ist, dass also nichts in der Pille ist. So stark ist die heilende Kraft unserer Gedanken.

Übrigens wirkt auch bei jedem konventionellen Medikament eine gehörige Portion Placebo mit. Dies zeigt zum Beispiel eine Untersuchung mit frisch operierten Patienten. Wenn man ihnen bei der Verabreichung von Morphium sagt, sie erhalten das stärkste Schmerzmittel, dass es gibt, sind die Schmerzen nach zwei Stunden weg. Ohne die begleitenden Worte wirkt das Morphium selbstverständlich auch. Aber erst nach drei Stunden.

Und wenn man es absetzt, ohne die Patienten zu informieren, hält die Wirkung noch über Stunden an. Informiert man aber, dass das Morphium abgesetzt wird, sind die Schmerzen nach einer Stunde wieder da.

Ähnliche Effekte gibt es bei jedem ganz normalen Medikament. Auch die Schulmedizin profitiert vom Placebo-Effekt. Die Frage ist also nicht, ob Placebo gut oder schlecht ist. Die Frage sollte eher sein, wie wir das Einzige in der Medizin, das keine Nebenwirkungen hat, am besten nutzen können, um kranken Menschen zu helfen.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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