Das musst du wissen

  • Den rechtlichen Umgang mit privaten Gentests aus dem Internet soll eine Gesetzesrevision 2021 regeln.
  • Die TA-Swiss veröffentlichte nun einen Bericht in dem sie weitere Schärfungen der Revision empfiehlt.
  • So soll es Kriterien geben, in welchen Fällen die Firmen Informationen über genetische Krankheitsrisiken teilen dürfen.

Heute ist die Genomsequenzierung nicht mehr nur der Diagnose seltener Krankheiten oder polizeilichen Ermittlungen vorbehalten. Sie ist dank kommerziellen Diensten wie «23andMe» oder «MyHeritage» allen zugänglich. Aber genetische Daten müssen mit Sorgfalt behandelt und kommuniziert werden. In einem Synthese-Bericht, der am 24. November 2020 veröffentlicht wurde, beleuchtet die Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung TA-Swiss die Situation in der Schweiz.

Warum wir darüber sprechen. Es werden immer mehr Gentests aus Neugier gemacht: um seine genetischen Ursprünge zu finden oder um den eigenen Stammbaum zu erweitern. Das birgt aber auch ein gewisses Risiko. Diesbezüglich ist die Revision des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG), die 2021 in Kraft treten soll, für die TA-Swiss ein Schritt in die richtige Richtung. Die Gesetzesrevision wird aber nicht alle Unklarheiten aus der Welt schaffen.

Die verschiedenen Anwendungen von DNA-Tests. Heute gibt es drei Hauptanwendungen für Gentests:

  • Rein medizinische Diagnosen einer genetischen Krankheit.
  • Forensische Verwendung durch Strafverfolgungsbehörden. Viele Länder nutzen heutzutage DNA-Datenbanken für polizeiliche Ermittlungen. In der Schweiz ist dies seit 2005 gesetzlich geregelt.
  • Private Nutzung. Viele möchten Genaueres über ihre genetischen Ursprünge oder ihren Stammbaum erfahren. Diese Tests wurden durch die sinkenden Preise für Gentests ermöglicht. Sie werden als «Direct-to-Consumer» bezeichnet, weil sie nicht von medizinischen oder wissenschaftlichen Fachleute in Auftrag gegeben werden.

Der TA-Swiss-Bericht konzentriert sich auf letztere Anwendung.

Oft verschwommene Grenzen. Es ist wichtig, zwischen den oben genannten Anwendungen zu unterscheiden, da sie unterschiedliche rechtliche Kontexte betreffen. Jedoch sind die Grenzen zwischen einem Test für den privaten Gebrauch und einem Test für den medizinischen Gebrauch manchmal fliessend.

Zum Beispiel kann man mit einem einfachen privaten Test heikle Informationen über seine Gesundheit erhalten, mahnt TA-Swiss. Tatsächlich erwähnen Zeitungsartikel manchmal, welche Gene oder Varianten Krankheiten verursachen können. Der Kunde eines privaten Tests kann durch die Ergebnisse in Angst geraten, obwohl sein tatsächliches Krankheitsrisiko, welches auch von anderen Genen und seinem Lebensstil abhängt, sehr gering sein kann.

Die meisten der für die TA-Swiss-Studie befragten Spezialisten sind sich in einem Punkt einig: Bei privaten Tests sollten die möglichen Krankheitsrisiken bis auf wenige Ausnahmen nur im medizinischen Rahmen kommuniziert werden. Im Grossen und Ganzen halten sie diese für medizinisch wenig interessant und eher für Spielereien.

Die Risiken. Genetische Daten sind ganz besondere private Daten. Dies wirft mehrere Probleme für private Gentests auf:

  • Die Anbieter solcher Tests, die meist über den Postweg abgewickelt werden, sollten sorgfältiger darauf achten, dass eine eingesandte Probe dem Kunden gehört und nicht einem Dritten. Denn ein Dritter könnte damit zum Beispiel einen getarnten Vaterschaftstest machen.
  • Durch die Verwendung solcher Tests wird indirekt der Teil des Genoms freigelegt, der mit Familienmitgliedern geteilt wird, und die einer Genanalyse nicht zugestimmt haben. In den Vereinigten Staaten wurde 2018 eine strafrechtliche Untersuchung Jahre später dank Daten gelöst, die auf einer dieser Plattformen gespeichert waren, weil sich eine Cousine dritten Grades des Mörders dort hatte testen lassen. Der Fall hatte eine Welle der Entrüstung über Datenschutzfragen ausgelöst.

Die regulatorische Grauzone. Es ist daher dringend notwendig, dass das Schweizer Recht einen angemessenen Rahmen für solche Tests schafft, so die Schlussfolgerung des Berichts. Die frühere Version des GUMG, die 2007 in Kraft trat, deckte nur Gentests ab, die von einem Arzt angeordnet wurden. Die Revision 2021 wird einen besseren Rahmen für die Nutzung durch die Allgemeinheit schaffen und insbesondere festlegen, was getestet werden darf. Die beteiligten Laboratorien und ausländischen Firmen müssen explizit genannt und die Kontaktdaten klar angegeben werden, um allfällige Fragen beantworten zu können. Diese Unternehmen sind nicht verpflichtet, mehr  Informationen mitzuteilen als die ursprünglich mit dem Test beabsichtigten. Denn diese könnten auch grundlose Befürchtungen auslösen.

Aber auch mit der Revision des Gesetzes kann es problematisch bleiben. Was passiert, wenn versehentlich eine schwerwiegende genetische Anomalie festgestellt wird? Die Verfasser des Berichts fordern, dass im Gesetz ausdrücklich eine Ausnahme vorgesehen wird:

«Eine absolute Vorschrift ist problematisch. Stattdessen sollten genaue Kriterien für die Ausnahmen festgelegt werden, damit die betroffenen Personen die Ergebnisse ihrer Tests erhalten und sich unverzüglich den erforderlichen medizinischen Untersuchungen und Behandlungen unterziehen können.»

Der Bericht betont auch die Notwendigkeit für diese Unternehmen, transparenter zu sein und mit den privaten Daten respektvoll umzugehen. Angesichts eines boomenden Marktes – schätzungsweise sind es eine Milliarde Dollar weltweit im Jahr 2021 – sind Unternehmen in diesem Sektor oft versucht, die Daten meist anonymisiert an Dritte, beispielsweise Pharmaunternehmen, weiterzuverkaufen.

Das revidierte Gesetz ist jedoch klar: Wenn ein Unternehmen die genetischen Daten seiner Kunden verwendet, ohne sie zu informieren oder um ihre Erlaubnis zu bitten, verstösst es gegen Schweizer Recht. Aber sind diese Daten wirklich und ausschliesslich «persönlich», wenn sie doch auch Verwandte betreffen? TA-Swiss stellt diese Frage:

«Die Formulierung der Einverständniserklärung ist zu weit gefasst und muss präzisiert werden. Da es sich bei genetischen Daten nicht um ein privates Gut im üblichen Sinne handelt, sollte geprüft werden, ob die betroffenen Angehörigen Mitentscheidungs- und Konsultationsrechte haben sollten.»

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Er wurde von Corinne Goetschel aus dem Französischen übersetzt.

Heidi.news

Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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