«Südostschweiz», 19. März 2018

Beat Glogger ist Wissenschaftsjournalist mit Leib und Seele. Nach 14 Jahren als Redaktor, Moderator und Redaktionsleiter beim Wissenschaftsmagazin MTW des Schweizer Fernsehens machte sich der Mikrobiologe und Journalist 1999 selbstständig. Seine Mission und Passion: Wissenschaftsthemen einem breiten Publikum zugänglich machen. Beispielsweise veröffentlicht er mit seinem Team der Agentur Scitec-Media auch in der «Südostschweiz» jeweils am Freitag eine Seite mit spannenden Wissenschaftsthemen. Anfang Jahr hat der 58-Jährige nun ein neues Projekt gestartet: das Web-Portal higgs.ch.

Herr Glogger, überall im Journalismus wird gespart: Zeitungen legen ihre Redaktionen zusammen, Synergien werden gesucht, Stellen gestrichen. In diesem Umfeld gründen Sie ein Web-Magazin für Wissenschaftsjournalismus. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Das passt sehr wohl zusammen! Auch wenn es paradox tönt: Gerade wegen der Zeitungskrise, unter der der Wissenschaftsjournalismus übrigens mit am stärksten leidet, wagen wir diesen Schritt. Wir müssen einen Ausweg aus der Krise finden. Obwohl Wissenschaftsthemen bei den Lesern und TV-Zuschauern sehr gut ankommen, haben viele Verleger bei den Wissenredaktionen gespart. Denn Wissenschaftsjournalismus ist aufwendig – und darum teuer. Also haben wir uns gesagt: Es braucht ein neues Modell. Wir suchen mit higgs.ch ein neues Verbreitungsmodell – und wir suchen ein neues Finanzierungsmodell.

Was ist denn die Idee hinter higgs.ch?

Ein Anspruch lautet: «Wissen in jede Ecke der Schweiz» zu bringen. Das tönt vielleicht etwas grossspurig, denn derzeit gibt es uns erst auf Deutsch. In einem nächsten Schritt wird es aber unser Ziel sein, viersprachig zu erscheinen – auf Französisch, Italienisch und auch auf Rätoromanisch. Ein zweiter Anspruch ist «Wissen für alle»: Ich bin überzeugt, dass Wissen ein Rohstoff ist, von dem die Schweiz lebt. Die Schweizer Hochschulen gehören zu den besten der Welt, die Schweiz hat die weltweit höchste Innovationsquote, und die Schweiz hat die höchste Dichte an Nobelpreisträgern pro Einwohner. Gleichzeitig entscheiden sich zu wenige Junge für eine Ausbildung in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften. Entsprechend steigt der Fachkräftemangel in der Industrie. Hier wollen wir Gegensteuer geben. Die Schweiz ist eine Wissensnation, das Bewusstsein dafür in der Bevölkerung wollen wir fördern, indem wir über Wissenschaftsthemen von A bis Z berichten.

Und wie finanzieren Sie das? Werbung findet man auf dem Portal ja keine?

Einen Teil leistet Scitec-Media als Vorfinanzierung. Bis Ende 2018 werden wir zudem von der Gebert-Rüf-Stiftung unterstützt, die uns seit Jahren dafür bezahlt, redaktionelle Inhalte für Regionalzeitungen wie die «Südostschweiz» zu erstellen. Auf higgs.ch fassen wir diese Inhalte an einem Ort zusammen und bieten aus eigener Kraft – mit unserem zehnköpfigen Team – Zusatzgefässe an. Wir sind Feuer und Flamme für higgs.ch und arbeiten derzeit alle bis zum Umfallen.

Und das geht finanziell auf?

Klar ist: Derzeit leben wir mit higgs.ch über unsere Verhältnisse. Wir geben das Dreifache von dem aus, was wir eigentlich zur Verfügung haben. Aber wir glauben an das Projekt und wollen dieses Jahr zeigen, wie das Portal in der Praxis aussehen und wie viel es kosten soll. 2019 brauchen wir dann aber wesentlich mehr Geld.

Gibt es da Ideen?

Ich mache im Moment fast nichts anderes, als Partner zu suchen, um higgs.ch zu einem langen Leben zu verhelfen. Wir werden dazu eine neue Stiftung gründen. Es soll eine Art Sammeltopf werden. Wenn dann Gelder beispielsweise von Industriefirmen, von Versicherungen, von anderen Stiftungen, von Hochschulen, von der öffentlichen Hand oder via Crowdfunding in diese Stiftung fliessen, mischen sich nicht nur die Gelder, sondern auch die Interessen – und der Journalismus, der über diese Stiftung finanziert wird, kann unabhängig funktionieren, weil niemand übermässig Einfluss nehmen kann.

Welches Publikum wollen Sie mit higgs.ch ansprechen?

«Wissen für alle» lautet unser Credo, aber natürlich kann kein Portal «alle» ansprechen. Trotzdem versuchen wir die Quadratur des Kreises, indem wir wirklich allen etwas bieten wollen. So findet man auf higgs.ch zum Beispiel den stündigen Hintergrund-Talk «Wissenschaft persönlich» für ein relativ kleines Zielpublikum. Man findet Hintergrundartikel mit 5000 bis 6000 Zeichen ebenso wie kurze, knackige News zu Wissenschaftsthemen. Oder man findet auf higgs.ch kleines Alltagswissen – das wird übrigens sehr gut gelesen. Ende Monat starten wir zudem mit einem Kinderprogramm, in dem wir Kinder und Eltern zu Küchenexperimenten anregen. In der ersten Folge fabriziert zum Beispiel ein Papa mit seinem Sohn eine Alkohol-Dampfrakete. Und danach können unsere kleinen Leser ihre eigenen Kreationen einsenden.

Und wie war der Start von higgs.ch?

Wir haben in den ersten sieben Wochen 1200 Facebook-Abonnenten gewonnen. Das ist zwar eine kleine Zahl, aber ein sensationeller Start, wenn man bedenkt, dass wir uns PR finanziell nicht leisten können. Das direkte Echo der Leser auf das neue Web-Magazin ist überwältigend. Gefordert wird mehr Interaktivität, also dass die Leser mitdiskutieren, mitmachen und Themen vorschlagen können. Das gehen wir nun an.

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