Das musst du wissen

  • Ekel schützt uns vor verdorbenen Lebensmitteln und damit vor Krankheiten. Aber: Er steht auch dem Fortschritt im Weg.
  • Denn auch neue Lebensmitteltechnologien, die gut für Klima und Umwelt wären, finden wir eklig.
  • Wegen des Ekels schätzen wir genverändertes oder künstlich hergestelltes Fleisch als risikoreich ein und lehnen es ab.

Ekel ist etwas Gutes. Denn ob vergammeltes Fleisch oder schmutziges Besteck – vieles was uns anekelt, enthält oft gesundheitsschädliche Keime. Doch Ekel ist auch eine Fortschrittsbremse. Denn er führt dazu, dass Menschen neue Technologien, mit denen gesündere und umweltfreundlichere Lebensmittel hergestellt werden können, ablehnen. Das entdeckten Psychologen der ETH Zürich.

Sie baten 313 Probanden, neue Lebensmitteltechnologien einzuschätzen. Darunter Fleisch, welches gentechnisch so verändert ist, dass es mehr von den gesunden Omega-3 Fettsäuren enthält; Fleisch welches mit einem essbaren Nanotechnologie-Film überzogen und so länger haltbar ist; Fleisch und Milch, die nicht von Tieren stammen, sondern im Labor hergestellt werden, sowie künstliche Lebensmittelzusätze aus Schimmelkulturen.

Zu jeder Technologie mussten die Probanden sowohl Risiko und Nutzen als auch ihren eigenen Ekel und ihre Bereitschaft, die Lebensmittel zu konsumieren, einschätzen. Dies taten sie auf einer Skala von 1 bis 100: Je höher der Wert, desto höher der Ekel und das empfundene Risiko.

Ekel gleich Risiko

Es stellte sich heraus: Die Studienteilnehmer schätzten Technologien dann als risikoreich ein, wenn sie sie auch besonders eklig fanden. Dann wollten sie die Produkte auch nicht essen, insbesondere gentechnisch verändertes Fleisch und Fisch sowie Fleisch mit Nanofilm-Überzug. So bewerteten die Probanden das Genfleisch im Mittel mit 65 Punkten auf der Ekelskala und mit 73 Punkten auf der Risikoskala. Künstliche Lebensmittelzusätze wurden mit 42 Punkten als weniger ekelig und mit 49 Punkten auch als weniger riskant angesehen.

«Der Grund für den Ekel liegt sicherlich darin, dass die Menschen diese Technologien mit einer Kontamination in Verbindung bringen», sagt ETH-Psychologe Michael Siegrist, der die Studie leitete. So enthielt die Beschreibung der Gentechnologie beispielsweise die Information, dass das entsprechende Gen aus einem Fadenwurm kommt. «Das erweckt möglicherweise das Gefühl einer Verschmutzung.» Ausserdem, so Siegrist, würden Produkte wie genmanipuliertes oder im Labor erzeugtes Fleisch als unnatürlich empfunden. Alles, was von der Natur kommt, gelte dagegen als gut.

Doch die weltweite Massentierhaltung schadet dem Klima und der Umwelt, langfristig führt also wohl kein Weg an künstlichen Alternativen vorbei. Dass ihr Fleischkonsum ein Problem für Klima und Umwelt ist, sei aber den wenigsten bewusst, sagt Michael Siegrist. Um die Akzeptanz für neue Lebensmitteltechnologien zu steigern, müsste man also erst das Bewusstsein dafür schaffen, dass sie notwendig sind. Dann schaffen wir es vielleicht auch, unseren Ekel vor dem Fortschritt zu überwinden.

Diesen Beitrag haben wir ursprünglich für nau.ch geschrieben.
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