Dieser Beitrag erschien zuerst auf «blog.swisspeers.ch», 8. März 2019. Geschrieben von Alwin Meyer.

Seit Januar 2018 publizieren higgs auf seiner eignen Website und Facebook, Instagram und Twitter täglich Wissen für ein breites Publikum – und zwar gratis. Denn das Medien-Start-Up um den Wissenschaftsjournalisten Beat Glogger versteht Wissen als Allgemeingut. «Darum darf es nicht hinter einer Paywall versteckt sein» sagt Glogger, der in den 1990er Jahren das Wissenschaftsmagazin MTW am Schweizer Fernsehen moderiert und geleitet hat. Seit 1999 führt er eine eigene Agentur für Wissenschaftsjournalismus und -kommunikation.

Sein jüngstes Projekt higgs will aber weit mehr sein als ein Magazin: Es ist ein neuartiges Mediensystem. Denn higgs verbreitet seine Inhalte durch einen in der Schweiz einzigartigen Mechanismus. Neben dem Betrieb unserer eigenen Kanäle arbeitet die Redaktion mit verschiedenen Schweizer Content-Partnern zusammen, die sich hochwertigen Wissenschaftsjournalismus nicht mehr leisten können. «Es gibt in der Schweiz nur noch gerade drei Medienhäuser, die sich eine eigene Wissensredaktion leisten können», sagt Glogger. Das ist die NZZ-Gruppe, Tamedia und SRF. «Daneben herrscht bezüglich Wissenschaftsjournalismus die reine Wüste.» Das ist der Wissensnation Schweiz nicht würdig», sagt Glogger.

Die Partner von higgs erhalten die Inhalte kostenlos. Das einzige, was higgs davon hat, ist Reichweite. Aber so erfüllt es seinen Anspruch, Wissen in möglichst viele Gebiete und in möglichst viele Gesellschaftsschichten zu bringen – insbesondere auch in bildungsferne und solche, die nicht a priori an Wissenschaft interessiert sind. Zurzeit erscheinen die Artikel einmal wöchentlich in der Aargauer Zeitung, dem Bieler Tagblatt, den Freiburger Nachrichten, der Südostschweiz, im Tagblatt der Stadt Zürich und im Zürcher Oberländer. Ebenso auf Blick Online und nau.ch. Damit erreicht das Wissen von higgs weitaus das grösste Publikum im Schweizer Medienwesen. Aktuell sind es rund 1. Millionen Personen im Print. Demnächst kommen auch noch die Titel der Zeitungshaus AG hinzu, was dann eine Leserschaft von 1.8 Millionen Personen ergibt. «Mehr als NZZ, NZZ am Sonntag, Tagesanzeiger und Sonntags-Zeitung zusammen» freut sich Glogger.

Higgs: eine offene Plattform für Wissen

higgs versteht sich als eine offene Plattform. Deshalb bieten es auch wissenschafts­journalistischen Inhalten Platz, die nicht die Kernredaktion selbst produziert. Durch solche Inhalte werden Lücken im eigenen Portfolio geschlossen und Wissenschaftsjournalisten aus dem In- oder Ausland erhalten eine einzigartige Plattform zur Publikation. Ein wichtiger Punkt, denn bei den traditionellen Medien werden die Budgets für freischaffende Autorinnen und Autoren immer mehr zusammengestrichen. Gegenwärtig bietet higgs Platz für eine Videoserie mit dem Namen «Atlant&Arin», Experimente für Kinder, «DeFacto» ein von verschiedenen politwissenschaftlichen Instituten von Schweizer Universitäten unterhaltener Blog. Noch im März startet eine Reihe aus 50 Texten zu historischen Orten in der Schweiz, welche der renommierte Journalist Benedikt Meyer verfasst hat. Im Aufbau sind Kooperationen mit ähnlichen kleinen und unabhängigen Medienportalen.

Neues Finanzierungsmodell

Das Portal higgs will nicht nur gratis, sondern auch werbefrei bleiben. Beschafft werden sollen die Finanzen durch die im Dezember gegründete gemeinnützige Stiftung «Wissen für alle». Die Stiftung hat den Zweck, ganz generell den Wissenschaftsjournalismus zu fördern, indem sie Werk- und Projektbeiträge für Freelancer ausschüttet, und insbesondere soll sie den Betrieb von higgs als Wissensplattform langfristig sicherstellen. Ins Leben gerufen wurde die Stiftung u.a. von:

  • Ruedi Aebersold, Leiter des Instituts für Molekulare Systembiologie an der ETH
  • Felix Althaus, Delegierter der Universitätsleitung für die Museen und Sammlungen der Universität Zürich
  • Thomas Nordmann, Schweizer Solarpionier der ersten Stunde
  • Wim Ouboter, Gründer und CEO der Micro Mobility Systems
  • Bernard Segesser, Gründer der Rennbahnklinik in Muttenz und ehemaliger Olympiaarzt
  • Jürg Wildberger, dem Erfinder der TV-Sendung «10 vor 10»
  • Carl August Zehnder, Gründungsvorsteher des Departements Informatik an der ETH Zürich

Eine Leiterin Fundraising hat vergangenen Monat die Arbeit aufgenommen. Sie soll nun das kleine Gründungskapital so weit vermehren, das der Betrieb der Plattform higgs und die weiteren Aufgaben der Stiftung langfristig gesichert werden können. Gesucht ist die finanzielle Unterstützung von Partnern aus der Wissenschaft, der Wirtschaft, der öffentlichen Hand, der Politik oder von Stiftungen und Privaten. «All diese Partner haben ein Interesse an einer aufgeklärten und gebildeten Bevölkerung», sagt Glogger und fügt als Stichwort den Fachkräftemangel in Ingenieurberufen und die MINT-Müdigkeit (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) der jungen Generation an. Das Geld, das der Stiftung zukommt, fliesst einzig in den unabhängigen Wissenschaftsjournalismus.

Weitere Business-Cases am Horizont

«Daneben bauen wir aber auch einige Business-Cases auf» sagt higgs-Gründer Beat Glogger. Für einzelne Formate wie zum Beispiel die monatliche Talk Show «Wissenschaft persönlich» ist direktes Sponsoring mit entsprechenden Gegenleistungen möglich. «Wir sind auch bereit, mit potenziellen Sponsoren neue massgeschneiderte Formate zu entwickeln», sagt Glogger. Massgeschneidert Inhalte beziehen kann man von higgs ebenfalls. So bezieht derzeit die Standortförderung des Kantons Zürich Wissenschafts- und Technologienews für ihre Website von higgs, in Arztpraxen und an anderen Standorten läuft eine erste Version von higgs-TV. «Mit solchen Verträgen lässt sich die ganze Redaktion higgs nicht finanzieren», sagt Glogger, «aber es ist der Anfang eines skalierbaren Geschäfts, das uns immer weniger abhängig von der Stiftung «Wissen für alle» macht. Und so ganz nebenbei hat Michael Baumann, Mitgründer und Leiter Development bei dem Medien-Start-Up ein eigenes Content Management System gebaut. Es macht higgs zu der weitaus schnellsten Medienwebsite der Schweiz. Auch das kann ein Geschäft werden.

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